Arzneimittel und Therapie

Krebs durch chronische Entzündungsreaktion?

Entzündungsreaktionen sind Ausdruck eines aktivierten Immunsystems und können dazu beitragen, der Entstehung von Tumoren entgegenzuwirken. Aber chronische Entzündungen können einer Krebsentstehung den Weg bahnen. Gut dokumentiert ist dies vor allem im Gastrointestinaltrakt.

Entzündungszellen sind im Körper maßgeblich daran beteiligt, Krebszellen unschädlich zu machen. Verlaufen Entzündungen aber chronisch, so bewirken sie das Gegenteil: Sie begünstigen die Krebsentstehung. Gut dokumentiert ist das bei Tumoren im Gastrointestinaltrakt. Denn das Risiko ein Kolonkarzinom zu entwickeln, ist zum Beispiel bei Vorliegen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung deutlich gesteigert und bei chronischer Hepatitis kommt es überproportional häufig zu einem hepatozellulären Karzinom. Entsprechende Zusammenhänge werden beim Ösophagus- und beim Pankreaskarzinom gesehen und auch beim Magenkrebs, bei dem die chronische Entzündung durch den Helicobacter pylori bedingt ist.

Eine anhaltende Entzündungsaktivität erleichtert bei bestehender Krebserkrankung außerdem die Bildung von Metastasen. Denn im entzündeten Gewebe können sich Krebszellen leichter aus dem Zellverband lösen, über die Blutbahn in andere Gewebe gelangen und sich dort absiedeln.

Chemoprävention ist keine Utopie

Basis der Zusammenhänge dürfte eine individuelle genetische Prädisposition sein. Das würde auch erklären, warum bestimmte Menschen auf anhaltende Entzündungen mit einem Tumor reagieren, andere dagegen nicht. Die Prädisposition scheint auf bestimmten genetischen Polymorphismen und deren Interaktionen untereinander sowie mit Umweltreizen zu beruhen, wobei die für die jeweiligen Tumore maßgeblichen SNPs (Single Nucleotid Polymorphisms) bislang noch nicht genau bekannt sind. Von ihrer Erforschung versprechen die Wissenschaftler sich die Möglichkeit, völlig neuartige Ansätze für eine Chemoprävention erarbeiten zu können. Bis dahin muss aber wohl noch ein langer Weg zurückgelegt werden, wenngleich es erste Hinweise dafür gibt, dass die Chemoprävention keine Utopie ist, sondern auf dem Weg, zumindest in Ansätzen Realität zu werden. Dabei spielt die Entzündungshemmung eine zentrale Rolle. Denn es gibt Befunde, dass Patienten nach einer Polypektomie weniger häufig erneut Darmpolypen entwickeln, wenn sie regelmäßig nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAIDs) einnehmen und dass sich das ansonsten erhöhte Krebsrisiko bei der Colitis ulcerosa durch die konsequente Einnahme von Mesalazin reduzieren lässt.

Quelle Prof. Dr. Jörg Emmrich, Rostock; Prof. C. Richard Boland, Dallas; Prof. Dr. Nadir Arber, Tel Aviv: Falk Symposium 173 "From Chronic Inflammation to Cancer", Brno/Tschechien, 4. bis 5. Juni 2010, veranstaltet von der Falk Foundation e.V., Freiburg

 


Medizinjournalistin Christine Vetter

Zum Weiterlesen


Darmkrebs erkennen, vorbeugen und behandeln

DAZ 2009, Nr. 11, S. 48 – 51.


Kolorektalkarzinom: Die Suche nach einer wirkungsvollen Chemoprävention

DAZ 2006, Nr. 9, S. 55 – 57.


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