Arzneimittel und Therapie

Konstanter Androgenentzug mit Histrelin-Implantat

Seit dem 2. Juli 2009 ist mit dem GnRH-Agonisten Histrelin (Vantas®) ein neuer Therapieansatz in der Behandlung des lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms verfügbar. Über zwölf Monate hinweg kann damit der Testosteronspiegel auf niedrigem Niveau gehalten werden.

Die Androgenentzugstherapie ist seit vielen Jahren etablierter Standard in der Behandlung des fortgeschrittenen bzw. metastasierenden Prostatakarzinoms. Die Behandlung beruht auf der Senkung des Testosteronspiegels, da das männliche Sexualhormon maßgeblich am Wachstum des Prostatakarzinoms beteiligt ist. Sie hat somit das Ziel, das Wachstum der Tumorzellen zu hemmen, was in den meisten Fällen auch für einige Zeit – oft auch über Jahre – gelingt. Damit kann zwar das Prostatakarzinom nicht geheilt, aber häufig jahrelang in einem stabilen und schmerzfreien Zustand gehalten werden.

Ausschalten der Testosteronproduktion

Der Androgenentzug kann prinzipiell auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen. Chirurgisch kommt es durch Entfernung der Hoden (Orchiektomie) zu einem sofortigen Abfall des Testosteronspiegels, da 95 Prozent des männlichen Sexualhormons im Hoden synthetisiert werden. Da die operative Methode aufgrund der Irreversibilität als psychisch sehr belastend empfunden wird, bevorzugen die meisten Männer die medikamentöse und damit reversible Form des Androgenentzugs. Sie erfolgt in erste Linie durch Hemmung der Testosteronproduktion in der hypothalamisch-hypophysär-gonadalen Achse.

GnRH-Agonisten

Die Suppression der Androgenproduktion erfolgt primär durch den Einsatz von GnRH/LHRH-Analoga. Diese auch als GnRH-Agonisten bezeichneten Wirkstoffe ahmen die Wirkung des natürlichen GnRH (Gonadotropin-releasing Hormon) nach und stimulieren die Hypophyse zur Freisetzung von LH (Luteinisierendes Hormon). Kurzfristig führt dies zu einem Anstieg der Testosteronsynthese (sog. Flare-up). Eine dauerhafte Anwendung der Agonisten bewirkt eine Degeneration der hypophysären GnRH-Rezeptoren und in Folge sinkt auch die Testosteronproduktion. GnRH-Agonisten sind die am häufigsten eingesetzten Medikamente zur Blockade der Androgenproduktion und haben sich als Standardmedikation etabliert.

Verlängerung der progressionsfreien Zeit

Die meisten der ursprünglich hormonabhängigen Prostatakarzinome werden aber nach durchschnittlich zwei bis drei Jahren resistent und sprechen nicht mehr auf einen Androgenentzug an, so dass das Therapieregime dann durch eine Chemotherapie oder palliative Strahlentherapie erweitert werden muss. Eine weiterführende Gabe von GnRH-Agonisten soll die noch hormonsensitiven Zellklone am Wachstum hindern. Da eine Progression der Erkrankung die Prognose der Patienten drastisch verschlechtert, ist der Erhalt der Hormonsensitivität bzw. die Verlängerung der progressionsfreien Zeit des Patienten das vorherrschende Ziel im Rahmen der Therapie des Prostatakarzinoms.

Testosterondurchbrüche und Miniflares vermeiden

Möglicherweise sind Testosterondurchbrüche und Miniflares unter einer GnRH-Therapie mit einer Progression der Erkrankung assoziiert und beeinflussen die Prognose dementsprechend negativ. Daher misst man einer der Orchiektomie entsprechend starke Testosteronsuppression eine hohe Relevanz bei. Mit dem in Europa neu zugelassenen und seit dem 2. Juli in Deutschland verfügbaren GnRH-Agonisten Histrelin in Hydrogel-Depotformulierung (Vantas® -Implantat) können konstant niedrige Testosteronspiegel erreicht werden, die im Durchschnitt mit unter 20 ng/dl unterhalb des Kastrationsniveaus liegen. Aufgrund der innovativen Galenik geschieht dies gleichmäßig über einen Zeitraum von zwölf Monaten, ohne dass Testosterondurchbrüche oder Miniflares erzeugt werden.

GnRH-Agonist Histrelin

Das Vantas® -Implantat enthält 50 mg des Wirkstoffs Histrelin. Dieser wird durch kontrollierte Diffusion kontinuierlich über einen Zeitraum von zwölf Monaten freigesetzt. Die täglich freigesetzte Wirkstoffdosis beträgt dabei durchschnittlich 50 bis 60 µg. Durch diese kontinuierliche Hemmung kommt es zu einer Regression des Tumors und bei der Mehrheit der Patienten zu einer Besserung der Krankheitssymptomatik. Das Implantat wird durch einen kleinen Eingriff subkutan auf der Innenseite des Oberarms eingesetzt. Nach zwölf Monaten wird es entfernt und kann im gleichen Schritt durch ein neues ersetzt werden.

Klinische Daten

In einer offenen, multizentrischen Studie wurden 138 Prostatakrebs-Patienten mit Vantas® behandelt. Primärer Endpunkt der Studie war das Erreichen des Kastrationsniveaus von ≤ 50 ng/dl Testosteron von Woche 4 bis 52. Als sekundärer Endpunkt wurden der LH- und PSA-Wert evaluiert. Die Serum-Testosteron-Werte stiegen von 376,4 ng/dl (Baseline) auf 530,5 ng/dl am zweiten Tag an. In Woche 2 fielen sie unter die Baseline-Werte ab und unterschritten innerhalb von vier Wochen mit 15,8 ng/dl deutlich das Kastrationsniveau. Sie blieben über den gesamten Beobachtungszeitraum konstant bei < 20 ng/dl. Am Ende der Behandlungsperiode lag die mittlere Testosteronkonzentration bei 14,3 ng/dl. Somit erreichten 100% der Patienten in den Wochen 4 bis 52 das Kastrationsniveau von ≤ 50 ng/dl. Die Serum-Histrelin-Konzentration wurde in einer Subgruppe während des Beobachtungszeitraums von zwölf Monaten überprüft. Sie lag im Mittel bei 0,3 ng/ml. Der PSA-Wert reduzierte sich innerhalb von zwei Wochen signifikant im Vergleich zum Ausgangswert und blieb ebenfalls über den gesamten Beobachtungszeitraum über erniedrigt. Wurde nach zwölf Monaten ein zweites Implantat eingesetzt, waren die gemessenen Serum-Testosteron-Konzentrationen ähnlich denen im entsprechenden Zeitraum nach Einsetzen des ersten Implantats. Der Flare-up wiederholt sich beim zweiten Implantat nicht. Somit wird auch beim Implantatwechsel die Unterdrückung der Testosteronsynthese beibehalten. Verschiedene Studien belegen die Reversibilität der Testosteronsuppression durch Messung der LH- sowie der Testosteronspiegel nach Entfernung des Histrelin-Implantats.

Kontrolluntersuchungen

Quartalsweise Kontrollen durch den behandelnden Arzt sind auch bei Behandlung mit dem Transplantat sinnvoll, um den PSA-Spiegel regelmäßig zu überprüfen. Da die Therapie mit dem verlässlich über einen Zeitraum von zwölf Monaten wirkt, können die Arztbesuche zeitlich flexibel gestaltet werden. Diese Flexibilität in der Terminplanung gibt dem Patienten Sicherheit im Hinblick auf eine langfristige Wirkung und befreit ihn von der Angst eines vorzeitigen Wirkstoffverlustes, falls er eine Kontrolluntersuchung nicht wahrnehmen kann.

Pilotstudie geplant

Ende des Jahres soll eine offene, multizentrische, randomisierte, zweiarmige Pilotstudie, die über drei Jahre mit 300 Studienteilnehmern angelegt ist, gestartet werden. Sie soll die Überlegenheit des neuen GnRH-Agonisten bezüglich einer Verlängerung der progressionsfreien Zeit aufgrund der starken und konstanten Testosteronsuppression durch Histrelin im Vergleich zu Leuprorelin aufzeigen.

 

Quelle

Dr. Rolf Eichenauer, Hamburg; Neal D. Shore, South Carolina; Prof. Dr. Markus Graefen, Hamburg: Vantas® -Implantat: Neue Therapieoption beim Prostatakarzinom. Hamburg, 2. Juli 2009, veranstaltet von Orion Pharma, Hamburg.

 

 

Gode Meyer-Chlond

 

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