Medizin

Tiefe Hirnstimulation mit neuer Technik

Wenn die medikamentöse Therapie bei Morbus Parkinson ihre Grenzen erreicht, dann besteht mit der Tiefen Hirnstimulation die Option, die Hirnareale zu beeinflussen, die für die typischen Parkinsonsymptome verantwortlich sind. Am Universitätsklinikum Bonn wird dieses Verfahren mit einem neuartigen Zielgerät durchgeführt, bei dem der Kopf nicht mehr in einen starren Metallrahmen gespannt werden muss. Das soll die Operationsbedingungen für den Patienten und damit die Akzeptanz des Verfahrens verbessern.
Operationstechniken bei Tiefer Hirnstimulation Herkömmliche rahmenbasierte Operation mit Fixierung des Schädels bei der Tiefen Hirnstimulation – der Kopf kann während der Operation nicht bewegt werden (oben links). Neuartige Operations-Methode mit dem neuronavigierten Zielsystem – der Kopf ist während der Operation frei beweglich (Mitte und unten links).
Fotos: Uni Bonn

Die Parkinson-Krankheit (ältere Bezeichnung auch Paralysis agitans = Schüttellähmung) wurde erstmals von dem englischen Arzt James Parkinson im Jahre 1817 beschrieben [1]. Sie ist durch das Absterben von Nervenzellen mit dem Botenstoff Dopamin in der Substantia nigra, einer melaninhaltigen Struktur im Mittelhirn, bedingt. Der Mangel an Dopamin führt zu einem Ungleichgewicht in der Funktion der tiefen Kerngebiete (Basalganglien) und letztlich zu einer Verminderung der aktivierenden Wirkung auf die Großhirnrinde, hier insbesondere in den Hirnregionen, die Bewegungen planen und steuern. Erste Krankheitszeichen fallen erst auf, wenn mehr als 70% dieser dopaminergen Zellen abgestorben sind.

Die Erkrankung beginnt meist zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr (Gipfel um das 60. Lebensjahr). Ein Parkinson-Syndrom kann selten bereits vor dem 40. Lebensjahr auftreten. Die Manifestationsrate der Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter bis etwa zum 75. Lebensjahr an, dann nimmt sie wieder ab. In Deutschland wird derzeit von etwa 400.000 Betroffenen ausgegangen.

Klinik und Diagnostik

Die Hauptsymptome sind Muskelstarre (Rigor), verlangsamte Bewegungen (Bradykinese) bis hin zu Bewegungslosigkeit (Akinese), Muskelzittern (Tremor) sowie eine Haltungsinstabilität (posturale Instabilität). Daneben sind verschiedene sensible, vegetative, psychische und kognitive Störungen möglich.

Der Begriff Parkinson-Syndrom ist der Oberbegriff für Erkrankungen mit den oben genannten Leitsymptomen. Die wichtigste und mit ca. 75% häufigste Erkrankung ist der "eigentliche", sogenannte idiopathische Morbus Parkinson (das heißt ohne bekannte äußere oder genetische Ursache).

Die Erkrankung beginnt meist schleichend und schreitet dann zeitlebens fort, die Symptome werden im Verlauf stärker und daher dann auch besser erkennbar. Das idiopathische Parkinsonsyndrom beginnt typischerweise einseitig und bleibt im Verlauf auch einseitig stärker. Als Frühzeichen gilt z. B. das reduzierte und später fehlende Mitschwingen eines Armes beim Laufen. Es vermindert sich auch das Muskelspiel, welches den Gesichtsausdruck bestimmt (Hypomimie), die Geschicklichkeit der Hände lässt nach und das Schriftbild wird kleiner (Mikrografie), das Gangbild wird kleinschrittig und schlurfend. Auch eine Minderung des Geruchssinns (Hyposmie) ist häufig und kann der Parkinsonkrankheit oft als initiales Symptom vorausgehen. Nicht selten treten auch Schulterschmerzen und einseitige Muskelverspannungen auf, die den Patienten zuerst zum Orthopäden führen. Später kann es durch eine extreme Tonuserhöhung der Muskulatur z. T. zu bizarren gekrümmten Fehlhaltungen des Körperstammes kommen (Kamptokormie).

Der Ruhetremor ist typisch für das idiopathische Parkinson-Syndrom. Ein Tremor ist oft das augenfälligste Symptom, tritt aber auch als essentieller Tremor oder bei Kleinhirnerkrankungen usw. auf, so dass er zu Fehldiagnosen verleiten kann.

Die unterschiedlichen Symptome können beim einzelnen Erkrankten unterschiedlich stark ausgeprägt sein oder auch ganz fehlen, Auftreten und Stärke wechseln im Tagesverlauf. Man unterscheidet daher die Verlaufsformen des Morbus Parkinson vom akinetisch-rigiden Typ, vom tremordominanten und vom Äquivalenz-Typ.

Die Tatsache, dass die Symptomatik der Parkinson-Krankheit durch L-Dopa positiv beeinflussbar ist, lässt sich diagnostisch nutzen. Beim sogenannten L-Dopa-Test wird die Schwere der Symptomatik mittels eines standardisierten Tests (meist der motorische Teil der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale = UPDRS) festgehalten. Es folgt die Gabe einer definierten Menge an L-Dopa, meist das 1,5-fache der Vormedikation, anschließend wird die Symptomatik erneut erfasst. Eine signifikante Verbesserung (z. B. >30% der UPDRS) der Symptomatik stützt, beweist jedoch nicht die klinische Diagnose eines idiopathischen Parkinson-Syndroms, sondern nur die Dopa-Sensitivität des Zielsymptoms.

Therapiemöglichkeiten

Es gibt heute noch keine Möglichkeit einer ursächlichen Behandlung des Parkinson-Syndroms, die in einem Verhindern oder zumindest einem Aufhalten der fortschreitenden Degeneration der dopaminergen Nervenzellen bestünde.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Behandlung erfolgt hauptsächlich durch die Gabe einer dopaminergen Medikation, das heißt, Medikamenten, die zu einer Erhöhung des Dopamin-Angebots im Gehirn führen bzw. Arzneistoffen, welche das fehlende Dopamin ersetzen. Das wichtigste Medikament ist L-Dopa (Levodopa), eine Vorstufe des Dopamins. Diese Vorstufe kann im Gegensatz zum Dopamin die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Nach mehrjähriger Einnahme von L-Dopa können aber auch ungewollte Nebenwirkungen häufig z. B. unwillkürliche Bewegungen (Dyskinesien) auftreten.

Deswegen empfehlen einige Autoren, besonders bei jüngeren Patienten zu Beginn der Parkinson-Krankheit die Behandlung mit einem länger wirkenden Dopaminagonisten. Dopaminagonisten ahmen an den Dopamin-Rezeptoren die Wirkung von Dopamin nach. Hierzu zählen die klassischen Mutterkornalkaloide (Bromocriptin, Cabergolin, Dihydroergocryptin, Lisurid und Pergolid) und die neueren selektiven D2 -Rezeptoragonisten (Piribedil, Pramipexol, Ropinirol und Rotigotin). Die verschiedenen Präparate unterscheiden sich in ihrer Wirkdauer, im Wirkeintritt, in ihrer Galenik und in ihrem Nebenwirkungsprofil.

Mit sogenannten MAO-B-Hemmern (Selegilin, Rasagilin) wird der Abbau von Dopamin im Gehirn verlangsamt. Hemmstoffe der Catechol-O-Methyltransferase, so genannte COMT-Hemmer (Entacapon, Tolcapon), hemmen den Abbau der Dopaminvorstufe L-Dopa zu inaktiven Metaboliten. Dadurch erhöhen sie bei der gemeinsamen Einnahme mit Levodopapräparaten die Verfügbarkeit von Levodopa und verlängern seine Plasmahalbwertszeit. Diese Kombinationstherapie kann zu Einsparungen bei der Dosierung von Levodopa führen und somit das Nebenwirkungsprofil positiv beeinflussen.

Tiefe Hirnstimulation

Die Tiefe Hirnstimulation hat sich bereits als Therapie von Bewegungsstörungen bei Parkinson seit Anfang der Neunzigerjahre etabliert [2, 3, 4]. Etwa 20% der Parkinson-Patienten werden Kandidaten für die Operation.Dabei wird dem Patienten ein Impulsgenerator ("Hirnschrittmacher") eingesetzt, wobei ähnlich einem Herzschrittmacher schwache elektrische Impulse diejenigen Hirnareale blockieren, die für die typischen Symptome der Parkinson Krankheit verantwortlich sind. Der Schrittmacher erzeugt elektrische Impulse und leitet sie über dünne Kabel, je nach Lokalisation der Krankheitsursache und entsprechender Platzierung der Stimulationselektroden, in die jeweiligen Basalganglien. Typische Zielgebiete für die Stimulation sind der Nucleus subthalamicus, der Globus pallidus internus oder der ventrolaterale Thalamus, in denen überaktive Fehlimpulse wirksam beeinflusst werden können. Dieses Verfahren kommt bei Parkinson-Syndromen, daneben aber auch bei Dystonien und Tremoren in Frage, wenn die medikamentöse Therapie ihre Grenzen erreicht hat oder aus anderen Gründen nicht oder nur eingeschränkt einsetzbar ist.

Bei dem Eingriff zur Elektrodenplatzierung handelt es sich um eine technisch aufwändige, aber heute nicht mehr risikoreiche stereotaktische Gehirnoperation, die je nach Zielgebiet rund sechs Stunden dauern kann und sowohl im Vorfeld als auch während der Operation genaueste Planung und Kontrolle anhand von radiologisch gewonnenen dreidimensionalen Bilddaten und elektrisch abgeleiteten neurophysiologischen Messwerten erfordert. Über ein kleines Bohrloch im Schädel werden die Elektroden punktgenau in die fehlgesteuerte Hirnregion vorgeführt. Während dieses Eingriffs ist der Patient wach, da nur so die Wirksamkeit der Therapie überprüft werden kann. Üblicherweise ist dabei der Kopf des Patienten in einem festen Metallrahmen eingespannt, der den Kopf wie eine Schraubzwinge hält. Daher können während der mehrstündigen Operation Kopf und Hals nicht bewegt werden. Bei diesem herkömmlichen Verfahren ist der am Kopf befestigte Metallrahmen dabei wesentlich für die Zielgenauigkeit.


Neue Technik Prof. Dr. Volker Coenen mit dem Zielsystem für schonenderes Operieren, welches seit Januar an der Uni Bonn eingesetzt wird.
Foto: Saba, Uni Bonn

Neue schonende Implantationstechnik

Das Universitätsklinikum Bonn ist derzeit das einzige Zentrum in Deutschland, das dieses Verfahren nun mit einem neuartigen Zielgerät durchführt. Als Vorteil für den Patienten ist der Kopf nicht mehr starr in einen Metallrahmen eingespannt. Der Patient kann Nacken und Kopf während des Eingriffs frei bewegen bei gleichbleibender Zielgenauigkeit. Bei dem neuen Zielgerät übernimmt ein externer Navigator mit Kamera die exakte Ausrichtung und Führung der Elektroden. Das Bonner Team erhofft sich durch die für den Patienten deutlich angenehmere Operation eine insgesamt höhere Akzeptanz der Tiefen Hirnstimulation. Die Implantation des batteriebetriebenen Impulsgenerators selbst und dessen Kabelverbindung zur Stimulationselektrode wird in der Regel in Vollnarkose vorgenommen. Das Gerät mit einem hermetisch abgekapselten inerten Metall-Gehäuse wird dabei, je nach seiner modellabhängigen Größe und der Physiognomie des betreffenden Patienten, in einer hierzu präparierten Hauttasche oberhalb des Brustmuskels oder unter die Bauchdecke eingesetzt.

Schnell eintretende Wirkung

Die Wirkung ist zumeist rasch eintretend und sehr positiv für die Patienten, es können jedoch vorübergehende oder länger andauernde Nebenwirkungen wie z. B. eine Dysarthrie (Störung der Sprechmotorik), Verkrampfungen (Dystonie) oder ein meist auf ein Jahr begrenzter abnorm gesteigerter Antrieb auftreten. Ein entscheidender Vorteil der Methode gegenüber früheren "ablativen" (zerstörenden) Verfahren liegt allerdings in der nahezu vollständigen Reversibilität derartiger Nebenwirkungen.

Nach dem Eingriff folgt eine Phase, in der die Stimulationseinstellungen des Impulsgebers individuell an die Symptome des Patienten angepasst und im Gerät programmiert werden. Sie kann durchaus mehrere Wochen in Anspruch nehmen und während dieser Zeit können auch noch vereinzelt die oben genannte Nebenwirkungen auftreten, weil sich das Gehirn des Patienten erst noch an die Stimulation von außen "gewöhnen" muss.

Die Patienten erhalten anschließend ein spezielles Kontrollgerät, welches ihnen ermöglicht, selbstständig den Ladungszustand der Batterie regelmäßig zu überprüfen, den Stimulator bei Bedarf ein- und auszuschalten sowie bei einigen Modellen (nach vorheriger Schulung) auch die Stimulationseinstellungen des Impulsgebers innerhalb bestimmter voreingestellter Grenzbereiche selbst der jeweiligen Situation entsprechend anzupassen. Diese Kontrollgeräte arbeiten transkutan mittels magnetischer Impulse.

Je nach Einstellung des Impulsgenerators und ihrer Kapazität, halten die verwendeten Batterien das Gerät über drei bis fünf Jahre in Betrieb. Zur Fortsetzung der Tiefen Hirnstimulation ist dann ein weiterer kurzer operativer Eingriff nötig, bei dem das alte Gerät entfernt und durch ein komplett neues Gerät ersetzt wird.

Literatur [1] Parkinson: An Essay on the Shaking Palsy. Whittingham & Rowland (London) 1817 [2] Benabid et al.: Deep brain stimulation of the subthalamic nucleus for Parkinsons disease: methodologic aspects and clinical criteria. Neurology 2000; 55 (12 Suppl 6): S40 – 4 [3] Deuschl et al.: A randomized trial of deep brain stimulation, NEJM 2006; 355: 896 – 908 [4] Coenen et al.: What is dorso-lateral in the subthalamic Nucleus (STN)? – atopographic and anatomical consideration on the ambiguous description of todays primary target for deep brain stimulation (DBS) surgery. Acta Neurochir (Wien) 2008;150: 1163 – 5

 


Autoren

Privatdozent Dr. Jan P. Boström, 
Universitätsprofessor Dr. Volker A. Coenen, 
Stereotaxie und MR-basierte Operationsverfahren, 
Klinik für Neurochirurgie, 
Sigmund-Freud-Straße 25, 
53105 Bonn

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