Arzneimittel und Therapie

Kausaler Zusammenhang oder zeitnahe Vorgänge?

Weltweit werden schätzungsweise bei hunderten von Millionen Menschen Impfungen gegen die H1N1-Infektion durchgeführt. Je mehr Individuen geimpft werden, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass gravierende unerwünschte Ereignisse auftreten. Sind diese eine Folge des Impfens oder handelt es sich um ein zeitnahes unabhängiges Auftreten zweier Ereignisse?
Nicht jede unerwünschte ­Wirkung nach einer Impfung muss die Folge der Impfung sein. Im Einzel­fall dürfte es schwer sein, zwischen einer Kausalität und einer zufälligen ­Koinzidenz zu unterscheiden. Nur durch eine sorgfältige Betrachtung scheinbarer oder tatsächlicher Nebenwirkungen kann die Sicherheit einer Impfung beurteilt werden.
Foto: Wyeth Pharma GmbH

Im Hinblick auf die anstehenden Impfungen gegen eine H1N1-Infektion befasst sich eine internationale Expertenriege mit der Frage, ob ein auftretendes unerwünschtes Ereignis durch die Vakzinierung verursacht wird oder unabhängig von ihr auftritt. Die Gefahr einer falschen Schuldzuweisung ist nicht neu, so erinnern die Autoren an den vermeintlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln und einem erhöhten Autismusrisiko. Die Folge dieser zufälligen Assoziation war eine verringerte Impfwilligkeit und ein Rückschlag für die angestrebten Impfziele. Ein weiteres Beispiel: 2006 starben in Israel vier Menschen innerhalb von 24 Stunden nach einer Grippeimpfung. Die Opfer waren indes schwer herzkrank gewesen und ihr Tod wurde nicht durch die Impfung herbeigeführt. Statistisch wären sogar 20 solcher Fälle zu erwarten gewesen. Dennoch wurde die Massenimpfung unterbrochen.

Aktuelle Hochrechnung

Für die Zeit der zu erwartenden Massenimpfung gegen eine H1N1-Infektion ermitteln die Forscher Inzidenzraten für bestimmte schwere Ereignisse. Die Basis dieser Hochrechnung stammt aus Krankenhausdaten, Registern mehrerer Länder sowie von internationalen Studien, wobei die Zahlen alters- und geschlechtsbezogenen sowie geographischen Schwankungen unterworfen sind. Es wurden unter anderem folgende Zahlen ermittelt: Von zehn Millionen geimpften Individuen erkranken innerhalb von sechs Wochen etwa 22 an einem Guillain-Barré-Syndrom, knapp sechs Menschen erleiden einen plötzlichen Tod, bei etwa 14 Impflingen entzündet sich innerhalb von sieben Tagen ein Sehnerv, was den Verdacht auf eine beginnende multiple Sklerose lenkt und von einer Million geimpften Schwangeren erleiden 397 innerhalb eines Tages nach der Vakzinierung einen Spontanabort (siehe Tabelle).

Häufigkeit ausgewählter Diagnosen in der Normalbevölkerung (basierend auf britischen und amerikanischen Daten)
 innerhalb 
1 Tages
innerhalb 
von 
7 Tagen
innerhalb 
von 
6 Wochen
Guillain-Barré-Syndrom (bezogen auf 10 Millionen Geimpfte)0,513,5821,5
Optikusneuritis 
(bezogen auf 10 Millionen geimpfte gravide Frauen)
2,0514,486,3
Spontanabort 
(bezogen auf 1 Million geimpfte Frauen)
397278016.684

plötzlicher Tod

(bezogen auf 10 Millionen Geimpfte)

0,140,985,75

Richtig Interpretieren

Diese Inzidenzraten bestimmter Erkrankungen müssen den Wissenschaftlern zufolge unbedingt in die Analyse möglicher Nebenwirkungen einbezogen werden, um Fehlinterpretationen zu vermeiden, in der Bevölkerung keine unnötigen Ängste zu schüren und den Erfolg eines Impfprogramms nicht zu mindern. Nicht jedes gravierende Ereignis sei eine Folge der Impfung und im Einzelfall dürfte es schwer sein, zwischen einer Kausalität und einer zufälligen Koinzidenz zu unterscheiden, zumal auch per Zufall zeitliche und geographische Häufungen eines Ereignisses auftreten. Nur durch eine sorgfältige Betrachtung scheinbarer oder tatsächlicher Nebenwirkungen könne die Sicherheit einer Impfung beurteilt werden, so das Fazit der Autoren.

 

Quelle

Black, S., et al.: Importance of background rates of disease in assessment of vaccine safety during mass immunisation with pandemic H1N1 influenza vaccines. Lancet, published online October 31, 2009 DOI:10.1016/S0140-6736(09)61877-8.

DeStefano F., et al.: H1N1 vaccine safety monitoring: beyond background rates. Lancet, published online October 31 2009 DOI:10.1016/S0140-6736(09)61917-6.

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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