Medizin

Was steckt eigentlich hinter … Schilddrüsenwerten?

Schilddrüsenerkrankungen sind häufig, aber auch gut diagnostizier- und therapierbar. So messen wenige Laborwerte die Funktion der Schilddrüse genau und zuverlässig und geben entscheidende Hinweise auf die Ursache von Störungen. Auch die Therapie – eine Substitution mit Schilddrüsenhormonen muss z. B. oft lebenslang erfolgen – lässt sich meistens einfach und sicher mit wenigen Laborwerten steuern.
Eine Struma ist nicht nur ein ästhetisches Problem. Oft entwickelt sich eine Autonomie und schließlich eine ­Hyperthyreose.

Foto: Wikimedia Commons

Bei Schilddrüsenerkrankungen können mit Laborwerten die meisten Diagnosen gestellt und Therapien kontrolliert werden. Verfahren wie Sonographie, Szintigraphie und Feinnadelbi-opsie sind v. a. für die Abgrenzung unklarer Knoten von einem Tumor wichtig. Die Szinitgraphie hilft, den Funktionszustand von Schilddrüsengewebe zu beurteilen, z. B. um autonome Bereiche zu identifizieren.

T3, T4, TRH, TSH

T3, T4. Die Schilddrüse produziert Tetraiodthyronin (T4) und in geringerem Maß Triiodthyronin (T3). Beide werden als Schilddrüsenhormon bezeichnet. Im Blut sind große Anteile (T3 > 99,7 %, T4 > 99,97 %) an Eiweiß gebunden. Biologisch aktiv ist nur das freie T3 (fT3) und das freie T4 (fT4), so dass die Messung von fT3 und fT4 die aussagekräftigeren Werte ergeben. 80% des T3 werden übrigens im Gewebe aus T4 durch Deiodierung gebildet.

Bei erhöhten Werten für fT4 oder fT3 wird von einer hyperthyreoten Stoffwechsellage gesprochen, bei normalen von einer euthyreoten und bei niedrigen von einer hypothyreoten.

TRH. Das Thyreotropin Releasing Hormone (TRH) wird im Hypothalamus gebildet und reagiert sehr empfindlich auf Änderungen des fT3. Bei Absinken des fT3 wird TRH ausgeschüttet, das wiederum zur Ausschüttung des Thyreoidea Stimulierenden Hormons (TSH) führt. Eine Bestimmung des TRH ist selten sinnvoll, weil Störungen auf dieser Ebene kaum vorkommen.

TSH. Das TSH wird im Hypophysenvorderlappen gebildet und fördert die Iodaufnahme in die Schilddrüse. Das TSH reagiert sehr empfindlich auf TRH (TSH-Ausschüttung wird gesteigert) und über eine negative Rückkoppelung auf einen fT4-Anstieg (TSH-Ausschüttung wird gehemmt). Daher ist die TSH-Bestimmung nicht nur ein sehr guter Suchtest auf Störungen, sondern auch hervorragend geeignet, die Therapie einer Hyper- oder Hypothyreose zu steuern: TSH zeigt früher und deutlicher als fT3 oder fT4 Störungen an.

Schilddrüsen-Antikörper

Die speziellen (Auto-)Antikörper werden in erster Linie bei einem Verdacht auf autoimmunbedingte Schilddrüsenentzündungen bestimmt.

TPO-AK. Die Schilddrüsenperoxidase-Antikörper richten sich gegen ein Enzym, das eine wesentliche Rolle bei der Bildung von Schilddrüsenhormon spielt. Sie sind in der Mehrzahl der Fälle beim Morbus Basedow, der Hashimoto- und postpartalen Thyreoiditis erhöht, aber auch bei 5% der Gesunden.

TRAK. Ziel der TSH-Rezeptor-Antikörper sind die Andockstellen für das Hypophysenhormon TSH auf der Schilddrüsenzelle. In der Regel führen die TRAK zu einer verstärkten Produktion und Abgabe von Schilddrüsenhormonen. Sie sind fast immer beim Morbus Basedow nachzuweisen, sonst nur gelegentlich.

TAK. Diagnostisch weniger bedeutsam sind Thyreoglobulin-Antikörper gegen die Schilddrüsenhormon-Vorläufersubstanz Thyreoglobulin.

MAK, T3- und T4-Antikörper. Die Schilddrüsen-Mikrosomen-Antikörper sowie T3- und T4-Antikörper werden nur selten bestimmt.

Thyreoglobulin

Thyreoglobulin wird in der Schilddrüse gebildet und speichert T3 und T4 in der Schilddrüse. Es ist bei einigen gutartigen Schilddrüsenerkrankungen erhöht. Seine medizinische Bedeutung liegt in der Verlaufskontrolle des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms. Zur Erstdiagnostik eignet es sich nicht.

Struma

Eine Struma ist erst einmal nur eine Vergrößerung der Schilddrüse. Meistens ist die Struma euthyreot. Das TSH ist als Zeichen eines Mangels an Schilddrüsenhormonen manchmal erhöht. Niedriges TSH und erhöhtes fT3 und fT4 sprechen für eine Autonomie.

Ursache ist fast immer ein Iodmangel. Über 15% der deutschen Bevölkerung sind betroffen.

Hyperthyreose

Bei einer Hyperthyreose sind meistens fT3 und fT4 erhöht, in bis zu 10% nur fT3. Das TSH ist fast immer erniedrigt, außer ein TSH-produzierender Tumor ist die Ursache. Bei Verdacht auf einen Morbus Basedow werden die TRAK bestimmt.

In etwa 30% ist eine Schilddrüsenautonomie die Ursache, oft als Folge einer Iodmangelstruma. In etwa 70% der Fälle wird die Schilddrüsenüberfunktion durch einen Morbus Basedow verursacht. Neben der Klinik ist der Nachweis von TRAK wegweisend.

Andere Ursachen für eine Hyperthyreose sind selten: eine Hashimoto-Thyreoiditis im Anfangsstadium, Schilddrüsenkarzinome, Hypophysenadenome mit erhöhter TSH-Freisetzung, eine medikamentöse Überdosierung von Schilddrüsenhormonen oder iodhaltige Kontrastmittel.

Einmal entdeckt, sollte die Schilddrüsenüberfunktion therapiert werden. Bei einer Autonomie kann z. B. die Einnahme von iodhaltigen Medikamenten oder iodhaltigen Röntgenkontrastmitteln lebensbedrohlich werden: Innerhalb von 1 bis 4 Wochen nach der Iodaufnahme droht eine extreme Schilddrüsenüberfunktion. Die thyreotoxische Krise kann zum Koma führen und ist dann trotz intensivmedizinischer Behandlung in der Hälfte der Fälle tödlich.

 

Schilddrüsenantikörper: Häufigkeit des positiven Nachweises
ErkrankungTPO-AkTRAKTAK
Morbus Basedow60 – 70%80 –100%10 – 20%
Hashimoto-Thyreoiditis60 – 90%10%30 – 40%
postpartale Thyreoiditis50 – 70%10 – 30%20 – 40%
Schilddrüsenautonomie5%5%5%
Gesunde5%0 – 5%5%

Hypothyreose

Ist bei niedrigen fT3- und fT4-Spiegeln das TSH erhöht, liegt das Problem in der Schilddrüse (primäre Hypothyreose), ist das TSH erniedrigt, liegt eine zentrale Störung vor (sekundäre Hypothyreose).

Selenmangel – Selen spielt eine wichtige Rolle im menschlichen Immunsystem – kann eine Schilddrüsenunterfunktion zur Folge haben. Deshalb sollte bei einer Hypothyreose auch immer der Selenwert im Blut bestimmt und ein Mangel ausgeglichen werden.

Bei der primären Hypothyreose ist die Ursache am häufigsten eine Hashimoto-Thyreoiditis mit einer entzündungsbedingten Schrumpfung des Schilddrüsengewebes. An zweiter Stelle stehen ärztliche Behandlungen wie Operationen, Radioiodtherapie oder Thyreostatika. Bei der seltenen sekundären Hypothyreose fällt durch eine Hypophysenstörung das TSH weg.

Die Hashimoto-Thyreoiditis wird von Autoantikörpern gegen Schilddrüsengewebe verursacht. Sie führt zur teilweisen bis völligen Zerstörung des Schilddrüsengewebes.

Die Beschwerden bei einer Hypothyreose entwickeln sich meist allmählich über Jahre und werden oft lange Zeit nicht wahrgenommen oder falsch gedeutet. Vor allem ältere Patienten und ihre Angehörigen halten die Folgen der Schilddrüsenunterfunktion häufig für normale Alterserscheinungen. Insbesondere Leistungsminderung, allgemeine Schwäche, Antriebsmangel, Gedächtnisminderung und depressive Verstimmung werden so hingenommen, obwohl sie leicht behandelbar wären.

Die Therapie besteht in einer Hormonsubstitution.

 

Typische Konstellationen von TSH, T3 und T4
TSHT4, fT4T3, fT3Erkrankung
   Primäre Hypothyreose. Trotz Stimulierung durch das TSH kann die Schilddrüse nicht genügend T3 und T4 produzieren. Ein typisches Beispiel ist die Hashimoto-Thyreoiditis, in deren Verlauf das Schilddrüsengewebe atrophiert.
   Sekundäre Hypothyreose. Die Schilddrüse wird nicht genügend stimuliert, weil nicht genügend TRH oder TSH ausgeschüttet wird, z. B. weil die Hypophyse zerstört ist.
   Low-T3-Syndrom. Bei schweren Erkrankungen, z. B. Verbrennungen, wird oft T4 vermindert in T3 umgewandelt.
   Primäre Hyperthyreose. Die Schilddrüse produziert trotz niedrigem TSH vermehrt T3 und T4. Dies ist typisch für die Schilddrüsenautonomie. Selten ist die Hormonzufuhr von außen (Hyperthyreosis factitia) die Ursache.
   Sekundäre Hyperthyreose. TSH oder Antikörper mit TSH-Wirkung werden ungeregelt produziert und stimulieren die Schilddrüsenhormonproduktion und -ausschüttung.
   Isolierte T3-Hyperthyreose. In 5 –10% der Hyperthyreosen ist nur das T3 erhöht.

Fazit für die Praxis

TSH eignet sich bei Beschwerdefreiheit als Suchtest.

Bei Verdacht auf eine Überfunktion werden zusätzlich fT3 und fT4 bestimmt, bei Verdacht auf eine Unterfunktion reichen TSH und fT4.

Wird eine Schilddrüsenentzündung vermutet, werden zuerst TPO und TRAK bestimmt.

Die Kontrolle einer Schilddrüsensuppression oder einer Hormonsubstitution erfolgt mit TSH-Bestimmungen.

 

Quelle

Schäffler, A.; Menche, N. (Hrsg.): Gesundheit heute Laborwerte, Knaur, München. 1. Aufl.

Thomas, L. (Hrsg.): Labor und Diagnose, Th-Books, 7. Aufl.

 


Autor: Schäffler & Kollegen, Augsburg www.schaeffler.cc

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