Rezepturen

Rezepturprobleme erkennen und lösen

Ein Handlungsvorschlag für den Apothekenalltag

Von Gerd Wolf

Die Herstellung von Rezepturen ist ein komplexer Vorgang mit vielen potenziellen Fehlerquellen. Dies gilt besonders für Rezepturen, die nicht auf standardisierten Vorschriften beruhen. Gemäß Umfragen von Apothekerkammern sind etwa 80 bis 90 Prozent aller verordneten Rezepturen frei komponiert und damit anfällig für vielfältige Kompatibilitäts- und Stabilitätsprobleme. Am Beispiel einer glucocorticoidhaltigen Rezeptur stellt Dr. Gerd Wolf ein strukturiertes Vorgehen für die Fehlersuche vor und unterbreitet Lösungsmöglichkeiten.

Abb.1: Leitfaden Wesentliche Schritte zur Suche nach Rezepturproblemen und deren Lösungen.

Da bei Individualrezepturen verschiedene Probleme in komplexer Weise zusammenwirken können, sollte die Fehlersuche einem klaren Schema folgen. Im Apothekenalltag benutzt der Autor dazu einen Leitfaden (siehe Abb. 1) und mehrere Tabellen, die hier nur auszugsweise abgedruckt werden können. Alle in diesem Beitrag erwähnten Tabellen können hier als pdf-Dateien heruntergeladen werden. Die grundlegende Vorgehensweise wird am Beispiel der folgenden Rezeptur beschrieben:

Dermoxin®- Creme 45,0g
Harnstoff 5,0g 
Eucerin®cum aqua ad 100,0g

Bestandteile von Dermoxin® -Creme sind Clobetasol-17-propionat 0,05%, Cetylstearylalkohol, Chlorocresol, Glycerolmonostearat-Macrogolstearat 5000 (1:1), Glycerolmonostearat, Propylenglycol, synthetisches Bienenwachs, Natriumcitrat, Citronensäure-Monohydrat und gereinigtes Wasser.

Konzept

Die Verordnung folgt dem Konzept einer Verdünnungsrezeptur. Dabei soll eine glucocorticoidhaltige wasserhaltige O/W-Emulsion mit einer wirkstofffreien lipophilen Creme verdünnt werden. Der Harnstoff soll die Absorption und Penetration fördern. Bei der Bewertung von Rezepturkonzepten helfen die Tabellen 1 und 2, die wie alle weiteren, nicht abgedruckten Tabellen hier zum Download bereit stehen. Im Beispiel erweist sich die Auswahl der Vehikelsysteme nicht als schlüssig.

Auswahl des Glucocorticoids

Der Wirkstoff Clobetasol-17-propionat des Fertigarzneimittels gehört gemäß der Einteilung von Niedner zur Klasse IV, also zu den sehr stark wirksamen Glucocorticoiden [1]. Daher empfiehlt der Hersteller der Dermoxin® -Creme nur eine Anwendungsdauer von zwei Wochen. Der Wirkstoff ist indiziert bei akuten, stark entzündlichen oder bei schweren, schubartig auftretenden, chronischen Hauterkrankungen, z. B. bei Neurodermitis oder Psoriasis. In der Rezeptur wird das Corticoid mit einer wirkstofffreien Grundlage um die Hälfte verdünnt. Möglicherweise wollte der Verordner damit die unerwünschten Wirkungen verringern. Denn extern angewendete Glucocorticoide reichern sich bei regelmäßigem Auftragen im Stratum corneum an. So wird ein Depot aufgebaut, aus dem das Steroid auch noch nach dem Absetzen in die darunter liegende Epidermis diffundiert. Doch dies macht die Verdünnung und die damit verknüpften Hoffnungen auf Abmilderung der Nebenwirkungen weitgehend zunichte.

Als Alternative käme ein weniger starkes Glucocorticoid der Klasse II oder III mit angepasster Applikationsweise in Betracht, insbesondere Hydrocortison-17-butyrat (Alfason®), Methylprednisolon-aceponat (Advantan®), Mometason-furoat (Ecural®) oder Prednicarbat (Dermatop®). Für diese Corticoide hat eine Kommission der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) aufgrund von Literaturangaben ein besonders positives Verhältnis von erwünschten zu unerwünschten Wirkungen ermittelt und in einem sogenannten "Therapeutischen Index (TIX-Wert)" ausgedrückt [6]. Außerdem lässt sich mit diesen vier Glucocorticoiden mit dem höchst möglichen TIX-Wert 2 die seit Kurzem propagierte "proaktive Therapie" durchführen. Dabei wird nach dem Abklingen der äußerlich sichtbaren Symptome noch zweimal pro Woche weiter behandelt, um einen erneuten Schub von Neurodermitis oder Psoriasis so weit wie möglich hinauszuschieben.

Einsetzbarkeit von Harnstoff

Harnstoff gehört zu den am häufigsten eingesetzten Moisturizern. In Konzentrationen von 5 bis 10 Prozent werden insbesondere die Wasser bindenden oder Wasser haltenden Eigenschaften des Harnstoffs genutzt. Ab 10 Prozent dominieren die keratolytischen Wirkungen. Für hydrophile Cremes mit 20 Prozent Harnstoff werden im KosmetikBereich sogar eine Antifalten-Wirkung oder ein Abblassen von Altersflecken beansprucht. Wasserfreie Zubereitungen mit 40 Prozent Harnstoff dienen zum Ablösen von Nagelmaterial. Harnstoff wirkt außerdem leicht antimikrobiell und juckreizstillend. Zusammen mit extern angewendeten Glucocorticoiden fördert er die Penetration [3]. Doch erscheint fraglich, ob eine solche Penetrationsförderung bei dem hier eingesetzten, ohnehin sehr stark wirksamen Glucocorticoid überhaupt wünschenswert ist.

Obere Richtkonzentrationen

Die Konzentration von Clobetasol-17-propionat in der Dermoxin® -Creme entspricht mit 0,05 Prozent der oberen Richtkonzentration gemäß der diesbezüglichen Tabelle im Neuen Rezeptur-Formularium (NRF, siehe Tab. 3 der pdf-Datei). Durch die Verdünnung wird diese Konzentration um etwas mehr als die Hälfte reduziert.

Sollte die obere Richtkonzentration in einer Rezeptur überschritten werden, liegt gemäß § 17 Absatz 5 ApBetrO eine unklare Verordnung vor, die nicht angefertigt werden darf, bevor diese Unklarheit mit dem Verordner geklärt worden ist. Sollte dieser auf der Überdosierung bestehen, muss er diese Absicht auf dem Rezept mit einem Ausrufezeichen hinter der Menge kennzeichnen. Um mögliche spätere Haftungsansprüche des Patienten abwehren zu können, sollte bei einer telefonischen Klärung in der Apotheke eine Telefonnotiz mit Tag, Uhrzeit und Inhalt des Gesprächs angefertigt werden.


 

Stabilität von Clobetasol-17-propionat

Clobetasol-17-propionat ist ein Ester, der abhängig vom pH-Wert hydrolytisch gespalten werden kann. Die meisten extern eingesetzten Glucocorticoide sind nur in Form solcher Ester ausreichend lipophil, um von der Haut absorbiert werden zu können (siehe Tab. 4). Beispielsweise wird die antiinflammatorische Wirkung von Betamethason durch die Veresterung mit einem Valerat-Rest um das Dreihundertfache verstärkt [2]. Daher muss die ursprüngliche Esterstruktur in Rezepturen erhalten bleiben. Dazu muss der für die Stabilität des jeweiligen Esters optimale pH-Bereich bei jeder wasserhaltigen Rezeptur berücksichtigt werden. Das pH-Stabilitätsoptimum von Clobetasol-17-propionat liegt bei pH 4 bis 6 [5] (siehe Tab. 5). Solche Daten sind neben vielen weiteren wirkstoffbezogenen Angaben auch in den Wirkstoffdossiers der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) zu finden (siehe http://www.gd-online.de/german/veranstalt/images2010/GD_Wirkstoffdossiers_Version_19.11.2009.pdf).

Im Fertigarzneimittel Dermoxin® -Creme wird das Stabilitätsoptimum offensichtlich durch den Einsatz eines Citrat-Puffers gewährleistet. Die beiden Hilfsstoffe Natriumcitrat und Citronensäure deuten auf ein pH-Milieu von 4 bis 5 hin.

Stabilität von Harnstoff

In wässriger Lösung gilt Harnstoff als nicht stabil [4]. Schon während der ersten Zersetzungsvorgänge steigt der pH-Wert der Lösung an und beschleunigt so den weiteren Abbau. Die Zwischenprodukte sind zwar nicht toxisch, aber der steigende pH-Wert kann die chemische Stabilität anderer Rezepturbestandteile beeinträchtigen. Dies betrifft auch Clobetasol-17-propionat.

Das pH-Stabilitätsoptimum von Harnstoff liegt bei pH 6,2 (siehe Tab. 5). Um die Zersetzung für einen möglichst langen Zeitraum zu unterdrücken, wird ein leicht saurer Puffer benötigt. Das Neue Rezeptur-Formularium (NRF) benutzt für wasserhaltige Zubereitungen mit Harnstoff einen Lactat-Puffer mit einem pH-Wert von 4,2 (Milchsäure 1%, 50-%ige Natriumlactat-Lösung 4%, jeweils bezogen auf die Gesamtzubereitung). Dies passt zugleich zum pH-Stabilitätsoptimum von Clobetasol-17-propionat (pH 4 bis 6). Der vom NRF-Labor geprägte Begriff des "rezeptierbaren pH-Bereichs" umfasst weite Grenzbereiche, in denen der Wirkstoff gerade noch stabil sein kann. Doch können die pH-Wirkoptima bei einzelnen Wirkstoffen wesentlich enger gefasst sein als die Stabilitätsoptima. Der "rezeptierbare pH-Bereich" kann daher über Inkompatibilitäten hinwegtäuschen. Liegen die pH-Stabilitätsoptima von Wirkstoffen in Kombinationsrezepturen um mehr als 1,5 pH-Stufen auseinander, sollten stattdessen getrennte Zubereitungen erwogen werden. Diese müssten vom Patienten alternierend im Abstand von mehreren Stunden aufgetragen werden.

Inkompatibilitäten durch Ionenreaktionen

Clobetasol-17-propionat gehört zu den nichtionischen Wirkstoffen (siehe Tab. 6), die in wasserhaltigen Zubereitungen keine Ionenreaktionen eingehen können. Dagegen können Wirkstoffe kationischer und anionischer Natur (siehe Tab. 7 und 8) in wasserhaltigen Zubereitungen spontan miteinander zu salzähnlichen Verbindungen reagieren, die keinerlei Wirkung besitzen. Auch in solchen Fällen können nur zwei getrennte Zubereitungen hergestellt werden, die der Patient alternierend mit großem zeitlichem Abstand aufträgt.

Derartige Ionenreaktionen können auch zwischen kationischen Wirkstoffen und anionischen Hilfsstoffen (siehe Tab. 9) ablaufen, wie zwischen Ethacridinlactat und Natriumcetylstearylsulfat, das in der "Wasserhaltigen hydrophilen Salbe (Ungt. emulsificans aquosum) DAB" enthalten ist. Wirk- und Hilfsstoff verlieren dabei ihre Funktion. Abhilfe schafft der Einsatz einer nichtionischen Grundlage.

 

Abb. 2: Bindungsmöglichkeiten phenolischer und grenzflächenaktiver Wirkstoffe oder Konservierungsmittel an Mizellen nichtionischer Tenside durch Solubilisation (links) oder Mischmizellbildung (rechts). [nach Thoma K, Apothekenrezeptur und -defektur, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart]

Inkompatibilitäten durch phenolische ...

Phenolische Wirkstoffe (siehe Tab. 11) können in wasserhaltigen Zubereitungen mit macrogolhaltigen Emulgatoren (siehe Tab. 12) und Celluloseether-haltigen Hydrogelbildnern (s. Tab. 6) zu einer semipolaren Verbindung reagieren. Das Ergebnis ist wiederum der Funktionsverlust beider Reaktionspartner.

Außerdem kann es zu einer mizellaren Bindung des Wirkstoffs infolge Solubilisation oder Mischmizellbildung durch das Tensid bzw. durch den Emulgator kommen (siehe Tab. 14).

… und grenzflächenaktive Wirk- und Hilfsstoffe

Vorwiegend physikalisch-chemische Reaktionen treten auf, wenn grenzflächenaktive Wirkstoffe (siehe Tab. 15) in wasserreiche lipophile Cremes bzw. W/O-Cremes (siehe Tab. 16) eingearbeitet werden. Dies führt ebenfalls zum Brechen der W/O-Emulsion. Als Problemlösung kann die wasserreiche lipophile Creme bzw. W/O-Creme, beispielsweise Eucerin® cum aqua, gegen eine Wasser aufnehmende Salbe vom W/O-Typ bzw. eine wasserfreie W/O-Absorptionssalbe wie Eucerinum® anhydricum ausgetauscht werden. Die zweitbeste Alternative wäre der Einsatz einer wasserarmen lipophilen Creme (siehe Tab. 17).

Das Mischen von O/W-Cremes und W/O-Cremes [7] führt jedoch in der Regel zu Inhomogenitäten, die mit bloßem Auge oder unter dem Mikroskop erkennbar sind, oder die sogar zum Brechen der Emulsion führen. Ein solches Kompatibilitätsproblem besteht bei der Beispielrezeptur.

Grundlagen in der Beispielrezeptur

Die in der Dermoxin® -Creme eingesetzte Grundlage stellt gemäß Europäischem Arzneibuch (Ph. Eur.) eine nichtionische macrogolhaltige hydrophile Creme bzw. O/W-Creme dar. Eine O/W-Emulsion ist grundsätzlich indiziert bei einer akuten Hauterkrankung und bei Vorliegen einer normalen, feuchten oder fetten Haut (siehe auch Tab. 1 und 2).

Die wirkstofffreie, zum Verdünnen ausgewählte Grundlage ist gemäß Ph. Eur. eine lipophile Creme bzw. W/O-Creme, genauer eine wasserhaltige wollwachsalkoholhaltige Salbe. Lipophile Cremes bzw. W/O-Cremes sind grundsätzlich für den Einsatz bei einer chronischen Hauterkrankung und bei einer trockenen, sehr trockenen oder schuppenden Haut indiziert.

Das fertig zu beziehende Markenprodukt "Eucerinum® cum aqua" der Firma Beiersdorf hat formal die gleiche Zusammensetzung wie die "Wasserhaltige Wollwachsalkohol-Salbe DAB", es gibt jedoch qualitative Unterschiede. Die im Markenprodukt enthaltenen Wollwachsalkohole mit der geschützten Bezeichnung Eucerit® sind durch Molekulardestillation gereinigt, sie bestehen zu ca. 75 Prozent aus C27- und C26-Sterolen und zu 25 Prozent aus aliphatischen Alkoholen. Wenn auch Wollwachsalkohole und Wollwachs seit Jahrzehnten als typische Allergene bekannt sind, wird doch in der jüngsten Vergangenheit zunehmend darüber diskutiert, ob hierfür nicht eher Verunreinigungen verantwortlich zu machen sind. Außerdem sind durch das spezielle Reinigungsverfahren in dem Markenprodukt nach Herstellerangaben keine Pestizidrückstände mehr nachzuweisen. Andere Wollwachs-Chargen auf dem Markt sind dagegen bestenfalls pestizidarm, da die aus den Schaffellen stammenden Pestizide nur schwer zu entfernen sind.


Fehlermöglichkeiten bei Individual-Rezepturen erkennen und lösen, das ist eine große Herausforderung, die sich durch eine strukturierte Herangehensweise meistern lässt.
Foto: ABDA

Inkompatible Mischung in der Beispielrezeptur

Die Mischung der beiden völlig verschiedenen Grundlagen in der Beispielrezeptur ist nicht plausibel. Der Verordner hat die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Vehikelsysteme nicht ausreichend bedacht. Zudem hat er möglicherweise die Diagnose der Akuität oder der Hautbeschaffenheit nicht richtig gestellt. Denn es kann nicht an derselben Applikationsstelle eine normale und gleichzeitig eine trockene Haut vorherrschen. Die Verordnung einer solchen Mischung kann aus therapeutischer und auch aus galenischer Sicht als "Kunstfehler" betrachtet werden. Aufgrund der Qualitätsprobleme liegt eine unklare Verordnung im Sinne von § 17 Absatz 5 ApBetrO vor, so dass die Rezeptur nicht angefertigt werden darf.

Zunächst müssen die Akuität und die Hautbeschaffenheit im Gespräch mit dem Verordner geklärt werden. Die im NRF als Vorlagen aufgenommenen Formulare können bei der Kommunikation mit dem Verordner helfen (NRF, I.5. Allgemeine Hinweise, I.5.2. Umstrittene, potenziell bedenkliche und problematische Rezepturen, Formblatt nach Abb. I.-5.-1, weitere Anregungen zur Kommunikation siehe Kasten).

Sinnvolle Optimierungsmöglichkeiten

Hat der Patient eine akute Hauterkrankung und eine normale, fette oder feuchte Haut, müsste Eucerin® cum aqua gegen eine nichtionische hydrophile Creme ausgetauscht werden. Infrage kommen zwei offizinelle Grundlagen:

  • nichtionische hydrophile Creme DAB
  • nichtionische hydrophile Creme SR DAC (NRF S. 26.)

 

 

Diese Cremes unterscheiden sich u. a. in ihrem Fett- und Wassergehalt. Die DAB-Ausführung hat einen Fettgehalt von 25 Prozent und einen Wassergehalt von 50 Prozent. Die Creme aus dem DAC bzw. NRF enthält nur 10 Prozent Fett und 63,5 Prozent Wasser. Anders als die DAB-Creme weist sie keine Kohlenwasserstoffe und keinen Cetylstearylalkohol (CSA) auf. Allergien gegen CSA sind weit verbreitet. Gegen die DAC-Creme spricht jedoch der Einsatz eines nichtionischen O/W-Emulgators in verhältnismäßig hoher Konzentration, so dass eine weniger gute Verträglichkeit zu erwarten ist.

Bei der entstehenden einheitlichen hydrophilen Creme muss auf die mikrobielle Stabilität geachtet werden. Dabei entscheidet das herrschende pH-Milieu über die Wirksamkeit eventuell eingesetzter Konservierungsmittel (siehe Tab. 18). Chlorocresol, das Konservierungsmittel aus der Dermoxin® -Creme wirkt optimal im leicht sauren Milieu, etwa bei pH 5, wie es mit dem Citrat-Puffer aus dem Fertigarzneimittel eingestellt wird. Die nichtionischen hydrophilen Cremes DAB und SR DAC (NRF S. 26.) werden vom pharmazeutischen Großhandel meist in einer vorkonservierten Form mit 0,05% Sorbinsäure und 0,07% Kaliumsorbat geliefert. Damit liegt der pH-Wert zwischen 5 und 6. Das Wirkoptimum der Konservierungsstoffe liegt zwischen pH 4 und 6 (siehe Tab. 18). Dieses Milieu harmoniert mit dem pH-Stabilitätsoptimum von Clobetasol-17-propionat und annähernd mit dem Lactat-Puffer.

Damit ergibt sich folgender Optimierungsvorschlag für die Beispielrezeptur (s. Kasten).


 

 

Rp. 
Harnstoff5,0 g
Milchsäure1,0 g
Natriumlactat-Lösung 50%4,0 g
Dermoxin® -Creme45,0 g
Nichtionische hydrophile Creme DAB oder
Nichtionische hydrophile Creme SR DAC (NRF S. 26) ad



100,0 g
Vehikel-Typ: nichtionische hydrophile Creme
(O/W). Aufbrauchfrist: 2 Wochen (gemäß Anwendungsempfehlung des Herstellers von 
Dermoxin® -Creme, bezogen auf den Harnstoff ergäbe sich eine Aufbrauchfrist von 
6 Monaten)


 

Einen weiteren Optimierungsvorschlag für den Fall einer chronischen Hauterkrankung mit trockener oder sehr trockener Haut finden Sie in der pdf-Datei ab Seite 22. Dort werden auch Informationen zur Herstellung der optimierten Rezepturen gegeben und weitere Optimierungsvarianten vorgestellt.


 

Kommunikation mit dem Arzt

Was tun bei unklaren Verordnungen?


 

Nach Erfahrungen des Autors kann es für ein konstruktives Gespräch mit dem Verordner hilfreich sein, einen Telefontermin zu einem geeigneten Zeitpunkt zu vereinbaren, um auf die Praxisorganisation Rücksicht zu nehmen. Unmittelbar nach Darstellung des Rezepturproblems sollte dem Arzt ein detaillierter Lösungsvorschlag mit Mengenangaben unterbreitet werden, der direkt in den Arztcomputer eingetragen werden kann. Mitunter kann es hilfreich sein, dem Arzt diesbezügliche Literatur oder die inkompatible Rezeptur zu zeigen, denn die wenigsten Dermatologen dürften je eine inkompatible Rezeptur gesehen haben. Möglicherweise hat der Arzt die Rezeptur bereits jahrelang verordnet und nie eine negative Rückmeldung erhalten, weil Apotheker aus falscher Rücksichtnahme keine Kritik üben wollten oder die Rezeptur-Probleme einfach nicht erkannt haben. Dann erscheint es verständlich, wenn der Arzt eine späte Rückmeldung möglicherweise nicht überzeugend findet. Schlimmstenfalls betrachtet der Arzt die Apotheken, die sich nicht gemeldet haben, als fachlich qualifiziert und den Anrufer als unfähig oder als Profilneurotiker. Dennoch gilt es in solchen Fällen Ruhe zu bewahren und durch konstruktive Vorschläge zu überzeugen. Manchmal hilft auch der Hinweis auf eine preisgünstigere Verordnungsalternative. 
Dr. Gerd Wolf

Folgerungen für den Apothekenalltag

Jede Individualrezeptur sollte gemäß dem Leitfaden (siehe Abb. 1) und mithilfe der erwähnten Tabellen  geprüft werden. So lassen sich schnell typische Konzeptionsfehler einkreisen und Lösungen finden. Weitere Erklärungen bietet die Fachliteratur. Das Einarbeiten von Fertig-Dermatika oder industriell hergestellten Grundlagensystemen verteuert Rezepturen infolge der Rechenregeln der Hilfstaxe. Außerdem erschwert der zumeist komplexe Aufbau der industriellen Grundlagen die Prüfung der Plausibilität der gesamten Rezeptur. Die Konzentrationen der Hilfsstoffe sind vielfach Betriebsgeheimnis der Hersteller, können aber die Freisetzung des Wirkstoffs aus dem Vehikelsystem entscheidend beeinflussen. Daher sollten grundsätzlich nur Grundlagen herangezogen werden, für die verlässliche Kompatibilitätstabellen zur Verfügung stehen, doch diese gelten nur für Rezepturen mit nur einem Wirkstoff. Dagegen ist die Plausibilität von Kombinationsrezepturen mit den genauer definierten offizinellen Grundlagen besser zu überprüfen.

Noch zielführender wäre es, wenn standardisierte Rezepturen wie die NRF-Rezepturen im Vergleich zu den immer noch massenhaft verschriebenen "freien Rezepturen" weitaus stärker als bisher von den Verordnern bevorzugt würden. Dies brächte im Dreiecksverhältnis Verordner-Patient-Apotheke nur Vorteile. Der Verordner kann davon ausgehen, dass eine gleichbleibende Qualität der Rezeptur gegeben ist und damit sein Therapieziel sicher erreicht wird. Die Apotheke muss die Plausibilität nicht prüfen, da durch die Standardisierung und die vorgeschriebene Herstellungsweise eine gleichbleibende Qualität garantiert wird. Der Patient kann damit rechnen, dass er seine Rezeptur ohne Verzögerung, d. h. ohne weitere Nachfragen beim Verordner durch die Apotheke, erhält.


Autor

Dr. rer. nat. Gerd Wolf

Fachapotheker für Offizinpharmazie

Robert-Koch-Apotheke

Fauviller Ring 1

53501 Grafschaft – Ringen

 

 

 

Literatur [1] Niedner, R., Glucocorticosteroide, in: Niedner, R., Ziegenmeyer, J. (Hrsg.), Dermatika, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart (1992), S. 82 f. [2] Merck, H.F., Bickers, D.R., Dermatopharmakologie und Dermatotherapie, Blackwell Wissenschaft (1992), S. [3] Fluhr, J.W., Vrzak, G., Gloor, M. (1998), Hydratisierender und die Steroid-Penetration modifizierender Effekt von Harnstoff und Glycerin in Abhängigkeit von der verwendeten Grundlage, Z. Hautkr. 73; 210 – 214 [4] Häckh, G., Schwarzmüller, E., Codex dermatologischer Wirkstoffe, Harnstoff, in: Niedner, R., Ziegenmeyer, J., Dermatika, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart (1992), S. 395/396 [5] Häckh, G., Schwarzmüller, E., Codex dermatologischer Wirkstoffe, Clobetasol-17-propionat, in: Niedner, R., Ziegenmeyer, J., Dermatika, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart (1992), S. 353/354 [6] Luger, Th. A. et al., Topische Dermatotherapie mit Glukokorticoiden – Therapeutischer Index, AWMF online – Leitlinien Dermatologie, Leitlinien der DDG (2005), www.uni-düsseldorf.de [7] Wolf, G., Das Mischen von O/W- und W/O – Systemen – eine besondere Inkompatibilität in Individual-Rezepturen, H + G (1995), Band 70, Heft 3, S. 182 – 184
 

 

Literaturtipp


Wolf, Gerd / Süverkrüp, Richard: Rezepturen: Probleme erkennen, lösen, vermeiden

Der Hautarzt verordnet eine Salbe. Kein Problem, die fertigen Sie mal eben schnell an. Doch halt! Ihr Patient erwartet höchste Qualität und Sie stehen dafür gerade. Rezeptur beginnt im Kopf!

  • Hinterfragen Sie: Garantiert die ärztliche Verschreibung, dass die Rezeptur wirksam und stabil ist?
  • Optimieren Sie: pH 8,5 für Erythromycin! Getrennte Zubereitungen für Salicylsäure und Clotrimazol! Eine wasserfreie Grundlage für Polidocanol!

Schauen Sie dem Experten über die Schulter: Schon bald lösen Sie knifflige Fälle selbst. Zahlreiche Beispiele optimierter Rezepturen helfen Ihnen und sind eine Fundgrube für Dermatologen.

ISBN 978-3-7692-4098-6

2., aktualisierte Auflage 2007. XVIII, 222 S., 1 s/w Abb., 24 s/w Tab., 6 Cartoons, Kartoniert, Deutscher Apotheker Verlag

Dieses Buch können Sie einfach und schnell bestellen unter der Postadresse:

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