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- DAZ 49/2009
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Praxis aktuell
Lucentis-Auseinzelung unbedenklich?
Gemäß eines Berichtes in "Der Ophthalmologe" (Wolf et al., Ophthalmologe 2009, 1) werden bei jeder Lucentis-Anwendung 0,05 ml der Wirkstofflösung (entsprechen 0,5 mg der Wirksubstanz Ranibizumab) über die Pars plana in den Glaskörperraum injiziert. Ziel der Untersuchung der Gruppe um Prof. Dr. Armin Wolf (Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München) war es, die grundsätzliche Volumenteilbarkeit einer Originalpackung Lucentis zur Verwendung bei mehreren Patienten mit einem Injektionsvolumen von je 0,05 ml zu untersuchen. Dabei wurde als Methode eine Totraum-Volumenbestimmung der verwendeten Kanülen und Spritzen angewandt, die zu dem Ergebnis kam, dass die Spritze und Injektionskanüle ein Totraumvolumen von insgesamt 0,087 ml aufweisen. Die therapeutisch zu applizierende Menge beträgt 0,05 ml. Somit ist für eine Injektion ein Gesamtvolumen von 0,137 ml nötig. Außerdem konnte unter anderem festgestellt werden, dass das extrahierbare Volumen (Volextr =0,16 ml) einer Lucentis Originalpackung deutlich kleiner war als das Füllvolumen (Volfüll =0,23 ml). Geht man – so die Studie – von diesem realistischen extrahierbaren Volumen aus, so können sich rechnerisch nur 1,2 Injektionen (0,16 ml /0,137ml=1,2) aus einer einzigen Originalpackung Lucentis ergeben. Nach dieser Studie kann also die aktuelle Packungsgröße von Lucentis mit 0,23 ml nach Abzug der Totraum-Volumina nicht geteilt bzw. für mehrere Anwendungen verwendet werden. Ergebnis: Mit einem realistischen "Arbeitsvolumen" könnten nur knapp 1,2 Patienten pro Lucentis-Originalpackung mit der vorgesehenen Wirkstoffmenge behandelt werden. Theoretisch könnten also aus 5 Originalpackungen 6 Patienten behandelt werden (5 x 1,2 = 6). Diese hypothetischen Überlegungen setzen allerdings, so die Studie, ein sogenanntes "pooling" (Zusammenlegen von mehreren Originalpackungen) mit allen Konsequenzen einer erneuten Abfüllung voraus.
Des Weiteren stellt das Auseinzeln und das Aufteilen einer Dosis Lucentis auf mehrere Patienten nach Wolf et al. eine zulassungsüberschreitende Anwendung dar.
In der Tat ist festzustellen, dass die Fachinformation des Original-Präparates Lucentis die Anwendung klar auf die Einmalgabe beschränkt. Diese Einschränkung ist konform mit der Parenteralia Monographie 01/2008:0520 der Europäischen Pharmakopöe, die besagt, dass bei Fehlen eines geeigneten antimikrobiellen Mittels Arzneimittel in Behältnissen zur Einzeldosis abzugeben sind. Aus nachvollziehbaren Gründen (Injektion in den Glaskörper des Auges) enthält Lucentis kein antimikrobielles Mittel.
Von Seiten mancher Krankenkassen wird – teils unter dem speziellen Hinweis auf einen möglichen Bezug bei einer bestimmten Apotheke – die Verwendung von "ausgeeinzeltem" Ranibizumab anstelle von Original Lucentis befürwortet bzw. gefordert.
Bei den Apothekern, die Ranibizumab-Fertigspritzen abgeben, müssten nach Kenntnisnahme dieser Studie erhebliche Zweifel aufkommen, ob ausgeeinzeltes Lucentis noch durch die Herstellerhaftung des Originalherstellers (gemäß § 84 AMG) abgesichert ist. Im Besonderen müssen bei dem für die Auseinzelung genannten Preis gewisse Bedenken aufkommen, da diesem wahrscheinlich eine Aufteilung auf zwei oder mehr Teilmengen zugrunde liegt (VK Lucentis Original 1296,- Euro; Ranibizumab-Fertigspritze 684,- Euro).
Die Bereitstellung von aus Original-Behältnissen hergestellten Ranibizumab-Fertigspritzen erfolgt mittlerweile im gewerblichen Stil durch einige spezialisierte Versandapotheken. Hierbei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass bei einer Aufteilung des Originalpräparates das Arzneimittel nicht mehr im Originalbehältnis aufbewahrt werden kann. Statt im vorgesehenen Glasbehälter verweilt die ins Auge zu injizierende Antikörperlösung möglicherweise für mehrere Tage (Herstellung, Transport, Anwendung) in einer Kunststoff-Spritze. Hierbei stellt sich dann die Frage, ob unter den abweichenden Lagerungsbedingungen eine Beeinträchtigung der Qualität des – zuvor umgefüllten – Arzneimittels ausgeschlossen werden kann.
Den Patienten, denen zudem die oben beschriebene Diskussion hinsichtlich der Qualität des am Auge zu injizierenden Arzneimittels gar nicht bekannt sein dürfte, wird letztendlich von der Krankenkasse ein Arzneimittel erstattet, dessen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in ausgeeinzelter Form nicht durch Studien und eine Zulassung nachgewiesen ist. Nicht unerhebliche, ja vielleicht sogar gefährliche Unterschiede zum Originalpräparat hinsichtlich der Qualität können demnach nicht ausgeschlossen werden. Die offenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Abgabe von Ranibizumab-Fertigspritzen dürften spätestens dann geklärt werden müssen, wenn Fälle von Anwendungsproblemen auftauchen. daz
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