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Arzneimittel und Therapie
Wie Reboxetin durch Datenselektion wirksam wurde
Seit Langem wird gefordert, pharmazeutische Unternehmen zur vollständigen Offenlegung aller Ergebnisse aus Arzneimittelstudien zu verpflichten. Im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) will man diesen Forderungen zumindest teilweise nachkommen. Doch dem IQWiG gehen die jetzt geplanten Regelungen, die eine Veröffentlichungspflicht in erster Linie für konfirmatorische Studien (klinische Studien ab Phase III) vorsehen, nicht weit genug. Gefordert wird die Veröffentlichung aller Studien, Zudem müsse geklärt werden, wie die Ergebnisse älterer Studien zugänglich gemacht werden können, denn sie könnten auch nach der Reform weiter unter Verschluss gehalten werden.
Zwei Drittel der Daten waren unveröffentlicht
Im Rahmen von Recherchen zu einer Nutzenbewertung von Antidepressiva waren Wissenschaftler des IQWiG auf Daten gestoßen, die den deutschen Behörden bei der Zulassung 1997 durch den Reboxetin-Hersteller Pfizer vorenthalten worden waren. Den IQWiG-Mitarbeitern sollen diese Daten dann auch nur unter massivem Druck zur Verfügung gestellt worden sein.
"Das Beispiel Reboxetin zeigt einmal mehr: Nur wenn alle Studiendaten verfügbar sind, lässt sich der Nutzen eines Medikaments realistisch einschätzen. Denn nur dann, wenn der Nutzen – und der mögliche Schaden – bekannt sind, können Patienten und Ärzte die bestmögliche Therapie auswählen und die Selbstverwaltung die knappen Mittel richtig verteilen."
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Jetzt haben sie im British Medical Journal mithilfe der vorliegenden Studien eine Metaanalyse veröffentlicht, um zu zeigen, in welchem Ausmaß durch die Geheimhaltung unliebsamer Studien das Ergebnis verfälscht worden ist. Ausgewertet wurden Studien mit insgesamt 4098 Patienten, die entweder placebokontrolliert und/oder SSRI-kontrolliert waren. 74% dieser Daten waren unveröffentlicht.
Wirksam durch Publikationsbias
Ein Nutzen ist unter Berücksichtigung aller Daten nicht mehr zu belegen. Der Unterschied der Remissions-Rate zwischen Reboxetin und Placebo war nicht signifikant, auch die Daten zu Response-Raten erbrachten keinen überzeugenden Beweis für eine Überlegenheit von Reboxetin gegenüber Placebo. Im Vergleich zu selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (Fluoxetin, Paroxetin und Citalopram) schnitt Reboxetin sowohl hinsichtlich der Response- als auch der Remissions-Raten schlechter ab, ebenso in Bezug auf Nebenwirkungen. Nach Berechnungen der IQWiG-Mitarbeiter haben die durch den Hersteller selektierten Daten zu einer Überschätzung des Benefits gegenüber Placebo um bis zu 115% geführt, gegenüber SSRI um bis zu 23%.
Ineffektiv und potenziell schädlich
Ihr Resümee: Reboxetin ist ein ineffektives, potenziell schädliches Antidepressivum. Die vermeintliche Wirksamkeit war Folge einer Publikationsbias. Das Beispiel unterstreicht, wie wichtig eine gesetzliche Veröffentlichungspflicht aller vorliegenden Studien durch die Hersteller ist.
Geht es nach dem Willen des G-BA, darf Reboxetin in Zukunft nur noch in gut begründeten Ausnahmefällen zulasten der Gesetzlichen Krankenkasse verordnet werden. Der entsprechende Beschluss ist jedoch noch nicht rechtskräftig.
Quelle Wieseler, B et al: Reboxetine for acute Treatment of major depression:systematic review and meta-analysis of published and unpublished placebo and elective serotonin reuptake inhibitor controls. BMJ (2010) 341: c4737 Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vom 13. Oktober 2010.
du
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