Wirtschaft

DAX: Seifenblase Obama?

Der Hoffnungsträger ist als Präsident vereidigt – und die Börsen brechen ein

(hps). Neue Aussagen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise suchte man in Obamas Antrittsrede vergeblich. Vor dem Hintergrund der akuten Probleme im Finanzsektor hätten sich die Investoren da schon mehr gewünscht, als nur ein paar hoffnungsfrohe Floskeln. Vorschusslorbeeren hatte die Börse ja bereits verteilt. Nun wartet man auf Fakten.

Mit den verheerenden Nachrichten aus dem Bankgewerbe dies- und jenseits des Atlantiks stand der Auftakt zur Berichtssaison unter einem schlechten Stern. Letzte Woche folgten dann große Namen wie Johnson&Johnson, die mit ihrem Ausblick enttäuschten. IBM wies dagegen einen Gewinnanstieg aus und blickt außerdem sogar recht zuversichtlich in die Zukunft. Gute Nachrichten, die dem DAX eine Verschnaufpause auf dem Weg nach unten verschafften. Auch United Technologies und Apple wagten eine optimistische Prognose. Schließlich folgte eBay, die allerdings im 4. Quartal und im Ausblick deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben. Letztlich scheint dem phasenweise aufflackernden Optimismus an der Börse keine lange Haltbarkeit beschieden zu sein. Die Technologiewerte spielen eine Sonderrolle und sind keinesfalls exemplarisch für die Situation in der Gesamtwirtschaft. Das Prinzip Hoffnung, es könne ja nur noch besser werden, wird seiner Beweislast so bald nicht nachkommen können. Dazu müssten erst einmal die Konjunkturpakete greifen. Aber das dauert. Erwartet werden Wunder. Wunder brauchen Zeit. Und den Marktteilnehmern könnte dabei die Geduld ausgehen.

Aus der Perspektive der Analysten

Die Analysten erwarten nun mehrheitlich den Test der 4000er Marke im DAX, nachdem bislang jeder Erholungsversuch im Sande verlaufen war. Untermauert wird die Annahme durch die Vermutung, dass viele Unternehmen im Verlauf der Berichtssaison nicht nur ein schlechtes Ergebnis, sondern auch einen pessimistischen Ausblick für das Gesamtjahr 2009 abliefern dürften. Andere Experten wiederum sehen die schlechten Nachrichten als bereits eingepreist an. Der Markt beginne bereits nach vorne zu schauen, so ist zu hören. Doch diese Stimmen finden momentan kaum Gehör. Vor den katastrophalen Bankergebnissen und schlechten Unternehmensausblicken dürfte nun selbst der stärkste Bulle kapitulieren. Auch Charttechniker sehen den DAX jetzt die 4000er Marke antesten. Wie es danach weitergeht, darin ist sich die Gilde indes uneins. Die Optimisten gehen hier von einer Bodenbildung aus, die Pessimisten befürchten einen weiteren Absturz auf rund 3300 Punkte.

Musterdepot und Strategie

Die USA und China beginnen nun mit der Aufstockung ihrer strategischen Ölreserven. Dies könnte ein Kaufsignal für das Schwarze Gold sein. Unseren DWS Fonds Russia wird das freuen. Trotzdem sollte man den Tagesereignissen nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Mittelfristig ist der Fonds zu Höherem berufen. Die gegenwärtige Entwicklung eröffnet wunderbare Trading-Chancen, aber mit dem Einstieg hat es noch Zeit. DAX am 22. Januar (11.00 h): 4350 Punkte.

Aus der Sicht des Querdenkers


Eigentlich hatte man am Parkett auf eine kleine "Obama-Rallye" gesetzt. Aber daraus wurde nichts. Natürlich nicht. Denn all die Hoffnungen, die mit dem neuen US-Präsidenten verbunden sind, hatte man bereits zur Jahreswende mit respektablen 5000 DAX-Punkten eingepreist. Da hilft es auch nicht, dass – rein statistisch betrachtet – die Wall Street bislang noch jeden frisch gekürten Präsidenten zunächst einmal mit Vorschusslorbeeren bedacht hatte. Es bleibt also dabei, was an dieser Stelle zu Jahresbeginn gesagt wurde: Der DAX ist in Richtung Süden unterwegs mit vorläufigem Kursziel von 4000 Punkten. Und: Diese Auffanglinie wird wahrscheinlich nicht zu halten sein. Sämtliche Finanzwerte haben inzwischen ihr Jahrestief – was ca. 4000 DAX-Punkten entspricht – vom November letzten Jahres unterschritten. Das mag mit der prekären Situation dieser Branche begründbar sein. Aber auch andere DAX-Werte sind ihrem Tiefststand schon recht nahe, so dass anzunehmen ist, dass auch der DAX die 4000er Linie am Ende nicht halten kann. Harmonie und ein "Yes we can" ist der Börse am Ende zu dürftig, sieht man sich den Scherbenhaufen an, in dem sich die Weltwirtschaft derzeit befindet.

Doch am Rande eine amüsante Schlussbemerkung: Die Obama-Jünger hatten sich ja versammelt, um aus dem neuen "Wir-Gefühl" frische Kraft zu schöpfen. Und tatsächlich legt das Mega-Event von Obamas öffentlicher Vereidigung die Vermutung nahe, dass der Wirtschaftsaufschwung bereits auf dem Weg ist. Mit Stolz konnte nämlich Conrad Harrell von der Firma Dons Johns – Ihnen wahrscheinlich eher bekannt unter dem Namen "Dixie-Klo" – verkünden, dass für dieses öffentliche Spektakel 5000 mobile Toilettenkabinen bestellt wurden. Harrell nennt das "das größte Mobiltoiletten-Ereignis der US-Geschichte". Yes we can! Nur: Hätten Sie gedacht, dass ausgerechnet ein schlichtes, menschliches Bedürfnis den globalen, wirtschaftlichen Neubeginn einläuten würde? Immerhin dürfte die Dixie-Aktion der neuen, kollektiven Bewusstseinsprägung überaus zuträglich sein. Denn der Mobilklo-Anbieter empfiehlt bei solchen Veranstaltungen als Richtlinie das Aufstellen einer Toilette für 300 Personen. Also, wenn das nicht verbindet


Peter Spermann

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.