Hypertonie

Schwangerschaftshypertonie nicht unterschätzen

Steigt der Blutdruck während der Schwangerschaft über Gebühr an, so ist dies als Alarmsignal zu verstehen. Im Falle einer Hypertonie ist eine sofortige Behandlung wichtig, um Blutdruckkrisen, dadurch bedingte Organschäden und damit unter Umständen höchste Gefahr für Mutter und Kind abzuwenden. Rund jede zehnte Schwangere und sogar 15% der Erstgebärenden entwickeln im Verlaufe der Schwangerschaft eine Hypertonie. Von einem solchen Befund ist auszugehen, wenn der beim Arzt gemessene Blutdruck mehrfach den Wert von 140/90 mmHg übersteigt.

Hypertonie in der Schwangerschaft kann unterschiedliche Ursachen haben. Es kann sich um einen Hochdruck handeln, der von der Schwangerschaft unabhängig besteht und auf bereits vorher vorhandenen Veränderungen basiert. Häufiger aber liegt eine schwangerschaftsbedingte Hypertonie vor. Normalerweise kommt es während einer Schwangerschaft im Vergleich zum Ausgangsblutdruck vor der Schwangerschaft im zweiten Trimenon zu einem Abfall des Blutdruckes. Diesem physiologischen Abfall folgt im letzten Trimenon der Schwangerschaft ein Anstieg des Blutdrucks, der entweder zu einer Angleichung an das Ausgangsniveau oder zu einem Überschreiten dieser Blutdruckwerte führt. Eine Schwangerschaftshypertonie mit Blutdruckwerten über 140/90 mmHg entwickelt sich zumeist nach der 20. Schwangerschaftswoche und bildet sich normalerweise innerhalb von sieben Tagen und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Geburt spontan zurück. Es handelt sich um eine sehr ernste Schwangerschaftskomplikation: Sie zeichnet für 20 bis 25% der perinatalen Mortalität verantwortlich und ist eine der häufigsten Todesursachen bei werdenden Müttern.

Drohende Komplikationen: Präeklampsie und Eklampsie

Der Gestationshochdruck kann isoliert auftreten. Meist aber ist er mit einer Proteinurie und mit der Bildung von Ödemen assoziiert und es liegt eine sogenannte Präeklampsie vor. Diese wurde früher entsprechend der üblicherweise vorherrschenden Symptomtrias auch als EPH-Gestose (E = Edema, P = Proteinurie, H = Hypertonie) bezeichnet. Inzwischen ist gut bekannt, dass längst nicht immer neben der Hypertonie auch eine Proteinurie besteht. Auch werden Ödeme nicht mehr als diagnostisches Kriterium einer Präeklampsie herangezogen, da Flüssigkeitseinlagerungen bei etwa 60% aller Schwangeren zu beobachten sind.

Die Bedeutung der Präeklampsie ist nicht zu unterschätzen und das mit oder ohne Proteinurie (Eiweißausscheidung von mindestens 300 mg/24 Stunden). Denn die Komplikation kann in eine Eklampsie übergehen und damit zu tonisch-klonischen Anfällen bis hin zum Bewusstseinsverlust bei der Schwangeren führen. Es drohen schwere Organschäden mit Anstieg der Leberenzyme, Thrombopenie, retinalen Blutungen, Nierenfunktionsstörungen und einer Plazenta-Insuffizienz. Gefürchtet sind zudem Gerinnungsstörungen sowie ein akutes Nierenversagen und insbesondere das Vollbild eines sogenannten HELLP-Syndroms (H = hemolysis, EL = elevated liver enzymes, LP = low platelet count), das mit einer vitalen Gefährdung der Frau verbunden ist. Eklampsie wie auch HELLP-Syndrom machen eine intensivmedizinische Überwachung der Schwangeren erforderlich sowie gegebenenfalls die vorzeitige Entbindung per Kaiserschnitt.

Vorbestehender Hochdruck – Risiko Pfropfgestose

Eine besondere Situation ist gegeben, wenn bereits vor Eintritt der Schwangerschaft eine Hypertonie besteht. Bei der Mehrzahl der Frauen werden sich bei einem solchen Schwangerschafts-unabhängigen Hochdruck keine gravierenden Komplikationen ausbilden und es ist eine adäquate antihypertensive Behandlung ausreichend. Allerdings ist eine engmaschige Kontrolle der betroffenen Frauen unerlässlich, da sich auf die vorbestehende essenzielle Hypertonie eine Präeklampsie aufpfropfen kann. Es wird dann von einer Pfropfgestose gesprochen. Sie geht mit einer erhöhten perinatalen Morbidität und Mortalität einher und verlangt deshalb häufig eine vorzeitige Geburtseinleitung. Einer solchen Situation ist unbedingt vorzubeugen zumal bereits die Präeklampsie mit einer Plazentainsuffizienz verbunden sein kann. Es droht damit eine Mangelversorgung aufgrund der beeinträchtigten uteroplazentaren Durchblutung beim sich entwickelnden Kind mit entsprechender intrauterinen Wachstums- und Entwicklungsretardierung.

Risikofaktoren für eine Präeklampsie

  • Präeklampsie oder Eklampsie in einer früheren Schwangerschaft
  • Vorliegen einer Adipositas
  • vorbestehender Diabetes mellitus
  • familiäre Belastung
  • vorbestehende Nierenerkrankung
  • Erstschwangerschaft
  • Alter über 40 Jahre
  • Chronische Hypertonie
  • Vorliegen einer Autoimmunerkrankung
  • Thrombophilie
  • Mehrlingsschwangerschaft
  • Gestationsdiabetes

Blutdruck bei Schwangeren stets im Sitzen messen

Wichtig sind deshalb regelmäßige Blutdruckmessungen in der Schwangerschaft. Es sollte am Oberarm gemessen werden und das unbedingt im Sitzen. Denn bei der Blutdruckmessung im Liegen können sich zu niedrige Werte ergeben, da der Blutrückstrom zum Herzen bei Schwangeren durch die vergrößerte Gebärmutter im Liegen beeinträchtigt sein kann. Ratsam sind vor allem bei bekannten Risikofaktoren für eine Schwangerschaftshypertonie unbedingt auch Blutdruckselbstmessungen, wobei die Frauen eine entsprechende Schulung brauchen. Gemessen werden sollte morgens und abends, wobei üblicherweise die morgendlichen Blutdruckwerte höher sind als die abendlichen. Kehrt sich dies um, steigt der Blutdruck abends an, so sollte dies Anlass für einen Arztbesuch sein, da es sich um einen Hinweis auf eine beginnende Präeklampsie handeln kann.

Hinweise auf eine beginnende Präeklampsie

  • ausgeprägter Blutdruckanstieg
  • Proteinurie
  • rasche Gewichtszunahme
  • Anstieg der Harnsäurekonzentration im Serum
  • Anstieg der Leberwerte
  • Abfall der Thrombozytenzahl
  • Kopfschmerzen
  • Sehstörungen
  • Oberbauchbeschwerden
  • erkennbare Wachstumsretardierung des Feten bei der Ultraschalluntersuchung

Therapeutische Maßnahmen gegen den Hochdruck

Kommt es im Verlauf der Schwangerschaft zum bedrohlichen Blutdruckanstieg, so wird zunächst versucht, die Situation mit allgemeinen Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Den Schwangeren wird eine Einschränkung ihrer Aktivitäten nahe gelegt, es geht um Stressabbau, körperliche Anstrengungen und allgemeine Belastungssituationen sind zu vermeiden und eventuell ist sogar Bettruhe anzuraten. Außerdem muss unbedingt eine sehr engmaschige Überwachung des Blutdrucks erfolgen. Steigt dieser über Werte von 170/110 mmHg, so ist von einer Notfallsituation auszugehen und eine stationäre Überwachung der Frau ist erforderlich. Eine strikte Nicotin- und Alkoholkarenz sollte selbstverständlich sein. Anders als früher wird eine normale Kost ohne Kochsalzeinschränkung empfohlen. Denn eine Beschränkung der Kochsalzzufuhr kann eine spürbare Abnahme des Plasmavolumens nach sich ziehen und damit die Uterusdurchblutung beeinträchtigen. Es wird außerdem nicht mehr präventiv zur Supplementation von Calcium, zur Einnahme von Fischölkapseln oder gar zu niedrig dosierter Acetylsalicylsäure geraten, da nicht gesichert werden konnte, dass sich dadurch die Gefahr der Entwicklung einer Präeklampsie verringert. Anders als bei Nicht-Schwangeren wird zudem nicht zur Gewichtsreduktion geraten, da ansonsten eine Mangelversorgung für das Kind drohen könnte.

Welche Medikamente zur Blutdrucksenkung?

Lässt sich die Hypertonie in der Schwangerschaft mit allgemeinen Maßnahmen nicht beheben, so ist eine medikamentöse Blutdrucksenkung indiziert. Dabei ist aus mehreren Gründen Vorsicht geboten. So sollen einerseits keine Antihypertensiva mit potenziell teratogenen Effekten eingesetzt werden. Auch soll der Blutdruck nicht zu stark gesenkt werden, um nicht die plazentare Durchblutung zu beeinträchtigen. Behandelt wird die Schwangerschafts-Hypertonie initial mit Methyldopa oder Nifedipin. Zurückhaltung empfiehlt die Deutsche Hochdruckliga (DHL) hierzulande entgegen der internationalen Gepflogenheiten bei der intravenösen Gabe von Dihydralazin. Dieses sollte nach Angaben der DHL nicht mehr als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden, da es Hinweise auf vermehrte perinatale Komplikationen für eine solche Maßnahme gibt. Eine problemlosere Alternative sieht die Hochdruckliga in der intravenösen Gabe des Wirkstoffs Urapidil. Bei einer erhöhten Krampfbereitschaft können außerdem Antikonvulsiva notwendig sein.

Besteht die Hypertonie fort und erfordert eine antihypertensive Dauertherapie, so sollte diese entsprechend der DHL-Leitlinien unter stationärer Beobachtung erfolgen. Eine Indikation für die regelmäßige Gabe von Antihypertensiva wird gesehen bei anhaltenden Blutdruckwerten von mehr als 170/110 mmHg und bei vorbestehender Hypertonie zur Abwendung der Pfropfgestose beim anhaltenden Übersteigen des Blutdrucks von 160/100 mmHg.

Als Mittel der Wahl gilt Alpha-Methyldopa, alternativ können auch selektive Betablocker eingesetzt werden, wobei die DHL-Leitlinie vor allem das Metoprolol nennt, da unter Atenolol Wachstumsstörungen des Feten beschrieben wurden. International werden, so die Leitlinie, häufig auch Calciumantagonisten zur Behandlung der Schwangerschaftshypertonie genutzt, allerdings ist dies umstritten. Denn es gibt aus Tierversuchen Hinweise auf embryotoxische und teratogene Wirkungen der Substanzen vom Dihydropyridin-Typ.

Günstiger scheint somit Verapamil zu sein, das zudem schon lange genutzt wird, um tachykarde supraventrikuläre Herzrhythmusstörungen bei Schwangeren zu behandeln. Verapamil aber sollte nicht zusammen mit Magnesiumsulfat gegeben werden, da dies eine abrupte schwere Hypotonie bedingen kann, warnt die Leitlinie. Es handelt sich hierbei um eine relevante Interaktion, da Magnesiumsulfat therapeutisch genutzt wird, um im Falle einer manifesten Präeklampsie den potenziell drohenden Krampfanfällen vorzubeugen.

Nicht zur Behandlung der Hypertonie sollten in der Schwangerschaft ACE-Hemmer und Sartane eingesetzt werden, da für diese Wirkprinzipien embryo- und fetotoxische Effekte beschrieben sind. Auch Diuretika sind problematisch, da bei der Präeklampsie bereits per se das Plasmavolumen vermindert ist. Kommt es zu bedrohlichen Blutdruckanstiegen und weiteren Symptomen einer beginnenden Eklampsie oder eines HELLP-Syndroms wie Sehstörungen, Gerinnungsstörungen und/oder einem Anstieg der Leberwerte, so ist im Einzelfall abzuwägen, ob und gegebenenfalls wann eine vorzeitige Entbindung einzuleiten ist.

Empfehlungen zum praktischen Vorgehen

  • Hypertonie in der Schwangerschaft kann sowohl das Kind als auch die Mutter gefährden.
  • Zur Therapie kommen bei Blutdruckwerten < 160/100 mmHg in erster Linie nicht-medikamentöse Maßnahmen (insbesondere Einschränkung der körperlichen Aktivität) in Frage. Eine engmaschige Blutdrucküberwachung ist erforderlich. Bei vorbestehender Hypertonie, bei renaler Hypertonie sowie bei Diabetes mellitus sollte ab Blutdruckwerten > 160/100 mmHg mit Antihypertensiva behandelt werden.
  • Blutdruckwerte > 170 mmHg systolisch oder > 110 mmHg diastolisch stellen einen Notfall dar und erfordern die stationäre Aufnahme zur Einleitung einer medikamentösen antihypertensiven Therapie.
  • Zur Notfalltherapie geeignet sind rasch resorbierbares Nifedipin per os oder Urapidil i. v. Zur Langzeittherapie während der Schwangerschaft eignen sich Alpha-Methyldopa, Beta-Blocker (insbesondere Metoprolol) und Calciumantagonisten.
  • ACE-Inhibitoren und AT1 -Antagonisten sind während der Schwangerschaft kontraindiziert.

[Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie, Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL – Deutsche Hypertonie Gesellschaft]

Antihypertensiva in der Stillzeit

Üblicherweise bildet sich die Schwangerschaftshypertonie nach der Geburt des Kindes ohne weitere Maßnahmen zurück. Dies aber kann bis zu sechs Wochen dauern, sodass gegebenenfalls auch weiterhin noch Antihypertensiva gegeben werden müssen, wenn sich der Blutdruck nicht durch allgemeine Maßnahmen in den Griff bekommen lässt. Je nach Plasmaproteinbindung und Lipophilie der gewählten Substanz ist mit einem Übertritt in die Muttermilch zu rechnen, so dass bei stillenden Müttern weiterhin Vorsicht geboten ist. Als Mittel der Wahl in der Stillzeit nennt die Leitlinie der DHL Alpha-Methyldopa sowie Dihydralazin. Als unproblematisch gelten ebenso wie in der Schwangerschaft auch Nifedipin und Metoprolol. Diuretika sollten nicht eingenommen werden, da sie möglicherweise die Milchsekretion vermindern.

 

Quelle
 Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie, Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL – Deutsche Hypertonie Gesellschaft Stand 1. Juni 2008.
 Schwangerschaft und Bluthochdruck, Deutsche Hochdruckliga e. V. (DHL), Deutsche Hypertonie Gesellschaft, Deutsches Kompetenznetz Bluthochdruck.
 Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen, AWMF-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG). 

 

Autorin 

Christine Vetter

Merkenicher Str.

50735 Köln

 

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