Arzneimittel und Therapie

Hormonblockade bei resistentem Prostatakarzinom

Mit einem neuen Androgen-Rezeptor-Antagonisten wurden in einer klinischen US-Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom längerfristige Remissionen erzielt. MDV3100 ist im Gegensatz zu den bisherigen Antiandrogenen ein reiner Androgenrezeptor-Antagonist und blockiert die nukleäre Translokation des Androgenrezeptors. Er entwickelt keine agonistische Wirkung, falls es im Laufe der Behandlung zu einer Androgenrezeptor-Überexpression kommt. Ein Antiandrogenentzugseffekt wie nach Flutamid oder Bicalutamid ist nicht zu erwarten.

Lokal fortgeschrittene oder metastasierende Prostatakarzinome sind nicht mehr heilbar, ihr Wachstum kann jedoch verlangsamt werden. Die Hormontherapie (Hormonentzug; Androgendepletion) ist während einiger Jahre wirksam, bevor der Tumor kastrationsresistent wird (siehe Kasten). Als letzte Möglichkeit kann dann eine Chemotherapie durchgeführt werden. Zur Hormontherapie werden unter anderem GnRH-Agonisten (z. B. Buserelin), GnRH-Antagonisten (Abarelix) und nicht-steroidale Antiandrogen (z. B. Bicalutamid) eingesetzt. Eine neue Möglichkeit ist die Hormonblockade durch MDV3100, einer Substanz, die die nukleäre Translokation des Androgenrezeptors blockiert. MDV3100 ist ein reiner Androgen-Rezeptor-Antagonist. Er bindet stärker an den Rezeptor als Bicalutamid und entwickelt keine agonistische Wirkung, falls es im Laufe der Behandlung zu einer Androgen-Rezeptor-Überexpression kommt.

Das kastrationsresistente Prostatakarzinom


 

Die früher übliche Bezeichnung hormonrefraktär (also kein Ansprechen mehr auf eine Hormontherapie) sollte durch den Begriff kastrationsresistent ersetzt werden, da das unter einer Androgendeprivation fortschreitende Prostatakarzinom nicht hormonrefraktär, sondern weiterhin androgensensitiv ist. Durch einen Selektions- und Adaptationsprozess können in der Tumorzelle weiterhin ausreichend hohe intrazelluläre Androgenkonzentrationen aufrecht erhalten werden, um eine von der systemischen Androgenzufuhr unabhängige Stimulation des Tumorwachstums zu ermöglichen. Tumorzellen können in dieser Situation selbst vermehrt Androgene produzieren oder nach Amplifikation und Mutation des Androgenrezeptor-Gens oder durch veränderte Kofaktoren des Androgenrezeptors auch sehr niedere Androgenkonzentrationen zu vermehrtem Tumorwachstum nutzen.

Frühe klinische Studie

In einer Phase-I/II-Studie wurden Sicherheit und Wirksamkeit unterschiedlicher Dosierungen von MDV3100 untersucht. 140 Patienten mit fortgeschrittenem, metastasiertem und kastrationsresistentem Prostatakarzinom erhielten im Rahmen einer Dosis-Eskalation sechs unterschiedliche Dosen des oral verfügbaren Androgenrezeptor-Antagonisten MDV3100 (von 30 bis 600 mg). Der primäre Studienendpunkt waren Sicherheit und Verträglichkeit, ferner wurden die Antitumoreffekte (u. a. PSA-Werte, Biomarker, PET-Scans) festgehalten. Bei mehr als der Hälfte der Patienten kam es zu einem Rückgang des PSA-Wertes um mehr als 50%. Ferner wurden bei zwei Drittel der Betroffenen Remissionen oder eine Stabilisierung der Erkrankung festgestellt. Die durchschnittliche Zeit bis zum Krankheitsprogress lag bei 47 Wochen. Dies ist in etwa vergleichbar mit den Erfolgen einer Chemotherapie mit Docetaxel, der einzigen zytotoxischen Therapie mit einer nachgewiesenen lebensverlängernden Wirkung. Die maximal tolerierte Dosis lag bei 240 mg, die häufigste unerwünschte Wirkung war eine Fatigue, die nach einer Dosisreduktion zurückging.

In einer bereits initiierten Phase-III-Studie sollen weitere Daten gewonnen werden. MDV3100 wird hier bei kastrationsresistenten, mit Docetaxel vorbehandelten Patienten eingesetzt.

Quelle Scher H., et al.: Antitumour activity of MDV3100 in castration-resistant prostate cancer: a phase 1-2 study. Lancet online 15. April 2010. DOI:10.1016/S0140-6736(10)60172-9. Dahut W., et al.: Revisiting the ultimate target of treatment for prostate cancer. Lancet online 15. April 2010; DOI:10. 1016/1016/S0140-6736(10)60400-X.

 


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Unerwünschte Wirkungen einer Hormontherapie beim Prostatakarzinom.

 

Teilweise können die unerwünschten Wirkungen einer Hormontherapie mit Hilfe prophylaktischer und therapeutischer Maßnahmen abgeschwächt werden.

unerwünschte WirkungProphylaxe/Behandlung
Kastration
Libidoverlustkeine
erektile DysfunktionPhosphodiesterasehemmer, intrakavernöse Injektionen (ICI, SKAT) MUSE, Vakuumpumpen, Penisimplantate
Hitzewallungen (55 – 80% aller Patienten unter einer Hormontherapie)Cyproteronacetat, Antidepressiva (Venlafaxin), Clonidin
Gynäkomastie und Brustschmerz (50% bei kompletter Androgenblockade, 10 bis 20% nach Kastration)prophylaktische Bestrahlung, Mastektomie, Tamoxifen (off-label-use)
Zunahme des Körperfettskörperliche Aktivität/Sport, Ernährungsberatung
Muskelabbaukörperliche Aktivität/Sport
Anämie (schwere Form bei 13% nach kompletter Androgenblockade)Transfusion bei symptomatischer Anämie, Erythropoese-stimulierende Substanzen unter sorgfältiger Abwägung der Risiken
Reduktion der Knochendichtekörperliche Aktivität/Sport, Calcium und Vitamin D, Bisphosphonate bei Osteoporosenachweis
Abnahme kognitiver FähigkeitenGehirntraining
Östrogene 
Erhöhung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse (akuter Myokardinfarkt, chronische Herzinsuffizienz, cerebrovaskuläre Ereignisse, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie)gegebenenfalls Antikoagulation
steroidale Antiandrogene 

Libidoverlust, erektile Dysfunktion

Gynäkomastie (selten)

Phosphodiesterasehemmer, intrakavernöse Injektionen (ICI, SKAT) MUSE, Vakuumpumpen, Penisimplantate
nicht-steroidale Antiandrogene 
Gynäkomastie (49 – 66%), Brustschmerz (40 – 72%), Hitzewallungen (9 – 13%)prophylaktische Bestrahlung, Mammektomie, 
Tamoxifen bzw. Aromatasehemmer (Off-label-use)

 

Quelle: www.awmf-online.de Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms; Stand 2009.

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