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Interpharm 2010
Wenn die Blutgerinnung gestört ist
Ursachen für eine krankhaft gesteigerte Blutungsneigung (hämorrhagische Diathese) können Erkrankungen und Anomalien der Blutgefäße (Vasopathien), Störungen der plasmatischen Gerinnung (Koagulopathien) oder eine Verminderung oder Funktionsstörungen der Thrombozyten sein. Zu den persönlichen Risikofaktoren zählen die genetische Veranlagung, Tumorerkrankungen, eine längere Immobilisation sowie chronische Entzündungen.
Die häufigste erworbene Ursache für Blutungsprobleme ist allerdings die Einnahme von Gerinnungs- und Thrombozytenhemmstoffen.
Von den hämorrhagischen Diathesen sind solche Hämostasestörungen abzugrenzen, die mit einer vermehrten Gerinnbarkeit des Blutes einhergehen und sich klinisch in Form einer erhöhten Thromboseneigung manifestieren können. Sie werden als thrombophile Diathesen bezeichnet und können an verschiedenen Stellen des Gefäßsystems zum Teil akut lebensbedrohliche Ereignisse auslösen. So ist die Bildung eines Fibrinthrombus bei arteriosklerosebedingten Erkrankungen, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall oder auch bei Venenthrombosen, der entscheidende Mechanismus bei der klinischen Manifestation der jeweiligen Gefäßerkrankung. Auch bei Schwangerschaftskomplikationen (z. B. Abort) spielt die überschießende Gerinnselbildung (Thrombophilie) eine wichtige Rolle.
Eine Sonderform kann im Rahmen der Behandlung mit Heparin auftreten. Sie manifestiert sich in einem Abfall der Blutplättchenzahl (Heparin-induzierte Thrombozytopenie, HIT, Typ I bzw. Typ II). Die HIT Typ II beruht auf einer Antikörperbildung gegen Heparin/Protein-Komplexe, hier vornehmlich einen Komplex mit dem Plättchenfaktor 4 (PF4). Die Antikörper binden an einen Rezeptor auf den Thrombozyten, die dann verklumpen und die Gerinnungskaskade in Gang setzen. Die Folge sind Thrombosen im venösen und arteriellen System.
Im Prinzip, so Spannagl, schwebt das Thrombophilie-Risiko über jedem. Viele Menschen besitzen laborchemisch fassbare Risikofaktoren, aber die wenigsten trifft die Krankheit. Deshalb rät er davon ab, die Vorhersagekraft von Thrombophilie-Faktoren, die wissenschaftlich im Moment "en vogue" sind, zu überschätzen. Bei ein bis zwei Faktoren rechnet Spannagl noch nicht unbedingt mit dem Auftreten einer Thrombose, ab drei steigt das relative Thrombose-Risiko dann allerdings sprunghaft an.
Für den Erhalt der individuellen Balance zwischen Gerinnselbildung und -auflösung stehen heute oral wirksame und parenterale Wirkstoffe sowie verschiedene Blutprodukte zur Verfügung. Problematisch ist allerdings, dass der Einsatz hocheffektiver Gerinnungshemmer stets mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergeht. Die Anstrengungen gehen deshalb dahin, Arzneistoffe zu entwickeln, die den Spagat zwischen beiden besser bewältigen. Solange solche nicht gefunden sind, hält Spannagl eine durchgehende Thromboseprophylaxe im Alter trotz ansteigender thrombotischer Aktivität nicht für sinnvoll. Standard für die Langzeitgerinnungshemmung sind Vitamin K-Antagonisten, für Spannagl immer noch das Optimum. Als international einzigartig und vorbildlich bezeichnete er in diesem Zusammenhang das Selbstmanagement der Patienten in der Antikoagulationstherapie in Deutschland.
hb
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