Aus Kammern und Verbänden

Chemiatrie – pro und contra

Die Pharmazie des 16. und 17. Jahrhunderts war geprägt durch die Gegensätze zwischen den Paracelsisten, die moderne "chemische" Arzneistoffe einsetzten, und den Galenisten, die zur Pharmakotherapie vor allem den traditionellen pflanzlichen Arzneischatz nutzten. Die damaligen Auseinandersetzungen waren das Thema eines pharmaziehistorischen Seminars am 7. November im Wilhelm-Fabry-Museum in Hilden.
Opera omnia – Frontispiz der Fallbeschreibungen des Wilhelm Fabry, Ausgabe Frankfurt 1645. Oben das Porträt des Autors, links Hippokrates, rechts Dioskurides, die antiken Autoritäten der Medizin und Pharmakotherapie.

Prof. Dr. Irmgard Müller, Bochum, stellte Leben und Werk von Wilhelm Fabry (1560 – 1634) vor. In Hilden geboren ("Hildanus"), erlernte Fabry zunächst den Beruf des Baders und nutzte dann jede Gelegenheit, sein Wissen zu vervollkommnen. So besuchte er medizinische Vorlesungen an der Universität Köln und ging bis 1589 auf Wanderschaft, die ihn schließlich in die Schweiz führte, wo er auch seine Ehefrau, die Hebamme Marie Colinet, kennenlernte.

Fabry entwickelte sich zu einem der größten Wundärzte seiner Zeit und wurde 1615 Stadtchirurg (Wundarzt) in Bern. Obwohl er kein akademisch gebildeter Arzt war, wurde ihm dort das Recht zugestanden, auch Arzneimittel zur inneren Anwendung zu verordnen.

Aus Fehlern lernen

Recht modern muten Fabrys "Opera omnia" an, in denen er die von ihm chirurgisch und pharmakotherapeutisch behandelten Fälle sehr ausführlich beschrieben hat. Wenn ein Patient gestorben war, bemühte sich Fabry, eine Obduktion vorzunehmen, deren Ergebnisse er ebenfalls darstellte und interpretierte. Laut Müller kann man beim Lesen nachempfinden, wie Fabry aus der Praxis gelernt und seine Kunst weiterentwickelt hat.

Was die Pharmakotherapie betrifft, lehnte Fabry "chemische" Präparate wegen ihrer großen Risiken und des fraglichen Nutzens ab. Er betonte, wie wichtig für Wundärzte neben der Beschäftigung mit der Anatomie die intensive Auseinandersetzung mit den Arzneipflanzen sei, und empfahl seinen Kollegen, sich ein Herbar anzulegen – nach eigenen Aussagen besaß er selbst ein Herbar mit 700 Pflanzen.

Während Fabry bezüglich der Operationstechniken fortschrittlich war und selbst viele Instrumente modifiziert hat, erscheinen seine Arzneimittelempfehlungen schon für die damalige Zeit als antiquiert. Auch sein Briefwechsel mit einigen Paracelsisten macht deutlich, wie kritisch er deren Neuerungen gegenüberstand.

Wenn zwei sich streiten …

Über die Kontroverse zwischen einem Paracelsisten und einem Galenisten um das "Aurum potabile" (trinkbares Gold, Trinkgold) berichtete Michael Brysch.

Der Iatrochemiker August Hauptmann (1607 – 1674) aus Dresden und der Apotheker Georg Detharding (1604 – 1650) in Stettin hatten sich vermutlich niemals persönlich getroffen und ihren Streit in Publikationen ausgetragen. Hauptmann hatte Jura und Medizin studiert (Promotion zum Dr. med. erst 1653) und war von den chemischen Präparaten der Paracelsisten angetan, so auch von dem als Lebenselixier geltenden Trinkgold. Der Arzt und Alchemist Johann Agricola (1590 – 1668) hatte beschrieben, wie dieses mithilfe eines speziellen Scheidemittels aus "Goldkalk" hergestellt werden könne.

Detharding hingegen bezweifelte, dass sich mit Agricolas Rezeptur Trinkgold herstellen lasse. Das Scheidemittel, das u. a. Knabenurin, Hirschhorn und Branntwein enthielt, sei zu schwach, um das Edelmetall Gold in eine trinkbare Form zu überführen.

Der Streit begann auf wissenschaftlichem Niveau und entwickelte sich zu einem deftigen Schlagabtausch mit Schimpftiraden und persönlichen Angriffen. Detharding nannte Hauptmann einen "Goldmacher" und "Goldfischer" und verballhornte seinen Namen zu "Hauptnarr"; dieser wiederum beschimpfte Apotheker als Wucherer und bezweifelte ihre wissenschaftliche Kompetenz, da sie kaum eine universitäre Ausbildung genossen, sondern lediglich die Anordnungen der Ärzte auszuführen hätten.

Der Aufforderung, vor Zeugen das Trinkgold herzustellen, musste Hauptmann nicht mehr nachkommen, da Detharding 1650 starb.

"Wunderdoktor"

Umrahmt war die Veranstaltung von einer Führung durch die Sonderausstellung "Gelebt, geliebt, geraucht, gesoffen – und alles dann vom Doktor hoffen" mit Grafiken von Hans-Joachim Uthke nach Texten aus dem "Wunderdoktor" von Eugen Roth. (Die Ausstellung ist noch bis zum 9. Januar 2011 zu besichtigen.) Im Anschluss wurde die Destillationsanlage der ehemaligen Brennerei "Vogelsang" in Hilden besichtigt, in deren Räumen auch die Sammlung Fabry untergebracht ist.


Dr. Constanze Schäfer

Museum


Wilhelm-Fabry-Museum

Benrather Straße 32a, 40721 Hilden

Tel. (0 21 03) 59 03

www.wilhelm-fabry-museum.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.