Selbstmedikation

Weder Nutzen noch Schaden von L-Methionin belegt

Ob Patienten mit einer neurogenen Blasenstörung von L-Methionin profitieren, ist unklar. Die einzige derzeit verfügbare Studie liefert weder Belege für einen Nutzen noch Belege für einen Schaden. Zu diesem Ergebnis kommt der am 12. Juli 2010 veröffentlichte Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
Kein Nutzen Das IQWiG sieht für L-Methionin weder bei der Behandlung von Patienten mit neurogenen Blasenstörungen, noch für die Prophylaxe und Behandlung von Harnwegsinfektionen einen Beleg für einen Nutzen oder Schaden.
Foto: DAK/Wigger

Bei einer neurogenen Blasenentleerungsstörung ist die normale Harnblasenfunktion aufgrund einer Schädigung im Nervensystem gestört. Ein erhöhtes Risiko für eine neurogene Blase besteht bei angeborenen Erkrankungen, die sich auf das Rückenmark und die Funktion der Harnblase auswirken, Tumore im Rückenmark oder Operationen im kleinen Becken können ebenso wie eine traumatische Querschnittlähmung oder zentrale degenerative Erkrankungen die normale Funktion der Nervenfasern unterbinden. Betroffene spüren oft keinen oder ständigen Harndrang, können nicht mit der Ausscheidung beginnen oder die Blase von der Entleerung abhalten. Folgen können Inkontinenz und rezidivierende Harnwegsinfekte sein, die sich zu Nierenentzündungen ausweiten können. Die medikamentösen Behandlungen richten sich häufig an die Muskeln, die an der Harnspeicherung und der Entleerung der Blase beteiligt sind. Eingesetzt werden u.a. Anticholinergika, Alphablocker oder Vasopressin-Analoga. Mit der Aminosäure L-Methionin wird ein anderes Prinzip verfolgt: Methionin entfaltet seine Wirkung über die Ansäuerung des Urins. Der niedrigere pH-Wert soll das Bakterienwachstum und das Anhaften von Bakterien an der Blasenwand verhindern und so dazu beitragen, Harnwegsinfekte zu heilen und das Auftreten neuer zu verhindern. Auch soll die Neubildung von Harnsteinen gebremst und die Wirkung von Antibiotika verbessert werden, die ihr Optimum in saurem Urin entfalten. Die Bewertung durch das IQWiG wurde auf Grundlage randomisierter kontrollierter Studien durchgeführt. Durch eine systematische Literaturrecherche konnte nur eine placebokontrollierte Studie mit insgesamt 89 Patienten mit Querschnittslähmung identifiziert werden, die den IQWiG-Kriterien entsprach. Studien mit aktiven Vergleichsbehandlungen lagen nicht vor. Wichtige Aspekte von Design und Durchführung dieser placebokontrollierten Studie blieben unklar. Nach Einschätzung des IQWiG sind die Ergebnisse der Studie deshalb in hohem Maße anfällig für Verzerrungen. Der Sponsor der Studie, zugleich Hersteller eines L-Methionin-Präparats, hatte angeforderte zusätzliche Informationen nicht zur Verfügung gestellt. Zu den meisten Zielgrößen wie etwa Sterblichkeit, Krankenhausaufenthalte, sonstige Komplikationen oder Lebensqualität liefert die Studie keine Daten. Was die unerwünschten Ereignisse betrifft, treten in beiden Behandlungsgruppen ähnlich hohe Raten auf, so dass kein Beleg für einen Schaden von L-Methionin vorliegt. Bei den Harnwegsinfektionen werden zwei Zielgrößen zusammengefasst: Patienten, die lediglich eine erhöhte Keimzahl im Urin aufwiesen und Patienten, die sowohl eine bestimmte Keimzahl als auch klinische Symptome, wie z. B. Fieber, zeigten. Laut Leitlinien ist eine erhöhte Keimzahl allein jedoch nicht bedeutsam und deshalb auch nicht behandlungsbedürftig. Erst die Kombination mit klinischen Symptomen macht eine erhöhte Keimzahl zu einem sogenannten patientenrelevanten Endpunkt. Da die Studie aber keine getrennte Auswertung für die Gruppe mit Symptomen liefert, sind die Ergebnisse für das IQWiG nicht aussagekräftig. Somit sieht das IQWiG auch in Hinblick auf die Harnwegsinfektionen keinen Beleg für einen Nutzen.

Quelle Abschlussbericht Nr. 72 des IQWiG vom 12. Juli 2010: L-Methionin bei Patienten mit neurogenen Blasenstörungen.

 

ck

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