Infektionskrankheit

Wie gut sind Zeckenschnelltests?

Nach einem Zeckenstich wünscht sich der Betroffene verständlicherweise möglichst schnell Klarheit darüber, ob er sich dabei mit Borrelien oder dem FSME-Virus infiziert hat. Zur Diagnostik der Lyme-Borreliose werden Verfahren wie der Lymphozytentransformationstest oder "Zecken-Schnelltests", die Borrelien in der zerkleinerten Zecke nachweisen können, beworben. Die DAZ erkundigte sich bei Dr. Volker Fingerle, dem Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Borrelien am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, über die Aussagekraft solcher Tests.
Dr. Volker Fingerle
DAZ: Was ist von Zecken-Schnelltests und Lymphozytentransformationstests zu halten?

Fingerle: Der überwiegende Teil der Experten auf diesem Gebiet ist sich einig: diese Tests sind nicht zu empfehlen. Es kann zwar tatsächlich sein, dass man mit einem Schnelltest sehr schnell herausfindet, ob eine Zecke mit Borrelien infiziert war oder nicht, aber was hilft das dem Opfer? Es gibt eine große Zahl von Borrelien, die nicht oder nur sehr geringfügig humanpathogen sind. Ein Schnelltest macht nur eine Aussage, ob es sich bei den Erregern in der Zecke um Borrelia burgdorferi senso lato handelt, was bedeutet "im weitesten Sinne". Es kann also sein, dass aufgrund des positiven Schnelltests ein Patient unnötig mit Antibiotika behandelt wird.

Ein weiteres Problem: die diagnostische Sensitivität und Spezifität dieser Tests ist weitgehend unklar. Dies trifft auch auf die Lymphozytentransformationstests zu, die seit etwa zehn Jahren zur Borrelien-Diagnostik eingesetzt werden – auch hier fehlen gut konzipierte Studien. Wir können also weder die Bedeutung eines positiven noch eines negativen Testergebnisses wirklich einschätzen. Trotzdem werden – basierend auf solchen Testen – Therapieindikationen gestellt und zum Teil monatelange Therapien darauf aufgebaut. Das ist nicht akzeptabel und widerspricht jeder von einer medizinischen Fachgesellschaft getragenen Leitlinie, die es in Europa gibt.

DAZ: Wie ist es um die Sensitivität und Spezifität der von Ihnen verwendeten Testverfahren bestellt?

Fingerle: Bei den Tests Line Blot und ELISA, die wir anwenden, gibt es sicherlich noch Forschungsbedarf, doch sie sind an definierten Kollektiven ausgetestet worden und besitzen nachweislich eine Spezifität von über 90% und Sensitivität für die Stadien II und III zwischen 80 und nahe 100%.

DAZ: Kürzlich gelang die Entdeckung von Borrelia bavariensis – ist das ein "bayerisches Unikat"?

Fingerle: Nein, diese Borrelienart ist relativ weit verbreitet und war früher B. garinii zugeordnet worden. Die von uns verfasste Publikation ist bereits online im Journal Applied and Environmental Microbiology publiziert.

DAZ: Herr Dr. Fingerle, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

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