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Verkehrssicherheit
Fahrtauglichkeit bei Allergien
Schätzungsweise 20 bis 30% der Bevölkerung leiden unter Allergien wie Heuschnupfen, Bronchialasthma oder Nesselsucht.
Die Allergien selbst können ein hohes Risiko im Straßenverkehr bergen: Tränende Augen und eine juckende, laufende Nase können für sich allein schon Aufmerksamkeit, Konzentration und Sehkraft beeinträchtigen. Niesattacken beim Autofahren sind nicht nur quälend, sondern auch gefährlich: So wird bei einer heftigen Niesattacke bei Tempo 100 eine Strecke von etwa 30 Metern mit geschlossenen Augen gefahren, da der Niesreflex uns Menschen dazu veranlasst, die Augen beim Niesen zu schließen.
Linderung mit Nebenwirkungen
Antihistaminika können bei den meisten Patienten diese lästigen und gefährlichen Symptome in kurzer Zeit lindern. Leider führt die Einnahme von Antihistaminika bei sehr vielen Patienten zu starker Ermüdung. Dies kann so schlimm werden, dass diese Patienten auch in der Ausübung täglicher Aktivitäten wie Lernen, Arbeiten oder Autofahren stark eingeschränkt sind. Allerdings gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Antihistaminika: Während manche extreme Ermüdung hervorrufen, führen andere zu überhaupt keiner Ermüdung, und manche wirken sogar aktivierend.
Oftmals wird zwischen Antihistaminika der ersten und zweiten Generation unterschieden. Antihistaminika der ersten Generation sind seit den 1930er-Jahren bekannt. Sie können die Blut-Hirn-Schranke passieren und blockieren die H1 -Rezeptoren im zentralen Nervensystem, was Schläfrigkeit hervorruft. So wurde beispielsweise Diphenhydramin zwar früher zur Therapie von Allergien verwendet, inzwischen wird es in Deutschland aber wegen seiner stark sedierenden Wirkung hauptsächlich als Schlafmittel und gegen Übelkeit eingesetzt. In den USA ist es aber weiterhin ein weit verbreitetes Antiallergikum und unter dem Markennamen Benadryl® erhältlich.
In den 1980er-Jahren wurden die Antihistaminika der zweiten Generation entwickelt, die weniger sedierend wirken, da sie die Blut-Hirn-Schranke weniger gut passieren können als die der ersten Generation. Dazu zählen Acrivastin, Astemizol, Cetirizin, Ebastin, Loratadin, Mizolastin und Terfenadin. Aber auch diese Antihistaminika können immer noch bei manchen Patienten Müdigkeit als Nebenwirkung verursachen. Als Weiterentwicklungen der H1 -Antihistaminika der zweiten Generation werden Levocetirizin, Desloratadin und Fexofenadin bisweilen als H1 -Antihistaminika der dritten Generation bezeichnet.
Tipps für Allergiker
Diese Tipps stehen unter DAZ.plus/Dokumente zum Download bereit. |
Wie Antihistaminika in Fahrtests abschneiden
Zahlreiche Antihistaminika, die auf dem Markt sind, wurden bereits mit einem speziellen standardisierten Fahrtest untersucht. Bei diesem Test müssen Probanden unter Einfluss der zu untersuchenden Substanz ein speziell ausgestattetes Fahrzeug über eine Strecke von mehr als 100 km im normalen Verkehr auf der Landstraße fahren. Die Fahrer werden von einem Fahrlehrer begleitet, der auch im Notfall eingreifen kann. Die Aufgabe der Fahrer ist es, möglichst eine konstante Geschwindigkeit von 100 km/h zu halten und auf eine saubere Spurhaltung zu achten. Gemessen wird dann, wie stark der Fahrer in seiner Spur schwankt. Je mehr der Fahrer schwankt, umso schlechter ist seine Fahrleistung. Ein großer Vorteil dieses Tests besteht darin, dass Vergleichsdaten mit 0,5 und 0,8 Promille Alkohol vorliegen, so dass man die Wirkung einer bestimmten Substanz mit der von Alkohol vergleichen kann (siehe bei Theunissen et al., 2009).
Aus diesen Tests geht hervor, dass Fexofenadin, Desloratadin, Rupatadin und Levocetirizin keine negative Wirkung auf die Fahrleistung haben. Im Gegensatz dazu verursachten Hydroxizin, Emedastin, Clemastin, Triprolidin, Mizolastin, Acrivastin, Dexchlorpheniramin CR, Mequitazin und Diphenhydramin bei oraler Einmaldosierung Leistungsverschlechterungen, die vergleichbar waren mit Leistungseinbußen unter dem Einfluss von 0,5 bis 0,8 Promille Alkohol.
Keine Gewöhnung
Unterschieden werden muss, ob in der Studie die Substanz nur einmal oder mehrmals über einen längeren Zeitraum verabreicht wurde. Dieses Vorgehen macht besonders bei Antihistaminika Sinn, da die Einnahme in der Praxis sowohl sehr unregelmäßig und nur bei Auftreten von Symptomen als auch regelmäßig über einen längeren Zeitraum erfolgen kann. Bei der Auswertung der Befunde nach längerfristiger Einnahme von ausgeprägt sedierenden Antihistaminika zeigte sich überwiegend keine nennenswerte Adaptation, d. h. der Organismus gewöhnte sich nicht an die sedierende Wirkung des Medikaments. Besondere Vorsicht ist geboten bei höheren Dosierungen und/oder Mehrfachapplikation von Terfenadin und Ebastin.
Empfindlichere Frauen?
Für einige Antihistaminka (Clemastin, Mizolastin, Acrivastin, Emedastin und Cetirizin) wurden nur für Frauen Einbußen in der Fahrleistung gefunden. Diese Befunde lassen vermuten, dass Frauen sensitiver sind für die sedierende Nebenwirkung von Antihistaminika. Manche Forscher vermuten, dass dieser Effekt auf dem durchschnittlich geringeren Körpergewicht von Frauen beruht, allerdings gibt es bis heute keine wissenschaftliche Studie, in der diese Hypothese gezielt untersucht wurde.
Sicher: Loratadin, Fexofenadin und Ebastin
Von der ICADTS-Working Group (The International Council on Alcohol, Drugs, And Traffic Safety), einem internationalen Zusammenschluss von Verkehrssicherheitsexperten, deren Ziel es ist, die Zahl von Todesfällen, die durch Alko-hol-, Medikamente- und Drogenmissbrauch im Straßenverkehr entstehen, zu reduzieren, werden Loratadin 10 mg einmal täglich, Fexofenadin 60 mg zweimal täglich/ 120 mg einmal täglich, und Ebastin 20 mg einmal täglich als unbedenklich für die Fahrleistung eingestuft.
Literatur und weiterführende Informationen Berghaus G: Arzneimittel und Fahrtüchtigkeit – Metaanalyse experimenteller Studien. Bericht über das Forschungsprojekt FP 2.9108 der Bundesanstalt für Straßenwesen, 1997. Theunissen, EL, Vermeeren, A, Vuurman, EFPM, Ramaekers, JG: Drugs, driving and traffic safety in allergic rhinitis. In:Verster JC, . Pandi-Perumal SR, Ramaekers JG, de Gier JJ (Eds.): Drugs, Driving and Traffic Safety. Birkhäuser, Basel, Boston, Berlin 2009. www.icadts.nl/reports/medicinaldrugs1.pdf
Autorin
Dr. Ramona Kenntner-Mabiala,
Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften (WIVW GmbH)
Raiffeisenstr. 17
97209 Veitshöchheim
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