DPhG

Riociguat und Cinaciguat als Hoffnungsträger

Über das neuartige Wirkprinzip der Stimulatoren bzw. Aktivatoren der löslichen Guanylatcyclase (sGC) zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen berichtete Prof. Dr. Johannes-Peter Stasch, Wuppertal. Im Fokus der Forschung stehen die neuen Wirkstoffe Riociguat und Cinaciguat.

Inhaltsverzeichnis: DPhG-Jahrestagung

Johannes-Peter Stasch
Foto: DAZ/hb

Die sGC ist ein Schlüsselenzym in der Signaltransduktion des kardiovaskulären Systems. Sie kommt im Organismus in einer nativen Häm-haltigen und einer dysfunktionalen Häm-freien Form vor. Die native sGC wird durch Stickstoffmonoxid (NO) aktiviert. NO bindet an sGC und induziert damit die Produktion des zellulären Botenstoffs zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP). Dieser aktiviert die cGMP-abhängige Proteinkinase (Proteinkinase G), die vasodilatierend, thrombozytenaggregationshemmend, antiremodellierend und entzündungshemmend wirkt und damit das Gewebe schützt. Erkenntnissen zufolge sind viele kardiovaskuläre Erkrankungen mit einer Dysfunktion des NO-sGC-Systems assoziiert.

Auf der Suche nach Wirkstoffen, die in positiver Weise regulierend auf das System einwirken, kristallisierten sich zwei Wirkstoffklassen heraus: die sGC Stimulatoren und die sGC-Aktivatoren. sGC-Stimulatoren wie das Benzylindazol-Derivat Riociguat (BAY 63-2521) besitzen einen dualen Wirkmechanismus: Zum einen sensibilisieren sie die native sGC für das körpereigene NO, d.h. sie wirken synergistisch mit NO, zum anderen stimulieren sie die native sGC auch direkt bei dessen Abwesenheit. Demgegenüber greifen sGC-Aktivatoren wie Phenylethylamin-Derivat Cinaciguat (BAY 58-2667) ausschließlich an der dysfunktionalen sGC an, die insensitiv für NO ist.

Formen der pulmonalen Hypertonie

Riociguat hat sich als erfolgversprechender Ansatz zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie (PH) erwiesen. Die PH ist eine Erkrankung, die durch einen erhöhten Gefäßwiderstand und einen Anstieg des Blutdrucks im Lungenkreislauf gekennzeichnet ist, oft verbunden mit einer darauf folgenden Rechtsherzinsuffizienz. Eine PH liegt vor, wenn der mittlere Blutdruck in der Lungenschlagader auf mehr als 25 mmHg in Ruhe ansteigt. Die Patienten leiden unter einer stark eingeschränkten körperlicher Leistungsfähigkeit, Kreislaufstörungen und Müdigkeit. Die Krankheit ist lebensbedrohlich und hat unbehandelt eine schlechte Prognose. Es gibt vier Formen pulmonaler Hypertonien mit unterschiedlicher Epidemiologie:

  • pulmonalarterielle Hypertonie (PAH), 120.000 Patienten,
  • PH aufgrund chronischer Thromboembolien (CTEPH), > 60.000 Patienten,
  • PH bei linksventrikulärer Dysfunktion (PH-LVD), 460.000 Patienten,
  • PH bei Lungenerkrankungen, 1,2 Mio. Patienten.

Während lediglich 30 bis 50% der PAH-Patienten medikamentös, z. B. mit Prostacyclin-Derivaten, behandelt werden, sind für die anderen Formen bislang gar keine zugelassenen Therapien verfügbar.

Klinische Erfolge mit Riociguat

Riociguat zeigte in Tiermodellen der pulmonalen Hypertonie positive Effekte auf die pulmonale Hämodynamik, die Rechtsherzhypertrophie und die Muskularisierung (Remodellierung) der kleinen Lungengefäße. An Patienten mit pulmonaler Hypertonie bewirkte die Substanz eine Reduktion des pulmonalen Gefäßwiderstandes und eine Erhöhung des Herzzeitvolumens.

Pulmonal-arterielle Hypertonie

CT-Topogramm, überlagert mit EGK einer starken Herzinsuffizienz.

Quelle: Universität Marburg/ghb

Riociguat ist der erste sGC-Stimulator, der den Schritt zur klinischen Entwicklung geschafft hat. In der initialen Studie zur Bestätigung des Wirkungskonzepts an Patienten mit PAH (Phase IIa) war Riociguat im Vergleich zu NO länger and stärker wirksam. In einer weiteren Studie der Phase IIb mit 75 erwachsenen Patienten im NYHA-Stadium II oder III verbesserte Riociguat die körperliche Belastbarkeit, die Hämodynamik und die Symptomatik bei Patienten mit PAH (n = 42) signifikant gegenüber Therapiebeginn. Bei Patienten mit CTEPH (n = 33) trat ebenfalls eine bedeutende Besserung ein.

Basierend auf diesen vielversprechenden Ergebnissen, laufen derzeit weltweit zwei große Phase-III-Studien mit Riociguat an Patienten mit CTEPH und PAH (CHEST-1 und PATENT-1) sowie deren Verlängerungsstudien CHEST-2 und PATENT-2 und darüber hinaus Phase-II-Studien zu pulmonalen Hypertonien bei systolischer und diastolischer linksventrikulärer Dysfunktion (PH-LVD). Das Studienprogramm beinhaltet außerdem Studien zur PH bei interstitiellen Lungenerkrankungen (PH-ILD) und COPD (PH-COPD).

Cinaciguat bei ADHF

Mittels eines Ultra-high-throughput-Screenings (uHTS) wurde auf der Suche nach weiteren potenziellen Wirkstoffen der sCG-Aktivator Cinaciguat (BAY 58-2667) identifiziert und für die Behandlung der akuten dekompensierten Herzinsuffizienz (ADHF) weiterentwickelt. Im Gegensatz zu Riociguat greift Cinaciguat an der dysfunktionalen, Häm-freien sGC an. Diese bildet sich vermehrt bei verschiedenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch oxidativen Stress, der die Hämgruppe der nativen sGC oxidiert und anschließend entfernt. Die Häm-freie sGC steht mit der sGC aufgrund eines bislang nicht erkannten Redox-Systems im Gleichgewicht.

Cinaciguat aktiviert die sGC auch dann, wenn diese krankhaft verändert ist und nicht mehr auf NO anspricht. Dies ist sehr wichtig, denn bei den meisten Herz-Kreislauf-Patienten ist das NO-System, das die sGC aktiviert, gestört.

Cinaciguat hat sich in einer Phase-IIa-Studie an Patienten mit ADHF bereits als hämodynamisch wirksam erwiesen, indem es die Vor- und Nachlast verringert und das Herzzeitvolumen steigert. Drei Phase-IIb-Studien laufen derzeit.

Stasch glaubt, dass die Erforschung des tatsächlichen therapeutischen Potenzials dieser neuen Substanzgruppe erst am Anfang steht und dass die Wirkstoffe möglicherweise bei einer Vielzahl von kardiovaskulären und nicht-kardiovaskulären Erkrankungen vorteilhafte Effekte entfalten könnten. hb

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