Praxis

Retaxfalle Hilfsmittel

(tmb). In den bisherigen Folgen ging es um Verordnungen von Arzneimitteln, aber in einer Serie über Retaxationen dürfen Hilfsmittel nicht fehlen. Denn Hilfsmittelrezepte bilden einen großen Teil der Retaxationsfälle. Die Vielfalt der Regelungen erschwert die korrekte Taxierung von Hilfsmitteln besonders. Viele Abrechnungsregeln für Hilfsmittel gelten nur auf regionaler Ebene. Doch gibt es auch etliche typische Retaxfallen aus dem Hilfsmittelbereich, die überall beachtet werden sollten. Hier werden einige Problemfälle vorgestellt, die nach den Erfahrungen von Retaxfallen-Autor Dieter Drinhaus für den Apothekenalltag besonders wichtig sind.

Hilfsmittel sind grob zu unterscheiden in Produkte, die nicht zum Verbrauch bestimmt sind, wie Rollstühle oder Hörgeräte, und in Hilfsmittel zum Verbrauch. Letztere kommen in Apotheken häufiger vor, insbesondere Atemtherapiegeräte (Hilfsmittel-Gruppennummer 14), Inkontinenzhilfen (15), Kompressionsstrümpfe (17), Krankenpflegeartikel (19) und Infusionsbestecke (03).

Zulassung für die Abgabe von Hilfsmitteln

Für die Abgabe von Hilfsmitteln zulasten der GKV benötigt der Leistungserbringer gemäß § 126 SGB V eine Zulassung. Wenn eine Apotheke die sachlichen, räumlichen und fachlichen Anforderungen erfüllt und die diesbezüglichen Zertifikate nachweist, wird die Zulassung auf Antrag erteilt. Ein solcher Antrag kann auch gestellt werden, wenn die Apotheke z. B. durch Rechnungskopien nachweisen kann, dass sie die betreffende Versorgung in den zurückliegenden fünf Jahren mindestens drei Jahre lang geleistet hat. Die Zulassung gilt jeweils nur für die darin genannten Hilfsmittelgruppen. In etlichen EDV-Systemen erscheint leider kein Warnhinweis bei Hilfsmitteln, für die eine solche Zulassung erforderlich ist.

Einige Hilfsmittel dürfen auch ohne Zulassung abgegeben und abgerechnet werden. Diese sind in den Anlagen zu den regionalen Lieferverträgen bzw. in der Anlage 2 zum Hilfsmittelliefervertrag der Ersatzkassen verzeichnet. Üblicherweise (aber eben nicht zwangsläufig bei allen Krankenkassen) dürfen Milchpumpen, Insulinspritzen, Insulinpens, Infusionsbestecke, Bettschutzeinlagen, Einmalhandschuhe und Messgeräte ohne Zulassung abgegeben werden, außerdem Stomaartikel, soweit sie Nachlieferungen sind. Dagegen dürfen Stomaartikel zur Erstversorgung, Kompressionshilfsmittel der Gruppe 17 und Bandagen, deren Hilfsmittel-Nummer mit 05 beginnt, üblicherweise nur mit einer Zulassung abgegeben werden. Für die Ersatzkassen ist in der Anlage 3 zum Hilfsmittelliefervertrag aufgelistet, welche Hilfsmittel nur mit einer Zulassung geliefert werden dürfen.


Vorsicht Ausschreibungen

Auch wenn die EDV zuverlässig über eine mögliche Genehmigungspflicht informiert, ist das Ausbleiben einer Warnmeldung noch keineswegs eine Garantie, dass die Verordnung ungeprüft beliefert werden darf. Denn zunehmend werden einige Hilfsmittel gemäß § 127 SGB V über eine Ausschreibung an einzelne Versorger vergeben. Dazu müssen die aktuellen Mitteilungen der Apothekerverbände beachtet werden. Teilweise können Lieferberechtigungen sogar durch eine Ausschreibung enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Angesichts der kurzen Mitteilungsfristen ist nicht immer sichergestellt, dass das Ende einer Lieferberechtigung bereits in der EDV angezeigt wird.

Abgaberegeln

Grundsätzlich sollte der Arzt Hilfsmittel generisch verordnen. Bei einer namentlichen Verordnung darf die Apotheke auch alternative Produkte aus der gleichen Untergruppe abgeben. Dies bietet sich besonders an, wenn der Vertragspreis unter dem Apothekeneinkaufspreis des namentlich bezeichneten Artikels liegt. Bei generischer Verordnung muss ein Produkt mit zehnstelliger Hilfsmittelnummer abgegeben werden, weil anderenfalls die Kostenübernahme nicht gesichert ist.

Falls die verordnete Menge bzw. Stückzahl eines Hilfsmittels nicht als Packungsgröße im Handel ist, kann durchaus gestückelt werden, sofern dabei das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet wird. Dabei sind üblicherweise die nächstkleinere Packung oder mehrere dieser Packungen abzugeben. Es darf auch mit verschiedenen Packungsgrößen gestückelt werden. Um Stückelungen zu vermeiden, darf sogar eine etwas größere Packung als verordnet abgegeben werden. Diese darf bei den Ersatzkassen bis zu etwa 15 Prozent und bei den Primärkassen bis zu etwa 20 Prozent mehr als verordnet enthalten. Beschaffungskosten können jedoch nicht abgerechnet werden.


Praxis-Tipp

Genehmigungen sollten nur eingeholt werden, wenn sie nötig sind. Denn die Vertragspreise sind Höchstpreise und bei einer überflüssigen Genehmigung könnte die Krankenkasse auf einem geringeren Preis bestehen. Bei Ersatzkassen soll die Genehmigung dem Verordnungsblatt beigefügt werden. Da diese Anlagen recht häufig verloren gehen, sollte eine Kopie in der Apotheke verbleiben und auf der Rezeptvorderseite ein Genehmigungsvermerk angebracht werden.

Genehmigungen

Hilfsmittel, für deren Abgabe eine Genehmigung erteilt werden muss, sind in den Anlagen zu den Lieferverträgen der Primärkassen entsprechend gekennzeichnet. Einige Krankenkassen legen sich dabei aber nicht fest und behalten sich vor, auch für eigentlich genehmigungsfreie Hilfsmittel jederzeit eine "Vorabgenehmigung" fordern zu dürfen. Die Prüfung auf Genehmigungspflicht wird üblicherweise zuverlässig von der Apotheken-EDV erledigt. Die diesbezüglichen Warnungen müssen daher trotz der häufigen Flut von Hinweisen konsequent beachtet werden.

Für Ersatzkassen gilt, sofern die Hilfsmittel im Liefervertrag enthalten sind:

  • Wenn kein Vertragspreis oder Festbetrag vereinbart ist, muss die Apotheke ab 50 Euro Verkaufspreis eine Genehmigung einholen.
  • Wurde ein Vertragspreis oder Festbetrag vereinbart, ist erst ab 250 Euro Verkaufspreis (plus Mehrwertsteuer) eine Genehmigung erforderlich.
  • Wenn keine Genehmigungspflicht besteht, darf die Apotheke den Vertragspreis abrechnen.

Die bundeseinheitlichen Festbeträge haben die Abrechnung von Hilfsmitteln nicht vereinfacht, denn daneben existieren weiterhin regional vereinbarte Vertragspreise. Hilfsmittel, die auf der Grundlage des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) oder des Sozialversicherungsabkommens abgegeben werden, sind stets genehmigungspflichtig. In Bayern gilt allerdings die Ausnahme, dass Hilfsmittel für Personen aus dem EWR im Rahmen des Sozialversicherungsabkommens ohne Genehmigung abgegeben werden dürfen, wenn sie für AOK-Versicherte ebenfalls genehmigungsfrei wären. Wenn ein Hilfsmittel in dringenden Fällen vor Eintreffen der Genehmigung geliefert wird, liegt das Risiko bei der Apotheke. In einigen Bundesländern kann die Genehmigung bei Primärkassen innerhalb einer Woche nachträglich beantragt werden, die Beweispflicht für die Dringlichkeit liegt aber bei der Apotheke. Die DAK hat den Apothekerverbänden hingegen mitgeteilt, dass sie keine nachträglichen Genehmigungen mehr erteilt.


Abrechnungsfrist

Hilfsmittelrezepte müssen innerhalb eines Monats nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte, abgerechnet werden. Anderenfalls darf die Krankenkasse den Bruttorechnungsbetrag um 10% kürzen; bei Primärkassen darf die Kürzung jedoch höchstens 50 Euro pro Verordnungsblatt betragen. Nullretaxationen wegen Überschreitung der Abrechnungsfrist sind demnach nicht zulässig. Allerdings gilt für die Knappschaft seit dem 1. August 2009 eine Belieferungsfrist von nur noch 28 Tagen.

Für die Abrechnung ist auch die Empfangsbestätigung des Patienten auf der Rezeptrückseite wichtig. Der seit dem 1. August 2009 gültige neue Hilfsmittelliefervertrag berechtigt die Knappschaft die Erstattung abzulehnen, wenn die Empfangsbestätigung fehlt.

Typische Retaxfallen

Im Apothekenalltag erweisen sich nach den Erfahrungen von Retaxfallen-Autor Dieter Drinhaus drei Aspekte der Hilfsmittelversorgung besonders häufig als Retaxfallen:

  • Fehlende Lieferberechtigung: Wenn Hilfsmittel ohne Zulassung abgegeben werden, obwohl eine solche Zulassung erforderlich ist, wird die Krankenkasse sie nicht bezahlen. Dann ist eine Null-Retaxation zu erwarten.
  • Fehlen rechnungsbegründender Unterlagen: Die Vollabsetzung wird in der Regel ganz oder teilweise zurückgenommen, wenn die Rechnungen nach-gereicht werden.
  • Taxfehler: Solche Fehler können insbesondere dann entstehen, wenn der falsche Krankenkassentyp in die Apotheken-EDV eingegeben wird, z. B. VdAK statt RVO. Die gängigen Zuordnungen verlieren jedoch zunehmend ihre Gültigkeit, weil Krankenkassen aus den Abrechnungsvereinbarungen ihrer Verbände ausscheren, Lieferberechtigungen kündigen oder eigene Lieferbedingungen vereinbaren oder sogar einseitig festsetzen.

Viele Apotheken positionieren ihre wichtigsten Kassenverbände in der Kostenträgerliste ganz oben. Wenn diese in Teilbereichen aus ihrem Verband ausscheren und eigene neue Vereinbarungen abschließen, erscheinen sie als neue Kostenträger ganz unten und werden leicht übersehen oder falsch abgerechnet. Da dies immer wieder zu teuren Retaxationen führt, sollte die Auswahl der Krankenkasse besser automatisch von der EDV vorgenommen werden, zumal die Krankenkassennummer ohnehin vor jeder Rezeptbearbeitung eingegeben werden muss. Ein weiteres Problemfeld, das immer wieder zu Retaxationen führt, sind die Zuzahlungen für Hilfsmittel. Sie sind auf 10 Euro pro Patient und Monat begrenzt, doch kann die Einhaltung dieser Grenze vielfach nicht kontrolliert werden.

DAZ-Serie

Retaxfallen:eine Sammlung aus der Praxis

Retaxationen sind ein "Dauerbrenner" in der Apothekenpraxis. Davon zeugt insbesondere die Arbeit des Apothekers Dieter Drinhaus aus Eichendorf. Mit Unterstützung vieler Kollegen erstellte er eine Sammlung der 50 wichtigsten "Retaxfallen" im Apothekenalltag. Eine Veröffentlichung dieser Sammlung als Buch ist in Vorbereitung. Die "Fallen" werden darin laufend aktualisiert werden. Wenn Sie das Buch kaufen möchten, können Sie es jetzt schon bestellen:

ISBN: 978-3-7692-5000-8

Tel. (0711) 2 58 23 41 oder

service@deutscher-apotheker-verlag.de


Vorab präsentiert die DAZ-Redaktion Ihnen schon einige besonders wichtige Erfahrungen aus dieser Arbeit. Bisher sind erschienen:

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