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Arzneimittel und Therapie
STIKO begründet aktualisierte Impfempfehlungen
In Anbetracht der epidemiologischen Pertussissituation in Deutschland und der Schwere des klinischen Verlaufs im Säuglingsalter ist es dringend geboten, mit der Grundimmunisierung zum frühestmöglichen Zeitpunkt, unmittelbar nach Vollendung des zweiten Lebensmonats, zu beginnen und sie zeitgerecht fortzuführen.
Zur Pertussis-Impfung im Erwachsenenalter
Als Neuerung empfiehlt die STIKO eine zweite Impfung im Erwachsenenalter: Es wurde der Hinweis gestrichen, möglichst nicht früher als fünf Jahre nach der vorhergehenden Dosis der anderen im Impfstoff enthaltenen Antigene (Td) zu impfen, da es sich gezeigt hat, dass dies ohne ein wesentlich erhöhtes Risiko möglich ist. Da eine Auffrischung des Diphtherie- und des Tetanusschutzes alle zehn Jahre mit Td-Impfstoffen angeraten ist, wird nun empfohlen, die nächste fällige Td-Impfung einmalig als Tdap-Kombinationsimpfung zu verabreichen, zumal ein monovalenter Pertussis-Impfstoff nicht mehr zur Verfügung steht. So kann das Impfziel einer einmaligen Pertussis-Impfung bei Erwachsenen ohne zusätzliche Impftermine umgesetzt werden. Ziel der Empfehlung ist es, die Krankheitslast durch Pertussis primär bei Erwachsenen und indirekt bei ungeschützten Kontakten von Erwachsenen, insbesondere bei Säuglingen, zu reduzieren. Diese Empfehlung ergänzt die bestehenden Indikationsempfehlungen im Sinne einer "Kokonstrategie". Ausgedehnt wurde die berufliche Indikation für eine Pertussis-Impfung. Im Gesundheitsdienst ist sie nun nicht mehr beschränkt auf Personal in Einrichtungen der Pädiatrie und der Geburtshilfe, sondern gilt für das gesamte Personal im Gesundheitsdienst. In Gemeinschaftseinrichtungen wird die Impfung nicht mehr nur für Personal in Einrichtungen für das Vorschulalter empfohlen, sondern gilt für Personal jeglicher Gemeinschaftseinrichtungen. Die Impfempfehlung wird nun nicht mehr in Abhängigkeit des Vorliegens eines "adäquaten Immunschutzes", sondern nur in Abhängigkeit von der Impfanamnese ausgesprochen. Durch die zweite Impfung im Erwachsenenalter wird erwartet, dass der Individualschutz der Impfung bei Erwachsenen unmittelbar eintritt und in Abhängigkeit der erreichten Impfquoten zu einer Reduzierung der individuellen Krankheitslast führen wird. Als Folge wird eine weitere Reduzierung des Erregerreservoirs erwartet; eine Elimination des hochinfektiösen Erregers erscheint jedoch wegen der nachlassenden Immunität sowohl nach der natürlichen Infektion als auch nach der Impfung derzeit nicht erreichbar.
Diskussion der Varizellenimpfstrategie bei Kindern
Ziel der Bemühungen zur allgemeinen Impfung gegen Varizellen ist die Reduktion der Morbidität von Varizellen, die Reduktion von Varizellen-assoziierten Komplikationen und die Abnahme von Erkrankungsfällen bei Säuglingen, Schwangeren und Risikopatienten infolge einer Herdenimmunität. Die STIKO hat die aktuellen wissenschaftlichen Daten ausgewertet und in die Diskussion um eine geeignete Impfstrategie gegen die Windpocken einfließen lassen. In epidemiologischen Studien konnte gezeigt werden, dass Durchbruchserkrankungen bei zweimal gegen Varizellen geimpften Personen weniger häufig auftreten als bei einmal Geimpften. Immunogenitätsdaten weisen darauf hin, dass nach zwei Dosen Varizellenimpfstoff passager deutlich höhere VZV-Antikörpertiter aufgebaut werden können als nach einer Dosis. Die STIKO empfiehlt daher eine zweite Varizellenimpfung in Ergänzung zu der seit 2004 bestehenden Empfehlung einer allgemeinen Varizellenimpfung mit einer Impfdosis im Kindesalter. Die zweite Varizellenimpfung sollte in einem Alter von 15 bis 23 Lebensmonaten erfolgen. Auch älteren Kindern und Jugendlichen, die bisher nur eine Varizellenimpfung erhalten haben, soll eine zweite Varizellenimpfung als Nachholimpfung verabreicht werden. Beide Impfungen können sowohl mit einem monovalenten Varizellenimpfstoff als auch mit einem Kombinationsimpfstoff (MMRV) durchgeführt werden. Aber die STIKO weist auch darauf hin, dass die vorliegenden Daten in der Qualität der Evidenz bezüglich einer höheren Effektivität der Varizellenimpfung nach zwei Impfdosen bei Kindern unter 13 Jahren nicht als hoch eingestuft werden können und dass die klinische Effektivität der zweimaligen Varizellenimpfung im Kindesalter nicht abschließend beurteilt werden kann. Auch fehlen Daten für die Bestimmung des idealen Zeitpunktes für die zweite Dosis Varizellenimpfstoff.
Pneumokokken: Wiederholungsimpfung eingeschränkt
Die STIKO empfiehlt seit 1998 allen Personen, die älter als 60 Jahre sind, eine Impfung gegen Pneumokokken mit einem 23-valenten Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff (PPS23). Bis 2007 wurde eine Wiederholungsimpfung alle sechs Jahre empfohlen. Nachdem dem Paul-Ehrlich-Institut vermehrt Verdachtsfälle von ausgeprägten Lokalreaktionen – insbesondere nach Wiederholungsimpfung – gemeldet worden waren, modifizierte die STIKO ihre Impfempfehlung. Seit Juli 2007 wurde eine Wiederholungsimpfung nach den Angaben des Impfstoffherstellers für Personen mit erhöhtem Risiko für schwere Pneumokokken-Krankheiten empfohlen. Dies bedeutet, dass vor einer Wiederholungsimpfung die Gefährdung der zur Impfung anstehenden Person, an einer invasiven Pneumokokken-Krankheit (IPD) zu erkranken, gegen die Möglichkeit einer verstärkten Lokalreaktion nach Wiederholungsimpfung abgewogen werden sollte. Die STIKO empfiehlt seit Juli 2009 die einmalige Impfung gegen Pneumokokken mit einem Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff bei Personen über 60 Jahre als Standardimpfung und hat die Wiederholung einer Pneumokokken-Polysaccharidimpfung auf definierte Risikogruppen eingeschränkt: sie wird nur für Patienten mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten mit T- und B-zellulärer Restfunktion und chronischen Nierenkrankheiten empfohlen.
Zur postexpositionellen Meningokokken-Impfung
Die invasive Meningokokken-Infektion stellt eine lebensbedrohliche Erkrankung dar, die mit einer hohen Letalität einhergeht und ebenso häufig zu schweren Komplikationen führt. Die STIKO empfiehlt bereits eine Chemoprophylaxe für Personen mit engem Kontakt zu einer Person, die an einer invasiven Meningokokken-Infektion erkrankt ist. Allerdings traten trotz einer rechtzeitig durchgeführten Chemoprophylaxe gelegentlich nach Wochen und Monaten Sekundärfälle bei Haushaltskontakten auf. Darum wird jetzt Ungeimpften so bald wie möglich nach dem Kontakt mit einer impfpräventablen, invasiven Meningokokken-Infektion die Meningokokken-Impfung empfohlen.
Quelle
Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts, Nr. 30, 31, 32 und 33/2009.
ck
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