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Gesundheitspolitik
Haucap für "sanften Preiswettbewerb"
Die Monopolkommission blickt schon seit einigen Jahren kritisch auf die Apothekenlandschaft. In ihrem Gutachten 2006 hatte sie sich eingehend mit den Freien Berufen befasst und allerlei Vorschläge unterbreitet, wie mehr Wettbewerb in den Apothekenmarkt einziehen könnte – die Vorschläge trafen bei der Bundesregierung allerdings nicht auf fruchtbaren Boden. Ende Oktober letzten Jahres sorgte der seit Juli 2008 amtierende Vorsitzende des Beratungsgremiums erneut für Aufregung in der Apothekerschaft: Haucap hatte es in der FAZ als "Rückschritt" bezeichnet, dass die christlich-liberale Koalition Pick-up-Stellen für Arzneimittel verbieten und das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken erhalten will. In der Apothekerschaft reagierte man empört (siehe AZ 2009, Nr. 45, S. 1). Nach diesem Interview habe er "so viele E-Mails bekommen, wie nie zuvor", so der Ökonom.
Grundsätzlich bleibt er jedoch bei seiner Kritik. In seinem Vortrag skizzierte er die gegenwärtigen Überlegungen der Monopolkommission in Sachen Apothekenmarkt. Ausgangspunkt sei, dass Arzneimittel zwar ein ökonomisches Gut seien, es sich aber dennoch nicht um einen Markt wie jeden anderen handele. Es gebe ein "asymmetrisches Informationsproblem", das besondere Regulierungen rechtfertige. Und von Letzteren gibt es bekanntlich eine ganze Reihe. Für einige hat Haucap Verständnis, etwa für die Verschreibungspflicht, Berufszugangsregelungen oder die grundsätzliche Preisregulierung für rezeptpflichtige Arzneimittel – jedenfalls solange die Verbraucher in diesem Bereich nicht preissensibel sind.
Selbstbedienungsverbot für OTC "übertrieben"
Dennoch: Haucap sähe es gerne, wenn es künftig nicht mehr primär der Standort wäre, der den Wettbewerb unter Apotheken bestimmt. So würde er beispielsweise das Selbstbedienungsverbot für OTC-Arzneimittel aufheben: "Das scheint mir übertrieben", so der Ökonom, eine "vorsichtige Deregulierung" sei hier sinnvoll. Das Verbot erschwere den Preiswettbewerb, da auch Sonderpreise immer erst beim Apothekenpersonal erfragt werden müssten. Für ebenso übertrieben hält er das Fremd- und Mehrbesitzverbot: "Kettenbildung ist nicht per se etwas Furchtbares." Man müsse allerdings aufpassen, dass es nicht zur Monopolisierung regionaler Märkte komme. Dies wäre Haucap zufolge aber mit temporär schärferen Fusionskontrollen in den Griff zu bekommen. Was das von der Bundesregierung verfolgte Verbot von Pick-up-Stellen betrifft, so sieht er "das Kind mit dem Bade ausgeschüttet". Gerade hier hätte der Wettbewerb gestärkt werden können – gegebenenfalls auch über die Formulierung von Mindestanforderungen.
Höchstpreise für rezeptpflichtige Arzneimittel
Nicht zuletzt sieht Haucap im Preis für Rx-Arzneimittel eine Stellschraube für mehr Wettbewerb. Er plädiert dafür, den Apotheken zu erlauben, auf Zuzahlungen zu verzichten. Auch ihr Entgelt von 8,10 Euro abzüglich 2,30 Euro Kassenrabatt sollten sie selbst zur Disposition stellen können. Als Höchstgrenze will Haucap die bestehende Regelung allerdings beibehalten. Würde man die Preise ganz freigeben, sei zu befürchten, dass einige Preise auch überschießen.
Wasem plädiert für Ketten
Auch der Essener Gesundheitsökonom und Politikberater Jürgen Wasem nutzte den BVDVA-Kongress um seine Thesen, wie für mehr Wettbewerb unter Apotheken gesorgt werden kann, zu erläutern. Wie Haucap ist er der Meinung, dass es keine Belege dafür gebe, dass die Zulassung von Apothekenketten die Versorgung gefährde. Vielmehr hätten Untersuchungen in Großbritannien und Norwegen gezeigt, dass positive Effekte erreicht werden könnten. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum deutschen Fremdbesitzverbot hindere die Bundesregierung nicht, stärker wettbewerbliche Distributionsstrukturen zu schaffen. "An den Fakten kann ihr Verhalten nicht liegen", so Wasem. Dass die Regierungskoalition untätig bleibe, liegt ihm zufolge an "Interessengruppen, die Mythen aufrechterhalten". Auch die Freigabe des Apothekenzuschlags bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hält Wasem für sinnvoll. Dabei habe er allerdings noch keine abgeschlossene Meinung, ob es bei einem Höchstbetrag bleiben sollte. Daneben kann sich der Gesundheitsökonom auch Einzelverträge zwischen Krankenkassen und Apotheken in Kombination mit Wahltarifen für die Versicherten vorstellen – hier könnten auch die Versandapotheken eingebunden werden.
Kein Zuspruch aus der Politik
Dass die Vorstellungen der beiden Ökonomen in der Politik auf Gegenliebe stoßen, ist zu bezweifeln. Haucap räumte ein, dass er "kein konkretes Signal aus der Bundesregierung" sehe, seine Vorschläge aufgreifen zu wollen. Auch der Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich (CDU) machte deutlich, dass die Bundesregierung im Bereich der Apotheken "keinen gesetzlichen Handlungsbedarf abseits des Pick-up-Verbotes" sehe.
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