Management

In die "Beschwerde-Welt" des Kunden eintauchen

Persönlichkeitsorientiertes Beschwerdemanagement

Der Traum eines jeden Apothekers: Bei jeder Beschwerde wird der aufgewühlte Kunde mit genau demjenigen Mitarbeiter ins Gespräch gebracht, der es am besten versteht, sich wertschätzend auf den Kunden einzulassen, weil er mit ihm auf einer Wellenlänge funkt. Wie aber soll das funktionieren?

Der Traum wird wohl eine Utopie bleiben. Aber das andere Extrem muss auch nicht sein: Wenn der dominant-herrische Mitarbeiter, dem es schwer fällt, sich in die Vorstellungswelt anderer Menschen zu versetzen, auf den emotional aufgebrachten Kunden stößt, der sich vehement beschwert, droht die Eskalation.

Ebenso unklug ist es, eine PTA, die sich bei harschen Kundenbeschwerden schnell ins Schneckenhaus zurückzieht, Beschwerden entgegennehmen zu lassen. Denn oft agieren Beschwerdeführer auf der verbalen Ebene nicht gerade zimperlich: Der erboste Kunde will Dampf ablassen, er steht im psychologischen Nebel, und da kommt ihm der Apothekenmitarbeiter gerade recht – selbst wenn dieser an dem Beschwerdeanlass keine Schuld trägt. Welche Konsequenzen kann der Apotheker aus diesen Beispielen ziehen?

Gefühlschaos des Kunden akzeptieren

Die meisten Menschen pflegen immer noch ein Selbstbild, nach dem wir rein rationale Wesen sind. Jedoch: Es gilt sich von diesem Rationalitätsmythos zu verabschieden. Die Hirnforschung zeigt, dass Emotionen, Gefühle und Instinkte weitaus umfassender Entscheidungsprozesse beeinflussen als bisher gedacht. Und die Neuroökonomik besagt, dass der Mensch jedes Signal erst einmal emotional bewertet.

Wenn der Apotheker und seine Mitarbeiter dies akzeptieren, werden sie nachvollziehen können, dass sich im Beschwerdefall Gefühle zu Tatsachen entwickeln und im Beschwerdegespräch Fingerspitzengefühl, Sensibilität und die Fähigkeit gefragt sind, sich verstehend in die zuweilen chaotisch-aufgewühlte "Beschwerde-Welt" des Kunden einzufühlen. Der Kunde ist schlichtweg sauer, wütend, aufgebracht, will sofort eine Lösung, zumindest aber einen Gesprächspartner, der ihm zuhört und problemlösungsorientiert vorgeht.

Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung

Es ist die Aufgabe des Apothekers, seine Mitarbeiter auf die Begegnung mit jener Beschwerde-Welt der Kunden vorzubereiten. Überdies sollte er ihnen helfen, sich selbst besser kennenzulernen. Denn wenn ein Mitarbeiter weiß, zu welchem Persönlichkeitstypus er gehört und wie er in Gesprächen mit aufgebrachten Kunden reagiert, kann er dies reflektieren – und sein Verhalten ändern. Dazu die folgenden Beispiele:

  • Die PTA gehört zum sachorientierten Controllertypus, der gerne mit Zahlen, Daten und Fakten argumentiert. Im Verkaufsgespräch im Frei- und Sichtwahlbereich kommt ihr dies zugute. Wenn sie jedoch dem aufgebrachten Kunden, der sich vehement beschwert, "gefühlskalt" und distanziert begegnet, stößt sie ihn vielleicht nur noch tiefer in den psychologischen Nebel hinein.

  • Dem dominant-dynamischen Apothekenmitarbeiter fällt es schwer, dem Kunden einfach einmal in Ruhe zuzuhören und durch Fragetechnik herauszufinden, worum genau es ihm geht.

  • Selbst der tolerante Wohlfühltyp, dem es ansonsten mit leichter Hand gelingt, eine harmonische Beziehung zum Kunden aufzubauen, stößt im Beschwerdefall an Grenzen. Etwa dann, wenn der Kunde erwartet, dass ihm eine sachorientierte Problemlösung vorgeschlagen wird. Am "Beziehungsschmus" hat der Beschwerdeführer jetzt überhaupt kein Interesse.

Je besser der Mitarbeiter sich selbst einschätzen kann, desto eher ist er in der Lage, angemessen zu reagieren. "Nun ist mir klar, warum ich als extrovertierter Mensch, der sich von Dingen schnell begeistern lässt, Probleme mit reklamierenden Kunden habe, die mich kaum zu Wort kommen lassen", so eine typische Bemerkung eines Mitarbeiters, der mithilfe der Selbstreflexion sein Gesprächsverhalten besser analysieren und auf die psychologische Gestimmtheit eines Beschwerdeführers ausrichten kann.

Übrigens: Dies und die anderen Hinweise zum persönlichkeitsorientierten Beschwerdemanagement gelten natürlich auch für den Apotheker, der ebenfalls an seiner Kompetenz, mit Beschwerden kundenorientiert umzugehen, arbeiten sollte.

Gründe für Probleme mit dem Kunden erkennen – und beseitigen

Die Beschäftigung mit den Persönlichkeitstypen führt mitunter zu erstaunlichen Erkenntnissen: Dass der dominante Mitarbeiter nicht gerade am besten geeignet ist, den sich beschwerenden Kunden zu beruhigen, überrascht wenig. Anders schaut es bei der auf Harmonie bedachten PTA aus: Sie müsste doch eigentlich mit dem dominanten Kunden, der keine Widerrede duldet und seine Beschwerde loswerden will, gut klar kommen, weil sie sich selbst zurücknehmen und den Beschwerdefall ins sachliche Fahrwasser lenken kann. Das Problem: Der PTA stößt die Arroganz des dominanten Beschwerdekunden, der von oben herab zu verstehen gibt, dass er sie für unfähig hält, übel auf. Wiederum gilt: Ist dieser Umstand dem Apotheker und der Mitarbeiterin bekannt, können sie an dem Verhalten der PTA arbeiten.

Oder: Die Balance-PTA verfügt meistens über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Das verleitet sie, sich "auf die Seite des Kunden zu schlagen" und in dessen Beschwerde einzustimmen. Dies ist zunächst einmal nicht zu beanstanden, denn so gelingt es ihr eventuell, den Kunden zu beruhigen. Darüber aber vergisst sie, dass es auch zu ihren Aufgaben gehört, das Beschwerdegespräch in lösungsorientiertere Bahnen zu steuern.

Beschwerdetypen beachten

Der Apotheker hat die Möglichkeit, persönlichkeitsindividuelle Fördermaßnahmen zu ergreifen: So sorgt er dafür, dass die sachorientierte Controller-PTA auf der Gefühlsebene besser argumentieren kann und der dominante Mitarbeiter sich intensiv mit dem Thema "aktives Zuhören" beschäftigt. Die größte Einflussnahme des Apothekers, die Beschwerdekompetenz der Mitarbeiter zu optimieren, liegt in diesen typenorientierten Fördermaßnahmen und in jener Beschäftigung der Mitarbeiter mit der eigenen Persönlichkeit.

Zudem verfügt er über weitere Optionen, deren Realisierbarkeit jedoch nicht immer einfach ist. So sollte er es vermeiden, Mitarbeiter, die kommunikativ schwierigen Situationen gern aus dem Weg gehen, Gespräche mit Kunden führen zu lassen, die sich beschweren. Bei Aktionen, in denen die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass es zu Beschwerden kommt, setzt der Apotheker dann besser Mitarbeiter ein, die aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur eher dazu geeignet sind, eine Beschwerde als "Glücksfall" zu interpretieren, einen unzufriedenen Kunden doch noch zufriedenzustellen.

Des Weiteren gibt es auf Kundenseite zwar Reaktionsweisen, die bei fast jeder Beschwerde auftreten. Trotzdem lassen sich verschiedene Beschwerdetypen unterscheiden. Genannt seien nur der Unverschämte, der Arrogante, der Aggressive, aber auch der Konziliante und der Verständnisvolle. Im Idealfall ist das gesamte Apothekenteam gut darauf vorbereitet, mit jedem der Beschwerdetypen ein zielführendes Gespräch zu führen.


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater



AZ 2011, Nr. 21, S. 6

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