Arzneimittel und Therapie

Antibiotikum Tigecyclin nur bei fehlenden Alternativen

Unter dem Reserveantibiotikum Tigecyclin (Tigacyl®) ist in klinischen Studien eine im Vergleich zu Kontrollgruppen erhöhte Mortalität aufgefallen. Davor hatte die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA schon im September 2009 gewarnt. Nun informiert der Hersteller Pfizer in Absprache mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem BfArM in einem Rote-Hand-Brief über eine Einschränkung aller Anwendungsgebiete aufgrund einer erhöhten Mortalität in klinischen Studien.
Foto: CDC
Reserveantibiotikum Tigecyclin Da eine erhöhte Mortalität unter Tigecyclin nicht auszuschließen ist, sollte es nur eingesetzt werden, wenn keine Alternativen bestehen. Das ist bei vereinzelten Stämmen multiresistenter gramnegativer Erreger der Fall. 

In Studien zu komplizierten Haut- und Weichgewebsinfektionen, komplizierten intraabdominellen Infektionen, Infektionen des diabetischen Fußes, nosokomialer Pneumonie sowie in Studien, in denen resistente Bakterien isoliert wurden, wurde bei mit Tigecyclin behandelten Patienten eine numerisch höhere Mortalitätsrate beobachtet als bei Patienten, die andere Antibiotika als Vergleichsmedikationen erhielten, heißt es in dem Rote-Hand-Brief. Eine Erklärung dafür gibt es nicht, eine vergleichsweise schlechtere Wirksamkeit und Sicherheit sei nicht auszuschließen, so Pfizer.

Tigecyclin ist zugelassen zur Behandlung von komplizierten Haut- und Weichgewebs- sowie komplizierten intraabdominellen Infektionen. Eine Anwendung soll jetzt nur in Erwägung gezogen werden, wenn andere Antibiotika nicht geeignet sind. Vor allem bei Patienten mit Superinfektionen und hier insbesondere mit nosokomialer Pneumonie scheinen die Behandlungsergebnisse ungünstiger zu sein. Daher ist bei Tigecyclin-Therapie eine engmaschige Überwachung notwendig. Bei Auftreten von Superinfektionen sollten die Patienten auf eine andere Antibiotikatherapie umgestellt werden.

Fehlende Alternativen selten

Das Tetracyclin-Antibiotikum Tigecyclin ist ein synthetisches Minocyclin-Derivat und wirkt bakteriostatisch. Als Breitspektrumantibiotikum erfasst es neben einigen aeroben grampositiven Bakterien zahlreiche aerobe und anaerobe gramnegative Erreger. Im Gegensatz zu den klassischen Tetrazyklinen kann es zwei wichtige Tetrazyklin-Resistenzmechanismen überwinden, die durch Effluxpumpen und ribosomale Schutzmechanismen hervorgerufen werden. Auch weitere Resistenzmechanismen wie die Beta-Lactamase-Bildung schränken die Tigecyclin-Wirksamkeit nicht ein, so dass es eine Therapieoption bei Infektionen durch multiresistente Erreger ist. Nach Auskunft des BfArM stehen im Bereich von multiresistenten grampositiven Erregern wie z. B. MRSA (etwa 20% aller S.-aureus-Infektionen) zahlreiche andere Therapieoptionen wie Vancomycin, Teicoplanin, Daptomycin und Linezolid zur Verfügung, so dass Tigecyclin hier keine Anwendung finden sollte. Im Bereich von gramnegativen Erregern (z. B. E. coli, Enterobacter spp. Klebsiella spp.) gibt es vereinzelt Stämme, die Carbapenemasen und andere Extended Spectrum Betalaktamasen bilden und daher gegen andere empfohlene Antibiotika (z. B. Breitspektrum-Cephalosporine wie Ceftriaxon, Piperazillin/Tazobactam, Imipenem, Meropenem und Doripenem) resistent sind. Lediglich für diese seltenen multiresistenten gramnegativen Erreger wäre Tigecyclin eine Therapieoption.


Quelle

Pfizer Pharma GmbH, Rote-Hand-Brief vom 17. März 2011.


du



DAZ 2011, Nr. 12, S. 42

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