Arzneimittel und Therapie

Narkosemittel können der kindlichen Entwicklung schaden

Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat erneut eine Expertentagung zur Sicherheit von Narkosemitteln bei der Behandlung von Kleinkindern anberaumt. Bereits 2007 hatte eine erste Tagung stattgefunden, nachdem tierexperimentelle Untersuchungen auf eine potenzielle Schädigung von Hirnzellen in der Entwicklungsphase des Gehirns durch Anästhetika hinwiesen. Die daraufhin durchgeführten Studien haben zwar noch keine eindeutigen Ergebnisse gezeigt, die FDA sah sich aufgrund der vorläufigen Daten jedoch genötigt, diese neue Tagung einzuberufen.

Anästhetika werden bei unterschiedlichen medizinischen Eingriffen häufig auch bei Kleinkindern eingesetzt, obwohl wenig über die Wirkung dieser Präparate auf das sich in der Entwicklung befindliche Gehirn bekannt ist. Untersuchungen, die in den letzten zehn Jahren vor allem an verschiedenen Nagetieren durchgeführt worden waren, hatten allerdings bedenkliche Ergebnisse gezeigt. So können diese Mittel offensichtlich die neurologische, kognitive und soziale Entwicklung negativ beeinflussen. Aus diesem Grund sah sich die US-amerikanische Gesundheitsbehörde vor vier Jahren genötigt, eine erste Tagung zur Sicherheit von Narkosemitteln bei der Behandlung von Kleinkindern anzuberaumen. Seinerzeit war die Empfehlung auf eine Einforderung weiterer Studien und eine Einschränkung entsprechender Eingriffe bei Kleinkindern beschränkt.

Vorläufige Ergebnisse deuten auf Schädigungen

Auch wenn noch keine abschließenden Daten vorgelegt werden können, so sah sich die FDA doch veranlasst, erneut eine Expertentagung zur möglichen Wirkung von Narkosemitteln auf die Hirnentwicklung bei medizinischen Eingriffen einzuberufen. Das Problem, so die Autoren, sei einerseits die Durchführung relevanter tierexperimenteller Vergleichsstudien. Diese sollten an Primaten durchgeführt werden, und entsprechende Studien seien zeit- und kostenintensiv. Zum anderen müssten vergleichende Untersuchungen an Kindern bis zu einem Alter von drei Jahren – zu diesem Zeitpunkt ist die Entwicklung des kindlichen Gehirns abgeschlossen – und darüber hinaus die Daten einer Vielzahl von Kindern berücksichtigen, die zum Teil eine unterschiedliche Medikation erhalten hätten, aber auch durch weitere Faktoren einen Vergleich erschwerten.

Die vorläufigen Ergebnisse zweier Studien waren allerdings alarmierend genug für die erneute Anberaumung einer Tagung. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Operation und damit ohne Exposition mit Narkosemitteln kam es mehr als doppelt so häufig zu Störungen der kindlichen Entwicklung. In einer weiteren Studie hatten Kinder, die in den ersten zwei Jahren eine Vollnarkose erhalten hatten, ein um 59% erhöhtes Risiko für Lernstörungen. Bei drei oder mehr Narkosen war das Risiko noch höher.

Derzeit werden verschiedene größere klinische Studien durchgeführt, die weitere Aufschlüsse geben sollen. Eine landesweite dänische Studie vergleicht die Angaben zur Narkose bei Kindern unter einem Jahr mit den späteren Schulleistungen. Eine vergleichende Studie der Columbia University gilt der neurologischen Entwicklung von Kindern, die in den ersten drei Jahren eine Narkose erhalten hatten, mit ihren nicht behandelten Geschwistern. Schließlich werden in einer randomisierten, in sechs Ländern durchgeführten Studie kleine Patienten auf eine Vollnarkose unter Sevofluran oder eine Regionalanästhesie mit Bupivacain randomisiert.


Quelle

Rappaport, B.; et al.: Defining safe use of anesthesia in children. N. Engl. J. Med. 2011; 10.1056/NEJMp1102155, vom 9. März 2011.

DiMaggio, C.; et al.: A retrospective cohort study of the association of anesthesia and hernia repair surgery with behavioral and developmental disorders in young children. J. Neurosurg. Anesthesiol. 2009; 21(4): 286 – 291.

Wilder, R.T.; et al.: Early exposure to anesthesia and learning disabilities in a population-based birth cohort. Anesthesiology 2009; 110(4): 796 – 804.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 11, S. 40

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