Arzneimittel und Therapie

Verzicht auf Anthrazykline?

Die Ergebnisse jüngster Studien stellen den Wert einer Anthrazyklin-haltigen Chemotherapie beim frühen Mammakarzinom in Frage. Taxanhaltige Regime ohne Anthrazykline führen bei HER2-postivem und HER2-negativem Brustkrebs zu gleichwertigen oder besseren Ergebnissen ohne das kardiale Risiko zu erhöhen.

Anthrazykline wie Doxorubicin oder Epirubicin gehören zur Standardtherapie eines frühen Mammakarzinoms. Eine gefürchtete Nebenwirkung ist ihre Kardiotoxizität, zumal bei HER2-positivem Brustkrebs zusätzlich Trastuzumab eingesetzt wird, welches ebenfalls mit einem herzschädigenden Risiko assoziiert ist. Daher wurde in mehreren Studien untersucht, ob Anthrazykline durch andere Wirkstoffe ersetzt werden können, ohne den Therapieerfolg zu schmälern. Die Ergebnisse zweier solcher Studien wurden beim letzten San Antonio Brustkrebs Kongress (SABC) vorgestellt. Dabei handelt es sich um die US Oncology Studie 9735 und um die BCIRG 006-Studie. Die Auswertung der US-Studie Oncology 9735 lässt folgende Schlüsse zu:

  • Die Therapie mit Docetaxel (Taxotere®) und Cyclophosphamid (= TC-Regime) führte zu besseren Ergebnissen als der Einsatz von Anthrazyklin und Cyclophosphamid (= AC-Regime).
  • Dieser Vorteil zugunsten des TC-Regimes bestand unabhängig vom Alter und dem HER-2-Status der Patientinnen.
  • Das TC-Regime wurde von älteren und jüngeren Patientinnen gut vertragen.

In USA gilt die Therapie mit Docetaxel und Cyclophosphamid (TC-Regime) bereits als Standardregime für Patientinnen mit frühem Mammakarzinom bei keinem oder geringem Lymphknotenbefall.

US Oncology 9735 Studie

Die US Oncology 9735 Studie in Stichworten:

  • Teilnehmer: 1016 Patientinnen mit frühem Mammakarzinom (mehrheitlich ohne Lymphknotenbefall bzw. Befall von 1 bis 3 Lymphknoten)
  • Therapie: vier Zyklen Anthrazyklin und Cyclophosphamid (AC; 60/600 mg/m²; alle drei Wochen) vs Docetaxel und Cyclophosphamid (TC; 75/600 mg/m²; alle drei Wochen)
  • Dauer: Analyse nach sieben Jahren
  • Gesamtüberleben: 87% TC vs. 82% AC (HR 0,69; p = 0,032)
  • krankheitsfreies Überleben: 81% im TC vs. 75% AC (HR 0,74; p = 0,033)
  • Toxizität: Ähnlich in beiden Gruppen; unter AC traten mehr Anämien, unter TC mehr febrile Neutropenien auf. Die kardiale und myeloische Langzeittoxizität war unter TC (Docetaxel und Cyclophosphamid) geringer als unter AC (Anthrazyklin und Cyclophosphamid).

BCIRG 006-Studie

In der BCIRG (Breast Cancer International Research Group) 006-Studie sollte unter anderem der Stellenwert von Trastuzumab als Kombinationspartner von Docetaxel (Taxotere®) mit oder ohne Anthrazyklin (Doxorubicin) validiert werden. Dazu wurden 3222 Patientinnen mit HER2-positivem frühem Mammakarzinom für drei verschiedene Regime randomisiert:

  • 4 Zyklen Doxorubicin und Cyclophosphamid, gefolgt von 4 Zyklen Docetaxel (AC-T)
  • 4 Zyklen Doxorubicin und Cyclophosphamid, gefolgt von 4 Zyklen Docetaxel sowie ein Jahr lang Trastuzumab (AC-TH)
  • 6 Zyklen Docetaxel und Carboplatin sowie ein Jahr lang Trastuzumab (TCH).

Die jüngsten Auswertungen zeigen einen besseren therapeutischen Index für TCH vs. AC-TH bei HER2-positivem Mammakarzinom. Gleichzeitig war das TCH-Protokoll kardial signifikant besser verträglich als die Therapie mit Anthrazyklinen.

Topoisomerase-Inhibitoren

Topoisomerasen sind nukleäre Enzyme mit essenzieller Bedeutung für Replikation, Transkription und DNA-Reparatur. Sie sind an der Entwindung bestimmter Chromosomenabschnitte beteiligt. Durch Öffnen und anschließendes Wiederverknüpfen von DNA-Strängen schaffen sie strukturelle Voraussetzungen der Replikation. Toposiomerase I spaltet und verknüpft einen Strang der doppelsträngigen DNA; Topoisomerase II beide Stränge. Die Hemmung dieser Enzyme durch Zytostatika führt zu Strangbrüchen und Absterben der Zelle. In vielen Tumoren ist die Aktivität der Topoisomerasen erhöht, so dass Topoisomerase-Inhibitoren relativ selektiv wirken.

Im Rahmen von Studien wird die gleichzeitige Überexpression von HER-2 und Topoisomerase bereits mithilfe eines Genkits bestimmt.

Molekularbiologische Untersuchungen für eine differenzierte Therapie

HER2-positive Mammakarzinome gelten als besonders Anthrazyklin-sensitiv. Molekularbiologische Untersuchungen widersprechen jedoch dieser Annahme. Die erhöhte Anthrazyklin-Sensitivität ist keine Folge der HER2-Überexpression, sondern basiert auf der Koamplifikation eines dem HER2-Gen benachbarten Proteins, der Topoisomerase II alpha. Dieses Enzym spielt eine wichtige Rolle bei der DNA-Replikation und ist ein Angriffspunkt der Anthrazykline. Aber nur Patientinnen mit HER2-positivem und Topoisomerase II alpha koamplifiziertem Mammakarzinom profitieren maßgeblich von einer Anthrazyklin-haltigen Therapie. Allerdings weist nur ein Drittel der Patientinnen mit HER2-positivem Tumor zusätzlich eine Topoisomerase-II-Koamplifikation auf. Bezogen auf alle Mammakarzinome sind es etwa nur 8% der Patientinnen. Erhalten diese Frauen eine Trastuzumab-haltige Therapie, bringt das Anthrazyklin keinen zusätzlichen prognostischen Vorteil. Das heißt, die Effektivität von Trastuzumab lässt sich mit der zusätzlichen Gabe von Anthrazyklinen nicht steigern. Daher kann auf das Anthrazyklin verzichtet und so die potenzielle Kardiotoxizität verringert werden.

 

Quelle

Prof. Dr. Wolfgang Eiermann, München, Fachpresse-Roundtable "Taxotere beim Mammakarzinom – Studienupdate aus San Antonio", München, 16. Januar 2008, veranstaltet von der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt.

 


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

 

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