Tiermedizin

Magen-Darm-Erkrankungen bei Hund und Katze

Dehydratation ist auch für Tiere gefährlich

Von Sabine Wanderburg

Akute Gastroenteritiden gehören zu den häufigsten Erkrankungen bei Hund und Katze. Die Hauptsymptome sind in den meisten Fällen Erbrechen und Durchfall. Die Ursachen können dagegen sehr vielfältig sein. Dementsprechend reichen die Schweregrade von leichten Fällen, die allein mit Diät behandelt werden können, bis zu lebensbedrohlichen Notfällen wie der Magendrehung.

Hunde und Katzen trinken gerne aus stehenden Gewässern und fressen für uns Menschen ungenießbare Dinge (z. B. Aas oder Verdorbenes). Auch vertragen sie es oft nicht, wenn ihr Futter abrupt umgestellt wird oder sie kaltes Dosenfutter direkt aus dem Kühlschrank bekommen. Daher zählen Futtermittelunverträglichkeiten und -intoxikationen zu den häufigsten Ursachen für eine akute Gastroenteritis. Zweithäufigste Verursacher sind Darmparasiten (siehe DAZ 2010, Nr. 17, S. 90 – 97). Virale Magen- und Darmentzündungen kommen ebenfalls oft vor, besonders bei jungen Tieren, während bakterielle Gastroenteritiden relativ selten sind. Sie spielen aber häufig sekundär eine Rolle, wenn der Verdauungstrakt durch andere Faktoren vorgeschädigt ist.

Bei Hunden sind nicht selten Fremdkörper unterschiedlicher Art (z. B. zerbissenes Plastikspielzeug, Bälle, Socken, Stöcke, Angelhaken, Steine oder Wurstverpackungen) Ursache von Erbrechen und Durchfall. Manchmal wird der Fremdkörper ohne größere Probleme wieder ausgeschieden, aber es kann auch zu Darmverschlüssen oder Verletzungen des Verdauungstrakts kommen, die dann möglichst schnell operativ behoben werden müssen.

Katzen spielen gerne mit Bindfäden und Schnüren und können sie herunterschlucken – mit fatalen Folgen. Oft wandert ein Ende problemlos durch den Darm und guckt bereits am After heraus, während das andere Ende noch im Dünndarm feststeckt. Dabei wird das gesamte Darmkonvolut wie ein Vorhang auf dem Faden aufgereiht. Wird dann an dem heraushängenden Fadenende gezogen, durchschneidet der Faden große Teile des Darmes.

Vor allem bei älteren Tieren können Erbrechen und Durchfall Begleitsymptome einer Nieren-, Leber- oder Tumorerkrankung sein. Immunreaktive Gastroenteritiden, Stress sowie Magen- und Duodenalgeschwüre und speziell beim Hund Motilitätsstörungen können ebenfalls zu Erbrechen und Durchfall führen. Bei Katzen kann eine Hyperthyreose sowohl Erbrechen als auch Durchfall auslösen. Vergiftungen und Medikamente gehören dagegen zu den seltenen Ursachen.

Gelegentliches Hochwürgen von zuvor gefressenem Gras zusammen mit Futter, gelblichem Schleim und eventuell Haaren ist bei Hund und Katze ein arttypisches Verhalten und deutet nicht auf eine Erkrankung hin. Zudem dient Erbrechen als Schutzreflex sinnvollerweise dem Entfernen von Krankheitserregern oder Toxinen aus dem Verdauungstrakt und sollte nur dann medikamentös unterbunden werden, wenn es über mehrere Stunden anhält oder das Tier zu dehydrieren beginnt.

Refluxgastritis-Syndrom: Magenschleimhautentzündung

Manche Hunde erbrechen morgens nach dem Aufstehen, nachdem sie viele Stunden nichts gefressen haben. Dieses Erbrechen kann die Reaktion auf eine galleinduzierte Gastritis sein. Gallensalze stören die Magenschleimhautbarriere, sodass die Magensäure die Magenschleimhaut reizen und eine Gastritis verursachen kann. Therapeutisch kann diesen Hunden leicht geholfen werden, indem sie spät abends und direkt nach dem Aufstehen eine kleine Menge Futter bekommen. Vorübergehend können auch H2-Blocker (z.B. Ranitidin 0,5 bis 2 mg/kg p.o., zwei- bis dreimal täglich) eingesetzt werden.

Auf die Begleitsymptome kommt es an

Erbricht ein Tier ein- oder zweimal oder hat Durchfall, zeigt ansonsten aber ein ungestörtes Allgemeinbefinden, hat kein Fieber und verhält sich normal, hilft oft schon als einzige Maßnahme eine Diät (siehe unten). Diese ist vor allem angezeigt, wenn es sich um eine "einfache" Futtermittelintoxikation handelt.

Auf ein ernsteres Krankheitsgeschehen deuten diese Symptome hin:

  • häufiges Erbrechen oder starker Durchfall über mehr als sechs bis acht Stunden,
  • auch aufgenommenes Wasser wird wieder erbrochen,
  • hohes Fieber über 40°C,
  • starke Schmerzen, sichtbar durch eine gespannte Bauchdecke,
  • aufgeblähter Bauch,
  • Krämpfe,
  • Blutbeimengungen im Erbrochenen oder im Kot,
  • starke Mattigkeit bis hin zur Bewusstseinseintrübung,
  • sehr blasse oder über längere Zeit hochrote Schleimhäute,
  • starkes Speicheln,
  • beginnende Dehydrierung.

Auch wenn nur eines oder wenige dieser Warnzeichen deutlich auftreten, ist ein Tierarztbesuch erforderlich.

Magendrehung: Lebensbedrohlicher Notfall!

Die Magendrehung des Hundes ist ein lebensbedrohlicher Notfall, vor dem sich wohl jeder Hundebesitzer fürchtet. Gefährdet sind vor allem große Hunderassen, die einen tiefen Brustkorb besitzen (z. B. Boxer, Dogge, Retriever, Berner Sennenhund, Rottweiler, Deutscher Schäferhund, Setter) und eine größere Menge Nahrung aufgenommen haben. Aber auch mittlere und kleine Rassen und nüchterne Hunde können betroffen sein. Die Tiere wirken unruhig und versuchen erfolglos zu erbrechen. Auffällig ist eine zunehmende Aufblähung des Bauches und eine damit gekoppelte Atemnot und Kreislaufschwäche. Unbehandelt führt die Magendrehung innerhalb weniger Stunden zum Tod durch Kreislaufversagen. Daher ist eine schnellstmögliche operative Rückverlagerung des Magens notwendig, um das Leben des Hundes zu retten. Wichtig ist, vor dem Besuch in der Tierarztpraxis anzurufen, damit dort schon Vorbereitungen für die Notoperation getroffen werden können, denn jede Minute kann zählen.

Diät als wichtigste unterstützende Therapie

Bei der Behandlung von akuten Magen-Darm-Erkrankungen haben diätetische Maßnahmen einen besonderen Stellenwert. Daher ist es wichtig, den Speiseplan des Tieres vorübergehend zu ändern. Zu empfehlen ist folgendes Diätschema:

Einen Tag lang sollte das Tier nichts zu fressen bekommen. Freigänger (Katzen) sollten dazu im Haus gehalten werden. Das Tier muss jedoch ausreichend zu trinken bekommen, da es sonst rasch dehydrieren kann. Gut geeignet sind Elektrolyt-Trinklösungen oder abgekochtes Wasser, das mit einer Prise Salz und etwas Traubenzucker angereichert wird.

Nach dem Fastentag sollte das Tier mindestens fünf mal täglich in kleinen, jeweils frisch zubereiteten Portionen gefüttert werden. Dazu eignet sich als Kohlenhydratquelle breiig gekochter Reis oder Kartoffelbrei, der ohne Milch zubereitet wird. Als Eiweißquelle kann je nach Vorliebe des Tieres Hüttenkäse, Magerquark, gekochtes mageres Fleisch, Huhn oder Fisch dienen. Das Verhältnis von Kohlenhydraten zu Eiweiß sollte beim Hund 2:1 betragen, bei der Katze 1:2. Zur Bereitstellung der benötigten Fettsäuren kann ein Öl mit einem hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren (z. B. Mazola) verwendet werden, drei bis acht Milliliter pro Tag je nach Größe des Tieres.

Falls Selberkochen nicht möglich oder erwünscht ist, kann auf spezielle Magen-Darm-Diäten zurückgegriffen werden, die beim Tierarzt erhältlich sind.

Nach einer deutlichen Besserung der Symptome (meist nach drei bis fünf Tagen) kann unter die Diät das gewohnte Futter in zuerst kleinen, dann zunehmenden Mengen gemischt werden. Eine abrupte Umstellung auf das gewohnte Futter sollte auf jeden Fall vermieden werden. Auch sollte die Tagesration weiterhin auf mehrere kleine Portionen aufgeteilt werden, bis sich die Verdauung wieder völlig normalisiert hat.

Je nach Ursache und Symptomatik einer Gastroenteritis sind zusätzlich folgende Arzneimittel und Therapien zu empfehlen:

Allopathisch:

  • Antibiotika: z. B. Enrofloxacin (Baytril®) 5 mg/kg einmal täglich p.o., s.c., nicht bei Hunden unter einem Jahr anwenden, Amoxicillin (z. B. Clamoxyl®) 10 mg/kg zweimal täglich p.o.
  • Analgetika, Spasmolytika: z. B. Metamizol 20 bis 50 mg/kg i.v., i.m., s.c., p.o. und/oder Butylscopolamin 0,4 bis 0,8 mg/kg s.c., p.o. oder als Zäpfchen (eines enthält 7,5 mg)
  • Antiemetika: z. B. Metoclopramid (z. B. Befedo® -Antemetikum) 0,1 bis 0,3 mg/kg p.o., s.c., Vorsicht bei Tieren mit Anfallsleiden, nicht bei gastrointestinalen Blutungen, Obstruktionen und nicht gleichzeitig mit Butylscopolamin (wegen der Gefahr eines Darmverschlusses)
  • Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr mit Vollelektrolyt-Infusionen
  • Stabilisierung der Darmflora: Ergänzungsfutter mit Darmbakterien (z. B. Canibac® , Proofi-Care® Darm-Gel)
  • Schleimhautschutz: z. B. Diarsanyl® , Enterogelan® KH, Serimmun Pet®
  • Anthelmintika (siehe DAZ 2010, Nr. 17, S. 90 – 97)

Phytotherapeutisch:

  • Spasmolytisch, antiphlogistisch: z. B. Aufguss aus Kamille
  • Schleimhautschutz: z. B. Heilerde (ein bis drei Teelöffel in lauwarmem Wasser eingeben), Schwarztee, geschroteter Leinsamen, Apfelpektin
  • Stabilisierung der Darmflora: Bäcker- oder Bierhefe
  • Fertigpräparate: z. B. Stullmisan® , Dia Tab®

Homöopathisch:

  • Monopräparate je nach Arzneimittelbild: z. B. Arsenicum album D6, D12, D30, Nux vomica D6, D30, Podophyllum D6, D30
  • Kombinationspräparate: z. B. Dysenteral® , Vomitusheel® , Nux vomica-Homaccord® , Diarrheel® , Mucosa compositum® , Podophyllum compositum® , Veratrum- Homaccord®

Wichtig, zu unterscheiden! Regurgitieren oder Erbrechen?

Regurgitieren ist ein weitgehend passives Zurückströmen von Ösophagusinhalt in den Rachen, die Maulhöhle und zum Teil auch in die Nase und charakteristisch für Motilitätsstörungen und Obstruktionen des Ösophagus. Es erfolgt oft kurz nach der Futteraufnahme und das regurgitierte Futter wird häufig wieder aufgenommen.

Erbrechen ist dagegen ein aktives, zentral durch das in der Medulla oblongata liegende Brechzentrum gesteuertes Reflexgeschehen, bei dem Rachen, Ösophagus, Zwerchfell, Magen, Bauchpresse und Atmung beteiligt sind. Es beginnt mit prodromalen Nauseasymptomen wie Unruhe und Speicheln und ist mit deutlichen Anstrengungen und Atemveränderungen verbunden. Die Tiere sind anorektisch und fressen das erbrochene Futter nicht wieder auf.

Vorbeugen ist besser als heilen

Damit es gar nicht erst zum Erbrechen oder Durchfall kommt, sollten diese Tipps beachtet werden:

  • Nichts direkt aus dem Kühlschrank füttern.
  • Erwachsenen Hunden und Katzen weder Milch noch unvergorene Milchprodukte geben.
  • Keine plötzliche Futterumstellung.
  • Geöffnete Dosen rasch verbrauchen, auf Verderb achten.
  • Falls möglich, das Trinken aus Pfützen und stehenden Gewässern unterbinden (Tipp: auf längeren Spaziergängen immer eine kleine Wasserflasche und einen Faltnapf mitnehmen).
  • Verhindern, dass das Tier draußen Aas, Kot oder ähnliches frisst.
  • Hunde- und Katzenspielzeug nur unter Aufsicht verwenden und nach dem Spiel wegräumen.
  • Katzen nicht mit fadenförmigen "Spielzeugen" (Bänder vom Gelben Sack, Wollfäden, Schnürsenkel, Lametta, Paketschnur) spielen lassen.
  • Das Tier bedarfsgerecht entwurmen (siehe DAZ 2010, Nr. 17, S. 90 – 97) und gegen mögliche Infektionskrankheiten impfen lassen (z. B. Staupe, Leptospirose, Parvovirose)

Vorsicht bei Wasserverlust: Den Dehydratationsgrad abschätzen

Wie beim Menschen kann der Dehydratationsgrad mittels einer Hautfaltenprobe (beim Tier an der seitlichen Brustwand) abgeschätzt werden. Ab einem Wasserverlust von etwa fünf Prozent des Körpergewichts nimmt der Hautturgor merklich ab. Bei zehn oder mehr Prozent bleibt die Hautfalte bestehen und verstreicht nicht mehr spontan. Bei mageren Tieren täuscht die unelastische Haut oft eine stärkere Dehydrierung vor, während bei dicken Tieren das subkutane Fettgewebe die Haut geschmeidig macht und das Tier nicht so schnell dehydriert erscheint. Verstreicht eine hochgezogene Hautfalte nicht sofort, sollte das immer als Alarmzeichen angesehen und ein Tierarzt aufgesucht werden.

Quelle Daubenmerkl, W.: Tierkrankheiten und ihre Behandlung. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2. Auflg. (2004). Dick, M., Neiger, R.: Vomitus – Diagnostisches Vorgehen und symptomatische Therapie. In: Kleintier Konkret. März 2007. Kaiser, S.: Arzneitherapie bei Heimtieren. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2. Auflg. (2007). Kraft, W. Dosierungsvorschläge für Arzneimittel bei Hund und Katze. Schattauer Stuttgart. 2. Auflage 1999 Niemand, H., Suter, P.: Praktikum der Hundeklinik. Parey Berlin. 9. Auflg. (2001). Schrey, C.: Leitsymptome und Leitbefunde bei Hund und Katze. Schattauer Stuttgart (2001). Schrey, C.: Notfalltherapie bei Hund und Katze. Schattauer Stuttgart (2002).


Anschrift der Verfasserin

 

Tierärztin Sabine Wanderburg, Seeweg 5a, 23701 Süsel

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