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Interpharm 2010
Funktionen und physiologisches Zusammenspiel
Die Blutstillung besteht aus zwei miteinander gekoppelten Prozessen, der primären und sekundären Hämostase. Unmittelbar nach einer Verletzung des Gefäßendothels als innerster Wandschicht der Lymph- und Blutgefäße kommt es in einer adrenergen Schreck- und Stressreaktion zu einer Gefäßkontraktion. Als Folge dieser arteriellen Hämostase werden die Gefäße "eingekrempelt", dabei zieht sich die Membrana elastica interna stärker zusammen als die anderen Wandschichten. Zugleich wird aus dem Gefäßendothel, das eines der größten physiologischen Organe ist, die subendotheliale Matrix mit von-Willebrand-Faktor (vWF), Thromboplastin (Faktor III, tissue factor, TF) Plättchenaktivierender Faktor (PAF) und Kollagen freigesetzt. Die primäre Hämostase führt dann zur Bildung eines vorläufigen, instabilen "weißen Thrombus". Erst die anschließende zelluläre oder sekundäre Hämostase, die eigentliche Blutgerinnung, führt zur Bildung eines stabilen Gerinnungsthrombus und gewährleistet einen sicheren Wundverschluss. Es kommt zur ersten Adhäsion von Thrombozyten an den Wundrändern. Diese enthalten unter anderem Fibrinogen, Plättchenfaktor 4, von-Willebrand-Faktor (vWF), plättchenabhängigen Wachstumsfaktor (PDGF). Der bei einer Gefäßverletzung freigesetzte von-Willebrand-Faktor führt zur Thrombozytenadhäsion, und die über ihre GP-Ib/IX-Rezeptoren angelagerten Blutplättchen werden aktiviert. Dadurch kommt es zu einem Gestaltwandel der Thrombozyten und einer damit verbundenen Freisetzung von Serotonin, Adenosindiphosphat, Plättchenfaktor 4, der die Fibrinolyse inhibiert, und anderen Mediatorstoffen. Innerhalb der Blutgerinnung werden zwei Aktivierungskaskaden unterschieden: der extravaskuläre (extrinsische) Weg und der intravaskuläre (intrinsische) Weg. Während die Gerinnungsaktivierung über die extrinsische Kaskade innerhalb weniger Sekunden stattfindet, läuft der intrinsische Weg deutlich langsamer ab. Auslöser für den extrinsischen Gerinnungsweg ist die mit einer Gewebeverletzung verbundene Freisetzung von tissue factor (TF) aus subendothelialen Zellen. Freigesetzter TF bildet mit zirkulierendem Faktor VII den aktiven TF/VIIa-Komplex, der in Gegenwart von Calciumionen Faktor X aktiviert. Die Aktivierung des intrinsischen Weges erfolgt durch Kontakt von Faktor XII mit einer negativ geladenen Oberfläche, z. B. nach einer Verletzung. Sie kann aber auch durch entzündliche und arteriosklerotische Veränderungen der Gefäßendothelien ausgelöst werden. FXII wird dadurch zu FXIIa aktiviert. Extrinsischer und intrinsischer Weg führen beide zur Aktivierung von Faktor X, der zentralen Schnittstelle zwischen intrinsischem und extrinsischem System, der die Bildung von Thrombin aus Prothrombin katalysiert. FXa bildet zusammen mit Calciumionen und Faktor Va den sogenannten Prothrombinasekomplex, der die Umwandlung von Prothrombin (Faktor II) in aktives Thrombin (Faktor IIa) katalysiert. Die Hauptaufgabe des gebildeten Thrombins ist die Fibrinbildung. Durch Abspaltung der Fibrinopeptide A und B von Fibrinogen entsteht monomeres Fibrin, das zu langen Strängen aggregiert. Der durch Thrombin aktivierte Faktor XIIIa bewirkt eine kovalente Längs- und Quervernetzung der instabilen Fibrinfäden, wodurch ein stabiles Gerinnsel entsteht, ein sogenannter roter Thrombus.
Neben den beiden Hauptwegen der Blutgerinnung bestehen auch Verknüpfungen zwischen dem extrinsischen und intrinsischen Weg. So kann FVIIa neben FX auch FIX aktivieren. Weiterhin existieren positive Rückkopplungsmechanismen, welche die Blutgerinnung zusätzlich verstärken. Die meisten dieser positiven Feedback-Reaktionen werden durch Thrombin ausgelöst, das unter anderem die Faktoren V, VIII und XI aktiviert. Daneben ist FXa in der Lage, die Faktoren VII, VIII und IX zu aktivieren.
Um eine übermäßige Blutgerinnung zu verhindern, sind zusätzlich endogene Gerinnungshemmstoffe im Blut vorhanden. Der wichtigste dieser Inhibitoren ist Antithrombin, das stabile Komplexe mit den freien Gerinnungsfaktoren Thrombin, Xa, IXa, XIa und XIIa bildet und dadurch ihre aktiven Zentren blockiert. Diese Reaktion kann stark beschleunigt werden, wenn Antithrombin an Glykosaminoglykane wie Heparinoide oder Heparin bindet, wodurch eine Konformationsänderung am Antithrombin induziert wird. Bei Gerinnungsstörungen erfolgt eine Substitution mit rekombinanten Faktoren VIIa, VIII oder IX bzw. Präparaten aus Humanplasma.
Die Blutgerinnung befindet sich im Gleichgewicht mit der Fibrinolyse. Das fibrinolytische System hat die Aufgabe, intravasal entstehende Gerinnsel und nicht mehr benötigtes Fibrin (z. B. nach erfolgter Wundheilung) aufzulösen, um so Blutgefäße von Fibrinablagerungen freizuhalten. Die Aktivierung der Fibrinolyse erfolgt durch Plasminogenaktivatoren. Als wichtigster Plasminogenaktivator ist vor allem Tissue Plasminogen Activator (tPA) für die physiologische Fibrinolyse verantwortlich. tPA wird hauptsächlich in Gefäßendothelien gebildet und bei Bedarf ins Blut abgegeben. Die tPA-Freisetzung kann auch durch Plasmakallikrein ausgelöst werden, das ebenfalls eine direkte Aktivierung von Plasminogen bewirkt. Auch Urokinase, die vor allem in der Niere synthetisiert und in den Urin sezerniert wird, zählt zu den Plasminogenaktivatoren.
ck
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