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Medizin
Was ist eigentlich … das Raynaud-Syndrom?
Bei dieser Erkrankung genügt mitunter schon ein Griff an die metallene Türklinke oder eine unangenehme Situation. Plötzlich weicht das Blut aus den Fingern; manchmal ist der ganze Finger betroffen, manchmal auch nur ein Fingerteil, gelegentlich sogar die ganze Hand. Im Volksmund spricht man auch von Leichenfingern. Aber nicht nur die Hände, auch die Füße können betroffen sein.
Die Symptome sind gleich wie bei einer Unterkühlung beziehungsweise Erfrierung der Extremitäten und laufen in drei Phasen ab. Erst beginnt die Erkrankung mit einer verminderten Durchblutung. Die Haut wird kalt und blass, Schmerzen und Gefühlsstörungen treten auf. Durch den verminderten Sauerstoffgehalt (Hypoxie) färben sich die Finger in Phase zwei blau. Als letzte Reaktion kommt es zur Normalisierung des Blutflusses. Die Hände werden rot, Schmerzen und Kribbeln treten auf. So ein Anfall kann nur wenige Minuten dauern, allerdings auch mehrere Stunden. Im Extremfall kommt es zu Hautschädigung und Gewebeuntergang (Nekrose).
Zusammen mit vasospastischen Erkrankungen
Zwei Formen können unterschieden werden. Das primäre Raynaud-Syndrom (Raynaud-Krankheit), bei welchem keine erkennbare Grundkrankheit vorliegt – und das sekundäre Raynaud-Syndrom (Raynaud-Phänomen) als Begleitsymptom einer anderen Grunderkrankung. Bis zu fünf Prozent der Bevölkerung leiden an dem primären Raynaud-Syndrom. Hauptsächlich Frauen im Alter von 15 bis 40 Jahren sind betroffen – insgesamt fünfmal häufiger als Männer. Das primäre Raynaud-Syndrom tritt häufig gemeinsam mit anderen vasospastischen Erkrankungen in Erscheinung wie beispielsweise mit einer Migräne oder der Prinzmetal-Angina. Bei dieser seltenen Form der Angina pectoris kommt es nicht zu einer Verengung der Herzkranzgefäße durch Verkalkung, sondern durch Verkrampfung.
Über 40 Krankheitsbilder werden mit dem sekundären Raynaud-Syndrom in Verbindung gebracht. Als Grundkrankheit kommen beispielsweise Bindegewebserkrankungen infrage wie beispielsweise Sklerodermie, Lupus erythematodes oder das Sjögren-Syndrom. Auch ein Diabetes mellitus, Nicotinabusus und wiederholte Mikroverletzungen können zu einem Raynaud-Syndrom führen, ebenso wie Medikamentenüberdosierungen beispielsweise von Beta-blockern, Bleomycin, Interferon alpha, Dopamin oder Bromocriptin. Bei Drogenabhängigen, die Kokain und ähnlich wirkende Designer-Drogen verwenden, kann es ebenfalls zu gefäßverengenden Attacken kommen.
Spezielle Untersuchungen
Bei dieser Untersuchung hält der Betroffene die Hände drei bis fünf Minuten lang in Eiswasser. Die Kälte kann vasospastische Anfälle auslösen. Ein bis zwei Hübe Nitrospray auf die Zunge oder Wiedererwärmen der Hände lösen den Krampf der Gefäßmuskulatur.
Hierbei öffnet und schließt der Erkrankte 20 mal die erhobene Hand, während das Handgelenk vom Untersucher fest umschlossen wird. Bei asymmetrisch lokalisierten Gefäßstenosen im Sinne eines sekundären Raynaud-Syndroms kann es zum Weißwerden einzelner Finger kommen. Nach dem Loslassen zeigt sich bei manchen Fingern ein verzögerter Bluteinstrom.
Die Kapillarmikroskopie ermöglicht als einzige nicht-invasive Methode die direkte Untersuchung und Beurteilung des Aufbaus der Kapillaren. Dazu wird ein Tropfen Öl auf den Nagelfalz gegeben, um die Haut durchscheinend zu machen. Aus dem Aussehen und der räumlichen Verteilung der Kapillaren lassen sich Rückschlüsse auf Gefäßschädigungen und Erkrankungen des Bindegewebes ziehen. Da mit der Kapillarmikroskopie auch der Blutfluss in den Kapillaren beobachtet werden kann, ist es möglich, den Schweregrad einer Hautdurchblutungsstörung zu beurteilen. |
Besonders häufig klagen Personen über dieses Symptom, deren Hände ständig Vibrationen ausgesetzt sind. Das ist beispielsweise bei Arbeiten mit dem Presslufthammer der Fall, aber auch beim Volleyballspielen. Das "Vibrationssyndrom" ist eine anerkannte Berufskrankheit.
Beim Raynaud-Syndrom geht man prinzipiell von einem gestörten Gleichgewicht zwischen gefäßverengenden und gefäßerweiternden Mechanismen im Körper aus. Wodurch das Gleichgewicht gestört wird, muss eine genaue Diagnostik ans Licht bringen. Am Anfang steht die körperliche Untersuchung. Die Pulse der hand- und fußversorgenden Arterien sind beim primären Raynaud-Syndrom normal tastbar. Weitere Untersuchungen sind der Kälteprovokationstest, die Kapillarmikroskopie, die Faustschlussprobe sowie Laboruntersuchungen. Neben dem Blutbild werden unter anderen die Entzündungsparameter wie die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und das C-reaktive Protein bestimmt. Als Diagnosekriterien für ein primäres Raynaud-Syndrom gelten:
• vasospastische Attacken bei Kälte oder emotionalem Stress,
• symmetrischer Befall der Hände,
• Fehlen von akralen (die Finger betreffend) Nekrosen und Gangrän,
• keine anamnestischen oder physikalischen Befunde, die auf ein sekundäres Geschehen deuten
• normale Nagelfalzkapillaren,
• normale Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG),
• kein Nachweis von antinukleären Antikörpern (ANA).
Beim Verdacht auf ein sekundäres Raynaud-Syndrom ist eine Antikörperdiagnostik notwendig. Bei pathologischen Werten müssen weitere spezielle Untersuchungen folgen. Durch die Ultraschall-Doppler-Sonografie werden die handversorgenden Arterien dargestellt und die Flussgeschwindigkeit des Blutes gemessen.
Wie kann geholfen werden?
Zuerst sind Situationen zu vermeiden, die zu Durchblutungsstörungen führen können, beispielsweise Kältereize und Stress. Zusätzlich sollte das Rauchen aufgegeben, der Kaffeekonsum reduziert und Sport getrieben werden. Hilfreich kann das Tragen von Handschuhen sein. Auch sollten Stresssituationen vermieden oder möglichst reduziert werden. Leider zeigte sich bisher, dass das Raynaud-Syndrom medikamentös nicht oder allenfalls nur sehr unbefriedigend zu behandeln ist. Insbesondere bei dem sekundären Raynaud-Syndrom gelingt es häufig nicht, die Raynaud-Attacken zu unterdrücken. Werden gefäßdilatierende Medikamente verabreicht (zum Beispiel Nitroglycerinsalbe), kann der oftmals sowieso bestehende hypotone Blutdruck noch weiter sinken.
Sollten alle konservativen Maßnahmen nicht greifen, kann als ultima ratio der Sympathikus-Nerv durchtrennt werden. Er vermittelt unter anderem die Gefäßverengung. Doch klagen so behandelte Personen nach einigen Monaten erneut über das Auftreten entsprechender Raynaud-Symptome.
Beim sekundären Raynaud-Syndrom sollte zuerst die Grundkrankheit behandelt werden. Bereits hierdurch kann es zu einer Besserung der Symptomatik kommen. Sind durch die dauerhafte Unterversorgung mit Sauerstoff Nekrosen an den Fingern aufgetreten, müssen Prostaglandin E1 (Alprostadil) oder das Prostacyclinderivat Iloprost intravenös gegeben werden. Der Endothelin-Rezeptor-Antagonist Bosentan befindet sich derzeit für die Therapie der akralen Nekrosen durch die Raynaud-Vaskulopathie in der klinischen Erprobung.
Medikamentöse Therapie
Medikamente zur speziellen Therapie des primären Raynaud-Syndroms:
• Alpha-1-Rezeptoren-Blocker z. B. Prazosin, 1 bis 5 mg/Tag
• Vasodilatatoren (z. B. Nitrosalbe oder -spray, orale Nitroglycerinpräparate)
• Angiotensin-II-Hemmer z. B. Losartan 25 bis 100 mg/Tag
• selektive Serotonin-Reuptake-Hemmer z. B. Fluoxetin 20 bis 40 mg/Tag
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Quelle
Müller-Ladner, U.: Raynaud-Syndrom und akrale Ischämiesyndrome. Uni-Med Verlag, Bremen, 1. Auflage 2006.
Ludwig, M.: Angiologie in Klinik und Praxis. Thieme Verlag, Stuttgart, 1. Auflage 1998.
Ahmadi-Simab, K.: MMW-Fortschr. Med. 55-56, 7(2006).
Dr. Ingo Blank
2 Kommentare
Raynaud - Syndrom
von Hilde Kriete am 02.12.2019 um 10:43 Uhr
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Raynaud - Syndrom
von Hilde Kriete am 02.12.2019 um 10:43 Uhr
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