Medizin

Was zeigt eigentlich … das Blutbild?

Viele Laien verstehen unter "Blutbild" gleich alle Werte, die aus dem Blut bestimmt werden. Tatsächlich umfasst ein Blutbild nur die Auswertung der festen Blutbestandteile und nicht des Plasmas. Dennoch ist die Untersuchung oft hilfreich: Da die Blutzellen neben Erkrankungen der Blutzellen selber auch bei vielen anderen Erkrankungen von der Norm abweichen, gehört ein "kleines" Blutbild zu den Basisuntersuchungen und damit zu den häufigsten Laboruntersuchungen überhaupt.

Neben dem kleinen gibt es das große Blutbild, das zusätzlich ein Differenzialblutbild enthält.

Das kleine Blutbild umfasst:

  • Auszählen der Erythro-, Leuko- und Thrombozyten
  • Bestimmen des Hämoglobins und des Hämatokrits,
  • Berechnen der Erythrozytenindices.

Ein Differenzialblutbild zeigt die Untergruppen der Leukozyten.

Inzwischen sind kleine Blutbilder und Differenzialblutbilder automatisiert und daher vergleichsweise günstige Untersuchungen.

Gelegentlich ist eine genaue Analyse der Morphologie der Blutzellen erforderlich. Dazu muss ein Blutausstrich manuell ausgewertet werden.

Kleines Blutbild

Typische Indikationen für ein kleines Blutbild sind

  • Screening zur Gesundheitsvorsorge und vor Operationen
  • Verdacht auf eine Anämie oder Polyglobulie
  • Verdacht auf Infektionen
  • Verdacht auf Störungen des Wasserhaushaltes.

Erythrozyten machen 99% der Blutzellen aus. Die Anzahl hängt stark vom Hämatokrit ab und wird erst mit den Erythrozytenindices aussagekräftig. Neben Störungen des Wasserhaushalts verändern v. a. Bildungsstörungen und vermehrte Bildung als Antwort auf einen Sauerstoffmangel die Menge.

Junge Erythrozyten werden als Retikulozyten bezeichnet, weil sie noch netzartige Strukturen zeigen. Man bestimmt die Anzahl im Blutausstrich.

Leukozyten machen 1% der Blutzellen aus. Erniedrigungen heißen Leukopenie, Erhöhungen Leukozytose. Entsprechend der Funktion treten Änderungen v. a. bei Störungen und Aktivierung der Immunabwehr auf.

Thrombozyten (Blutplättchen) sind wichtig für die Blutgerinnung. Das Blutbild stellt nur die Anzahl fest. Ein Verdacht auf Funktionsstörungen erfordert daher spezielle Tests. Bei Thrombozytenmangel (Thrombozytopenie) drohen Blutungen, bei Vermehrung (Thrombozytose) Thrombosen.

Hämoglobin Sauerstoffträger in den Erythrozyten und damit Hauptmarker einer Anämie, macht ein Drittel der Masse der Erythrozyten aus. Laut WHO liegt bei Frauen bei Werten unter 12 g/dl, bei Männern unter bzw. 13 g/dl eine Anämie vor.

Hämatokrit ist der Anteil der festen Blutzellen am Gesamtblutvolumen.

Aus diesen Werten werden die Erythrozytenindices berechnet.

MCH (mean corpuscular hemoglobin). Mittlerer Hämoglobingehalt der Erythrozyten. Nach dem Gehalt richten sich die Bezeichnungen hypochrom (zu niedrig), normochrom (normal) und hyperchrom (zu hoch).

MCV (mean corpuscular volume). Mittleres Volumen der Erythrozyten. Zu kleine Erythrozyten heißen mikrozytär, normale normozytär und zu große makrozytär. MCH und MCV verändern sich meistens gleichsinnig.

MCHC (mean corpuscular hemoglobin concentration). Die mittlere Hämoglobinkonzentration liefert meist wenige Zusatzinformationen.

RDW (red cell distribution width). Gibt die Variation der Erythrozytengröße an. Er ist ein Frühindikator für eine Eisenmangelanämie.

Das kleine Blutbild beantwortet schon viele Fragen (s. Tab.). Gezielte Zusatzuntersuchungen sind z. B.:

  • Bei Anämien: Eisen, Ferritin, Transferrin
  • Bei Verdacht auf Blutbildungsstörungen oder Blutungen: Retikulozyten
  • Bei Verdacht auf Bluterkrankungen, unklaren Entzündungen: Differenzialblutbild.

Typische Befunde sind:

  • Eisenmangelanämie: hypochrome (MCH erniedrigt), mikrozytäre (MCV erniedrigt) Anämie. Der RDW ist erhöht
  • Vitamin-B12 -, Folsäuremangel: hyperchrome, makrozytäre Anämie
  • Anämie bei Tumoren und chronischen Erkrankungen: mikro- bis normozytäre, normochrome Anämie, Retikulozyten meistens verringert

Anämie bei Blutungen: normozytäre, normochrome Anämie, Retikulozyten vermehrt.

 

Differenzialblutbild

Im Differenzialblutbild werden die Leukozyten nach Granulo-, Lympho- und Monozyten aufgeteilt untersucht.

Die Granulozyten unterscheiden sich nach Färbung der Granula:

  • Die neutrophilen Granulozyten sind Phagozyten (Fresszellen), die Erreger und Zelltrümmer aufnehmen. Junge Zellen haben stabkernige Zellkerne, alte segmentkernige. Überproportional viele stabkernige Granulozyten sprechen für eine akute Entzündung (sogenannte Linksverschiebung)
  • Die eosinophilen Granulozyten inaktivieren zusätzlich Histamin und nehmen Antigen-Antikörper-Komplexe auf
  • Die basophilen Granulozyten sind u. a. an der allergischen Sofortreaktion beteiligt.

Eine zweite Gruppe sind die Lymphozyten. Die T-Lymphozyten entwickeln sich nach Antigen-Kontakt zu T-Helferzellen und zytotoxischen T-Zellen, die die Immunabwehr stimulieren bzw. fremde und Tumorzellen zerstören. Die B-Lymphozyten werden nach Antigenkontakt zu antikörperproduzierenden Plasmazellen.

Als letzte Gruppe gibt es die Monozyten, große Fresszellen, die sich größtenteils in Geweben aufhalten. Anzahl und Verteilung geben u. a. Hinweise auf die Art von Entzündungen und Erregern sowie Allergien.

Ein kleines Blutbild gehört zur Basisdiagnostik, da es Hinweise auf eine Vielzahl von Erkrankungen gibt und oft zur Verlaufskontrolle dient. Ein Differenzialblutbild ergänzt z. B. bei Infektionen die diagnostische Wertigkeit.

 

NormwertErniedrigte WerteErhöhte Werte

Erythrozyten

 

F: 4,1–5,1 Mio/µl

M: 4,5–5,9 Mio/µl

  • Blutarmut
  • Überwässerung
  • Flüssigkeitsmangel
  • Sauerstoffmangel mit reaktiver Polyglobulie, z. B. Raucher
  • Polyzythämie
  • Nierentumoren, Zystennieren
  • Doping: Blut, Erythropoetin

Retikulozyten

 

0,5 – 2,5% der Erythrozyten

Anämie bei Eisen-, Vitamin-B12 -, Folsäure-, Erythropoetinmangel, chronischen Erkrankungen, Tumoren, Knochenmarkschäden
  • Hämolytische Anämie
  • Nach Blutverlust
  • Behandlung eines Eisen-, Vitamin-B12 -, Folsäure-, Erythropoetinmangels

Leukozyten

 

4000 –10.000/µl

  • Virusinfektion
  • Immundefekte, Knochenmarkschäden
  • Folsäure-, Vitamin-B12 -Mangel
  • Akute und chronische Infekte durch Bakterien, Pilze und gelegentlich Viren
  • Autoimmunerkrankungen
  • bestimmte Leukämien

Segmentkernige 
neutrophile 
Granulozyten

 

3000 – 5800/µl
Stabkernige 
neutrophile 
Granulozyten

 

150 – 400/µl

  • Virusinfektionen, manche bakterielle Infektionen
  • Folsäure oder Vitamin-B12 -Mangel
  • Autoimmunvorgänge
  • Knochenmarkschäden
  • Bestimmte Leukämien
  • Akute und chronische Infektionen, v. a. durch Bakterien, aber auch durch Pilze
  • Entzündungen
  • Akute Erkrankungen, Stress
  • Medikamente, z. B. Pille
  • Cushing-Syndrom
  • Leukämien

Lymphozyten

 

1500 – 3000/µl

  • Immundefekte, z. B. AIDS
  • Knochenmarkschäden
  • Lupus erythematodes
  • Cushing-Syndrom, Cortisoneinnahme
  • Virusinfektionen
  • Manche bakterielle Infektionen, z. B. Keuchhusten
  • Hyperthyreose
  • Leukämien und Lymphome

Eosinophile 
Granulozyten

 

50 – 250/µl

  • Schwerste akute Infektionen
  • Stress
  • Cortisoneinnahme, Cushing-Syndrom
  • Allergien
  • Parasitenerkrankungen
  • Kurz nach akuten Infektionen
  • Leukämien, Lymphome
  • Autoimmunerkrankungen

Basophile 
Granulozyten

 

15 – 50/µl

Ohne Belang
  • Chronisch myeloische Leukämie
  • Polyzythämie

Monozyten

 

285 – 500/µl

  • Chronische Entzündungen
  • Nach akuten Infektionen
  • Bestimmte Leukämien
  • Chronische Entzündungen
  • Kurz nach akuten Infektionen
  • Bestimmte Leukämien

Thrombozyten

 

150 – 400 x 109 /l

  • Knochenmarkschäden, z. B. Zytostatikatherapie, Malignome, z. B. Leukämie
  • Autoantikörper
  • Heparin
  • Sepsis, Schock
  • Überfunktion der Milz
  • Künstliche Herzklappen
  • Kurzzeitig bei Anstrengung
  • Primär: essenzielle Thrombozythämie, Polyzythämie, chronisch-myeloische Leukämie, idiopathische Myelofibrose
  • Sekundär: Entzündungen, Tumoren, Anämie, nach Operationen oder Milzentfernung

Hämoglobin

F: 12 –15 g/dl

M: 13,6–17,2 g/dl

Hämatokrit

 

F: 34 – 44 Vol%

M: 36 – 48 Vol%

  • Anämie, Blutverlust
  • Überwässerung
  • Schwangerschaft
  • Exsikkose
  • Rauchen, Polyglobulie
  • Doping: Blut, Erythropoetin

MCH

 

28 – 33 pg/Zelle

MCV

 

80 – 96 µm3

  • Eisenmangelanämie
  • Vitamin-B6 -Mangel
  • Eisenverwertungsstörung
  • Kupfermangel
  • Vitamin-B12 -Mangelanämie
  • Folsäuremangelanämie
  • Eisenmangeltherapie (MCH)
  • erhöhte Retikulozyten (MCV)

MCHC

 

33 – 36 g/dl

  • Eisenmangelanämie
  • Vitamin-B6 -Mangel
  • Kugelzellenanämie
  • Kälteantikörper

RDW

 

10 –15%

Ohne Belang
  • Anämie
  • Osteomyelofibrose

Quellen B. Neumeister (Hrsg.): KLF Labordiagnostik, Elsevier, 4. Aufl. A. Schäffler, N. Menche (Hrsg.): Gesundheit heute Laborwerte, Knaur, München. 1. Aufl. L. Thomas (Hrsg.): Labor und Diagnose, Th-Books, 7. Aufl.


Autoren: Hans Reuter, Dr. A. Schäffler, Schäffler & Kollegen, Augsburg, www.schaeffler.cc

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