Medizin

Was steckt eigentlich hinter … Mundgeruch?

Wer Mundgeruch hat, ahnt davon oft nichts. Dafür fürchten viele Menschen grundlos, sie hätten schlechten Atem: Betroffene können den eigenen Mundgeruch nicht wahrnehmen. Außenstehende scheuen sich, das heikle Thema anzusprechen und weichen bei einer Unterhaltung lieber einen Schritt zurück.

Der Genuss von Knoblauch, Zwiebeln oder Milchkaffee wirkt im Atem noch eine Weile nach. Schuld daran sind Alkohole und Schwefelverbindungen, die über die Lunge abgeatmet werden. Auch der bekannte "Raucheratem" entsteht durch schwefelhaltige Inhaltsstoffe im Tabakrauch, die sich in den Atemwegen von Rauchern und starken Passivrauchern ablagern.

 

85 Prozent lokale Ursachen

Die Hauptursachen für Foetor ex ore – auch Halitose genannt – sind Fäulnisprozesse, Entzündungen und Eiterungen in der Mundhöhle selbst: Bei der Zersetzung von Nahrungsresten werden Schwefelverbindungen frei. Meist sind dafür Bakterien im Zahn- und Zungenbelag, vor allem auf dem hinteren Teil des Zungenrückens, verantwortlich. Schnelle Abhilfe schafft eine sorgfältige Mundhygiene, zu der auch das Reinigen der Zahnzwischenräume und der Zunge zählt. Oft reicht schon regelmäßiges Trinken von Wasser oder Tee, um Mundgeruch durch Speisen oder trockene Mundschleimhäute zu beseitigen.

 

Bakterien finden sich auch in Hohlräumen unter maroden Füllungen oder Kronen und in Zahnfleischtaschen. Die Behandlung von Karies und Parodontitis beseitigt nicht nur den unangenehmen Geruch, sondern beugt weiteren Infektionen vor. Auch wenn sich beim Essen unbemerkt eine Fischgräte oder ein Knochensplitter in die Schleimhaut bohrt, folgt eine Entzündung mit stechenden Schmerzen und Mundgeruch.

 

Im gesamten Mund-Nasen-Rachenraum haben Eiterungen und Entzündungen ähnliche Effekte: Mundgeruch hat man bei Kieferhöhlen-, Nasennebenhöhlen- und Mandelentzündungen. Wenn Kinder keine Schmerzen, aber dauerhaft einen süßlich-fauligen Mundgeruch haben, könnten durch häufige Entzündungen vergrößerte Gaumenmandeln der Grund sein.

 

Vor allem bei Ursachen im Mundbereich helfen neben der Beseitigung der Ursache, die sich über Wochen hinziehen kann, lokale Maßnahmen: der Ursache und dem Zustand der Zähne und Schleimhaut angemessene Mundhygiene und atemerfrischende Mittel. Rachen- oder Nasenspülungen helfen bei entzündlichen Prozessen im Rachen bzw. im Nasenraum ebenfalls.

 

Tumoren verbreiten gleichfalls einen schlechten Geruch, oft weil sie zerfallen: In der Mundhöhle handelt es sich dabei meist um ein Spinaliom (Plattenepithelkarzinom) an Zunge oder Mundschleimhaut. Tumoren in Nase oder Nasennebenhöhle können Spinaliome, Osteosarkome, oder Lymphome sein.

 

Husten, der mit Mundgeruch einhergeht, legt den Verdacht auf eine akute Bronchitis nahe, wenn nicht sogar eine Pneumonie vorliegt. Besteht beides über längere Zeit und kommt ein schleimiger Auswurf dazu, ist auch eine chronische Bronchitis denkbar, vor allem, wenn der Betroffene raucht. Bei Rauchern ist das Risiko für ein Bronchialkarzinom stark erhöht, das ebenfalls anhaltenden Mundgeruch auslösen kann.

 

Heute ein eher seltener Grund für chronischen Husten sind Bronchiektasien. In den irreversiblen Bronchialaussackungen, z. B. durch Infekte wie Tuberkulose, Masern und Keuchhusten, sammelt sich ohne entsprechende Gegenmaßnahmen Schleim an, der ein guter Nährboden für Infektionen ist.

 

In Ösophagusdivertikeln können sich Essensreste ansammeln, die chronischen Mundgeruch hervorrufen. Leidet der Betroffene zunehmend unter Schluckbeschwerden und Fremdkörpergefühl im Hals, wird der Divertikel operativ entfernt. Ebenfalls zunehmende Schluckbeschwerden und schlechten Atem verursacht die Achalasie. Dabei entspannt sich der Ösophagussphinkter nicht. Nahrung gelangt daher zum Teil nicht in den Magen und fließt nachts in die Mundhöhle zurück. Zudem hat der Betroffene oft krampfartige Schmerzen hinter dem Brustbein und ein erhöhtes Risiko, an Speiseröhrenkrebs zu erkranken. Besserung bringt eine Dehnung des Speiseröhrenausgangs mit einem Ballonkatheter. Tritt Mundgeruch vor allem beim Aufstoßen auf und wird von Magenschmerzen begleitet, kann eine Gastritis, ein Ulkus oder ein Magenkarzinom dahinterstecken.

 

Systemische Ursachen

Riechen Atem und Urin nach Fisch, ist eine mögliche Ursache die seltene, angeborene Trimethylaminurie (Fischgeruchkrankheit), bei der vermehrt das nach Fisch riechende Trimethylamin ausgeschieden wird.

 

Wer einige Zeit lang nichts gegessen hat, z. B. nach Erbrechen oder bei einer Fastenkur, hat meist einen fruchtig riechenden Atem: In "Hungerzeiten" baut die Leber Fettsäuren zu Ketonkörpern um, die der Körper dann alternativ zur Energiegewinnung nutzt. Den Ketonkörper Aceton verstoffwechselt der Körper aber nicht, sondern scheidet ihn über die Lunge oder mit dem Urin aus. Nimmt die Ketonkörperbildung überhand, kommt es zu einer metabolischen Azidose, die schließlich in ein lebensbedrohliches Koma mündet.

 

Bei Bewusstlosen mit unbekannter Krankheitsgeschichte gibt Acetongeruch daher einen Hinweis auf ein diabetisches Koma, während der süßlich-faulige Geruch nach Erde auf ein Koma durch akutes Leberversagen hindeutet. Bei einer Urämie riechen Atem und Körper nach Urin.

 

Psychische Ursachen

Unter den Patienten, die wegen ihres Mundgeruchs den Arzt aufsuchen, leiden 10 Prozent an einer Pseudohalitosis. Sie empfinden einen Mundgeruch, der in Wahrheit nicht vorhanden ist. Ist der Patient den Argumenten des Arztes und seiner Umgebung nicht mehr zugänglich, handelt es sich um eine echte Angsterkrankung, die Halitophobie.

 

Quellen

 Probst R et al (Hrsg.): Hals-NasenOhren-Heilkunde, 3. Aufl.

 Filippi A: Halitosis. Patienten mit Mundgeruch in der zahnärztlichen Praxis, 1. Aufl.

 Schäffler A (Hrsg.): Gesundheit heute, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2. Aufl.

 

Autor: 

Schäffler & Kollegen, Augsburg, www.schaeffler.cc

 

Beschwerdebild
Was steckt dahinter?
Vorübergehender Mundgeruch nach bestimmten Nahrungsmitteln (bis zu 3 Tage)
Alkohol oder Schwefelverbindungen aus Nahrungsmitteln, z. B. Knoblauch, Eier
Wechselnd starker, fauliger Mundgeruch

An Zähnen oft gelb-bräunliche Ablagerungen oberhalb des Zahnfleischsaums

Oft belegte Zunge
Zersetzung von Speiseresten oder Mundsekreten durch Bakterien aus
Zungen- und Zahnbelag, Zahnfleischtaschen, Zwischen- und Hohlräumen
Wechselnd starker, fauliger Mundgeruch bei Trägern von Zahnprothesen und nicht festsitzenden Zahnspangen
Schlecht sitzende Zahnprothese

Unzureichende Reinigung von Prothesen oder Zahnspangen
Scharfer Mundgeruch bei Rauchern

Selten auch bei Passivrauchern
Raucheratem. Besonders starker
Geruch: Pfeife oder Zigarren
Fruchtiger Mundgeruch nach längerem Fasten
Acetongeruch als Folge des
Hungerstoffwechsels
Nur vom Betroffenen – meist intensiv – wahrgenommener Mundgeruch
Oft ängstlich oder kontaktscheu
"Eingebildeter" Mundgeruch bei
Pseudohalitosis (somatoform)

Halitophobie (phobische Störung)
Wechselnd starker, fischiger Mundgeruch

Meist von Betroffenen stärker wahrgenommen als von Außenstehenden

Fischiger Urin- und evtl. Körpergeruch
Trimethylaminurie
(Fischgeruchkrankheit)

Übermäßige Zufuhr von L-Carnitin in Muskelaufbaupräparaten
Mundgeruch mit Kopfschmerzen,
verstopfter und/oder laufender Nase
Sinusitis
Mundgeruch mit einseitigem Schnupfen
Fremdkörper in der Nase

Tumor in Nase, Nasennebenhöhle
Mundgeruch mit Zahnfleischbluten

Schmerzlose Rötung des Zahnfleisches

Evtl. lockere oder verschobene Zähne
Gingivitis

Parodontitis
Mundgeruch mit Zahnschmerzen
Wurzelvereiterung

Kieferhöhlenentzündung
Mundgeruch mit schmerzhafter
Schwellung in der Mundhöhle

Oft Fieber, Schüttelfrost
Mundhöhlenabszess
Länger bestehender Mundgeruch mit schmerzhaften Wucherungen an Mundschleimhaut oder Zunge

Blutiger Speichel
Tumor der Mundschleimhaut oder
Zunge, meist Spinaliom. Meist nach langjährigem Zigaretten- oder Alkoholkonsum
Neu aufgetretener Mundgeruch mit stark schmerzhaften Bläschen und/oder Geschwüren in der Mundhöhle mit Fieber
Speichelfluss

Geschwollene Lymphknoten im Kieferwinkel
Stomatitis aphthosa, v. a. bei Kindern

Akute nekrotisierende ulzeröse
Gingivitis, v. a. bei jungen Männern
Süßlich-fauliger Mundgeruch

Vergrößerte Lymphknoten im Kieferwinkel

Evtl. kloßige Sprache
Chronische Tonsillitis

Bei Kindern:
vergrößerte Gaumenmandeln
Süßlich-fauliger Mundgeruch mit Schluckschmerzen und Fieber
Angina tonsillaris

Pfeiffersches Drüsenfieber

Sehr selten: Diphtherie
Mundgeruch mit Husten und Auswurf
Akute Bronchitis

Chronische Bronchitis, COPD

Bronchiektasen

Bronchialkarzinom
Mundgeruch mit Schluckschwierigkeiten und Hochwürgen unverdauter Nahrung
Ösophagusdivertikel

Achalasie
Unangenehmer Geruch beim Aufstoßen mit Magenschmerzen

Oft Übelkeit, Völlegefühl, Appetitlosigkeit
Akute Gastritis, Ulkus

Magenkarzinom
Fruchtiger Mundgeruch mit Übelkeit, Bauchschmerzen und Bewusstseinstrübung
Acetongeruch durch Stoffwechselentgleisung, v.a. bei Typ-I-Diabetikern
Süßlich-fauliger Mundgeruch mit Verwirrtheit, Schläfrigkeit oder Bewusstlosigkeit
Leberausfallkoma, meist Endstadium der Leberzirrhose
Uringeruch von Atem und Körper, Übelkeit, Erbrechen, bräunlich-graue Haut, Ödeme
Urämie

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