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Onkologie
Tumorklassifizierung nach dem neuesten Wissensstand
Je nach Ausbreitung des Tumors spricht man von verschiedenen Stadien (Entwicklungsstufen) des Krebses. Die Einteilung erfolgt nach bestimmten Normen, für die hauptsächlich drei Gesichtspunkte maßgebend sind:
- die Größe des Tumors (T)
- die Beteiligung der Lymphknoten (N)
- das Vorhandensein von Metastasen (M)
Die TNM-Klassifikation wurde von dem Franzosen Pierre Denoix in den Jahren 1943 bis 1952 entwickelt und wird seit 1950 von der Union internationale contre le cancer (UICC) weitergeführt. Die erste UICC-Edition einer TNM-Klassifikation wurde 1968 herausgegeben. Bereits bei der zweiten Auflage war auch die American Joint Commitee on Cancer (AJCC) beteiligt. Die Verständigung dieser beiden Organisationen gewährleistete eine Uniformität dieses Regelwerks, so dass die Anwendung des TNM-Systems weltweit zum Goldstandard bei der Tumorklassifizierung wurde. Diese Klassifikation erlaubt prognostische Aussagen und bestimmt häufig die jeweils am besten geeignete Therapie für den Patienten. Die Klassifikation wird alle paar Jahre überarbeitet, und die siebte Auflage wurde 2009 herausgegeben und bei einer Tele-Pressekonferenz am 20. November 2009 den Medien präsentiert.
Das IASLC staging project
Bei der Erarbeitung dieser jüngsten Auflage hat sich nun auch die International Association of the Study of Lung Cancer (IASLC) eingebracht. Da es in der sechsten Auflage keine Änderungen in der TNM-Klassifikation für Bronchialkrebs gegeben hatte, machte die IASLC der UICC/AJCC einige Vorschläge für die siebte Auflage, die dankbar und ohne Abänderung alle angenommen wurden. Diese Initiative der IASLC, die auch von der Amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO) und der Europäischen Gesellschaft für medizinische Onkologie (ESMO) und anderen Krebsgesellschaften unterstützt wurde, soll eine Anregung für Gesellschaften sein, die sich auf andere Krebsentitäten spezialisiert haben, durchaus bei der Aktualisierung dieser Klassifikation mitzuarbeiten und der UICC/AJCC Vorschläge zu machen.
Die veröffentlichte überarbeitete Leitlinie enthält somit nun die ersten wesentlichen Aktualisierungen des Lungenkrebs-Stagings seit zwölf Jahren. Frühere Überarbeitungen basierten auf einer einzelnen, relativ kleinen Datenbank, die sich hauptsächlich aus chirurgischen Fallstudien zusammensetzte. Das neue Staging-System stützt sich nun auf Daten von mehr als 100.000 Fallstudien aus über 20 Ländern und wird dazu führen, dass jeder sechste Lungenkrebspatient eine neue Staging-Einteilung erhalten wird. Die IASCL wird jetzt auch in der Zukunft eine zentrale Rolle dabei spielen, die Klassifikation bei Bronchialkrebs regelmäßig zu aktualisieren. Die Vorschläge für Änderungen wurden und werden auch in den kommenden Jahren über das Journal of Thoracic Oncology publiziert.
Änderungen in der Klassifikation
Bezüglich der T-Klassifikation wurde T1 unterteilt in die Subgruppen T1a (≤ 2 cm) und T1b (> 2 cm und ≤ 3 cm) und T2 in die Subgruppen T2a (> 3 cm und ≤ 5 cm) und T2b (> 5 cm und ≤ 7 cm). Bisher als T2 klassifizierte Tumoren, die größer als 7 cm sind, werden demnächst als T3 bezeichnet. Tumoren, die bisher wegen zusätzlicher Knoten im primären Lungenlappen schon als T4 bezeichnet wurden, werden als T3 bezeichnet. Für T4-Tumoren mit Pleuraerguss und einer Metastase im anderen Lungenflügel wurde die Kategorie M1a geschaffen im Gegensatz zur Kategorie M1b mit Fernmetastasen, da diese Patienten noch eine deutlich bessere Prognose haben als diejenigen mit Fernmetastasen.
Bezüglich der N-Klassifikation wurden keine Änderungen gegenüber der 6. Auflage vorgenommen, was von Vertretern der IASLC als kleine Enttäuschung bezeichnet wurde, zumal so viel Arbeit in die neue Auflage investiert worden sei. Die Ursache seien die überwiegend chirurgischen Datenquellen aus zwei verschiedenen Datenbanken (nordamerikanisch, japanisch). Aus diesem Datenmaterial konnte keine zufriedenstellende Validierung der gesamten Daten hergestellt werden. Somit verbleibt die Klassifikation hier wie die in der sechsten Auflage, die ja seinerzeit validiert war.
Bezüglich der M-Klassifikation werden die neuen Kategorien M1a (Pleuraerguss und Metastase im contralateralen Lungenflügel) und M1b (Fernmetastasen) eingeführt.
In der Tabelle sind im linken Teil die Änderungen der T- und M-Klassifikation von der sechsten zur siebten Auflage dargestellt. Auf der rechten Seite sind die N-Klassifikationen der aktuellen siebten Auflage dargestellt, gefettet in Klammern die Bezeichnungen der alten sechsten Auflage. Ohne dass sich grundsätzlich etwas zwischen den einzelnen Kategorien N0 bis N3 geändert hat, waren diese Anpassungen der Nomenklatur angemessen, um sich den Änderungen im T-System anzupassen.
Änderungen der T- und M-Klassifikation von der sechsten zur siebten Auflage.
Auf der rechten Seite sind die N-Klassifikationen der aktuellen siebten Auflage dargestellt, in Klammern gefettet die alten Bezeichnungen der sechsten Auflage. | |||||
T- und M- Skalierung | N0- | N1- | N2- | N3- | |
6. Auflage | 7. Auflage | Stadium | Stadium | Stadium | Stadium |
T1 (≤ 2 cm) | T1a | IA | IIA | IIIA | IIIB |
T1 (> 2 – 3 cm) | T1b | IA | IIA | IIIA | IIIB |
T2 (≤ 5 cm) | T2a | IB | IIA (IIB) | IIIA | IIIB |
T2 (> 5 – 7 cm) | T2b | IIA (IB) | IIB | IIIA | IIIB |
T2(> 7 cm) | T3 | IIB (IB) | IIIA (IIB) | IIIA | IIIB |
T3 invasiv | IIB | IIIA | IIIA | IIIB | |
T4 (gleicher Lungenlappen) | IIIA (IIIB) | IIIA (IIIB) | IIIA (IIIB) | IIIB | |
T4 (ausgedehnt) | T4 | IIIA (IIIB) | IIIA (IIIB) | IIIB | IIIB |
M1 (im gleichen Lungenflügel) | IIIA (IV) | IIIA (IV) | IIIB (IV) | IIIB (IV) | |
T4 (Pleuraerguss) | M1a | IV (IIIB) | IV (IIIB) | IV (IIIB) | IV (IIIB) |
M1 (im kontralateralen Lungenflügel) | IV | IV | IV | IV | |
M1 (Fernmetastasen) | M1b | IV | IV | IV | IV |
Im Kontext der Stadienklassifikation
Wenn auch das neue Klassifizierungssystem zunächst nur eine Änderung der Nomenklatur ist, so erlaubt sie doch eine einheitliche Beschreibung von Tumoren und dadurch Vergleiche von Patienten und ganzen Patientengruppen. Der Prozess der akkuraten Bestimmung des Tumorstadiums des Patienten beinhaltet auch bildgebende Verfahren und Daten der Biopsie, so wie es in den Richtlinien definiert wird, und geht deshalb weit über die Wörter hinaus, die benutzt werden. Auch die Wahl der richtigen Behandlung ist durch Guidelines definiert, die wiederum auf die Ergebnisse klinischer Studien zurückzuführen sind. Ganz konkret bedeutet diese neue Stadienklassifikation zunächst einen großen Schritt vorwärts in der internationalen Zusammenarbeit. So ist in der Grafik dargestellt, wie viel mehr Länder und wie viel mehr Patienten seit der letzten Bronchialkrebsklassifizierung in die Entwicklung der neuen Systematik involviert sind.
Die Daten, die für die neue Systematik herangezogen wurden, basieren auf einer aufwendigen und anspruchsvollen statistischen Analyse einer wohl definierten Patientenpopulation (1990 – 2000). Sicherlich wird sich daraus im nächsten Schritt auch eine veränderte Prognosestellung für den einzelnen Patienten ergeben. Für die Zukunft liefern diese Daten auch eine Plattform, von der aus die internationale Zusammenarbeit weitergehen und zu einer prospektiven Datensammlung führen wird.
Während der Erstellung dieser neuen Klassifikation wurde von den Fachleuten durchaus auch diskutiert, inwieweit genetische Charakteristiken des Patienten bzw. des Tumors aufgenommen werden sollten, zumal diese von ganz anderen Grundlagen ausgehend auch für die Prognose eine ganz erhebliche Aussagekraft ermöglichen. Da sich daraus sicher in der Zukunft ganz neue Herausforderungen für eine sinnvolle Klassifikation ergeben werden, hat die IASLC bereits eine Infrastruktur aufgebaut, mit deren Hilfe auch die diesbezüglichen Daten gesammelt werden.
Während der Pressekonferenz wurde von den Experten resümiert, dass diese neue Nomenklatur natürlich nicht als schnellerer Weg zu einer bestimmten Therapieentscheidung missverstanden werden dürfe. Auch weiterhin müsse die Wahl für eine optimale Therapie aufgrund sehr vieler Faktoren getroffen werden, in die auch außer der Anatomie die Eigenschaften des Tumors und des Patienten eingehen. Für den Arzt zeige diese neue Klassifikation aber einmal mehr, welch komplexe Erkrankung das Bronchialkarzinom sei, und dass die Behandlung sehr anspruchsvoll ist und eines erfahrenen onkologischen Teams bedürfe. Für den Patienten bedeutet die neue Klassifikation eine erhöhte Sicherheit für die Validität der Prognose, mit der er konfrontiert wird und natürlich auch für einen verlässlicheren Therapieplan. Die Sicherheit der validierten Vorgehensweise seines Ärzteteams bedeutet auch für ihn eine Steigerung der Lebensqualität.
Als nächste Schritte wird die IASLC die geografischen Unterschiede in den retrospektiven Daten herausarbeiten, weiterhin aber auch zusätzliche Faktoren wie Atalectasen, lokale Invasion und andere überprüfen, inwiefern sie zu einer weiteren Differenzierung zwischen T3 und T4 führen sollten oder nicht. Eine hohe Priorität räumt die IASLC außerdem der Aufgabe ein, Übersetzungen und auch Schulungsmaterial in verschiedenen Sprachen zu erstellen.
Zu einer Teilnahme an der weiteren Entwicklung ihrer Arbeit fordert die IASLC ausdrücklich auf (information@crab.org). Weitere Informationen finden sich auf der Webseite der IASLC unter dem Punkt "IASLC Staging Project".
Quelle Goldstraw, P.; et al. The IASLC Lung Cancer Staging Project: Proposals for revision of the N descriptors in the forthcoming (seventh) edition of the TNM classification of malignant tumours. JJThorac Oncol 2007; 2, 706 – 714. Wittekind, C. (Hrsg.); Meyer, H.-J. (Hrsg.): Klassifikation maligner Tumoren. 7. Aufl., Januar 2010, Wiley-Vch. Peter Goldstraw, MD, London/UK; Frank C. Detterbeck, MD; Jesme Fox, Liverpool/UK: IASLC Round-Table-Gespräch, 20. November 2009.
Anschrift der Verfasserin
Dr. Annette Junker
Apothekerin für klinische und onkologische Pharmazie
Sellscheid 100
42929 Wermelskirchen
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