Interpharm 2011

Neues Gefahrstoffrecht für die Apotheke

Das Gefahrstoffrecht befindet sich seit einigen Jahren in einem großen Umstellungsprozess. Nach der europäischen Angleichung werden nun im nächsten Schritt weltweit harmonisierte Anforderungen implementiert. Über die Bedeutung der relevanten Rechtsvorschriften für die Apotheken informierte der ausgewiesene Gefahrstoff-Experte Helmut Hörath, Bayreuth, in einem Fach-Seminar.

Die Basis für das neue Gefahrstoffrecht bilden das

  • REACH-Konzept und das

  • Globale Harmonisierte System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS).


Foto: DAZ/Reimo Schaaf
Helmut Hörath

REACH und das Sicherheitsdatenblatt

Hinter der Abkürzung REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals) verbirgt sich die Neuordnung des Chemikalienrechts innerhalb der EU. Die betreffende Ver-ordnung ((EG) Nr. 1907/2006) ist bereits seit dem 1. Juni 2007 in Kraft, allerdings sind für ihre nationale Umsetzung noch zahlreiche Änderungen in bestehenden deutschen Rechtsvorschriften zu erwarten. So werden zum Beispiel die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) bis auf Weiteres unverändert angewendet, und auch das Chemikaliengesetz und die Gefahrstoffverordnung sind noch nicht angepasst. Für die Apotheken hat REACH nur marginale Bedeutung. Wichtig sind jedoch die Vorschriften über das Sicherheitsdatenblatt. In der Apotheke sollte darauf geachtet werden, dass zu den eingesetzten Chemikalien jeweils die neueste Version des Sicherheitsdatenblatts bei den Herstellern angefordert wird (Hinweis: Bei Neufassungen stehen die möglichen Gefahren unter 2., bei denjenigen nach alter Rechtslage unter 3.).

GHS für Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung

Mit dem Global Harmonisierten System (GHS) der Vereinten Nationen werden die bestehen-den nationalen Systeme zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt weltweit vereinheitlicht. Das GHS wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen für den Geltungsbereich der EU übernommen und führte gleichzeitig zur Änderung bzw. Aufhebung der Stoffrichtlinie (67/548/EWG), der Zubereitungsrichtlinie (1999/45/EG) und der REACH-Verordnung ((EG) Nr. 1907/2006). Die Publikation der EG-GHS-Verordnung (auch als EG-CLP-Verordnung – Classification, Labelling, Packaging – bezeichnet) im Amtsblatt der Europäischen Union vom 31. Dezember 2008 umfasst 1355 Seiten. Sie wurde in der Zwischenzeit mit der Verordnung (EG) Nr. 790/2009 der Kommission vom 10. August 2009 bereits einmal geändert.

Anwendung auf die Apotheke

Die GHS-Verordnung gilt für Apotheker sowohl als "Händler, der einen Stoff oder ein Ge-misch entweder lediglich lagert und an Dritte in den Verkehr bringt", wie auch als "nachge-schalteter Anwender, d. h. als Person, die einen Stoff oder ein Gemisch verwendet".

Das Gefahrstoffrecht wird zwar nicht auf Fertigarzneimittel angewendet, wohl aber auf deren Vorstufen und ist insoweit für jeglichen Umgang mit gefährlichen Chemikalien in der Apo-theke zu beachten. Tätigkeiten, die darunter fallen, sind zum Beispiel die Herstellung, Mi-schung, Lagerung und Aufbewahrung, Be- und Verarbeitung, Ab- und Umfüllung, Entfernung, Entsorgung und Vernichtung. Kommt es hier zu einem Unfall, so hat das Gefahrstoffrecht im Sinne des Arbeitsschutzes eine erhebliche Bedeutung für etwaige Schadensersatz- oder Versorgungsansprüche. Ein Arbeitgeber darf eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen deshalb erst aufnehmen lassen, wenn eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen wurde und die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen worden sind.

Was ändert sich mit GHS?

Die wesentlichen Änderungen, die sich aus GHS ergeben, sind in der Tabelle aufgeführt.

Nach GHS wird innerhalb der 28 Gefahrenklassen weiter differenziert und nach Gefahrenkategorien unterschieden, die in der Regel eine Abstufung der Stärke der jeweiligen Gefahr darstellen. Die Grenzen zur Einstufung (also z. B. Flammpunkt, LD50-Werte) weichen zum Teil von denen des bisherigen EU-Systems ab, so dass bestimmte Stoffe in Zukunft durchaus abweichend vom bisherigen Status eingestuft werden können. Eine Hilfestellung für die Anpassung der Einstufung an das neue Recht liefert die Umwandlungstabelle in Anhang VII der GHS-Verordnung.

Tab.: Wesentliche Neuerungen nach der GHS-Verordnung

1. Gefahrensymbole → 9 Piktogramme

2. Einteilung der gefährlichen Stoffe in drei Gruppen von Gefahrenklassen (physikalische, Gesundheits-, Umweltgefahren sowie die zusätzliche EU-Gefahrenklasse "Die Ozonschicht schädigend")

3. 15 Gefährlichkeitsmerkmale → 28 Gefahrenklassen

4. Gefahrenbezeichnungen (giftig, leichtentzündlich, etc.) → Signalwörter "Gefahr" (schwerwiegende Gefahr) bzw. "Achtung" (weniger schwerwiegende Gefahr)

5. R-Sätze → H-Sätze (= Hazard Statements), S-Sätze → P-Sätze (= Precautionary Statements)

6. Aufhebung der Stoffrichtlinie 67/548/EWG und der Zubereitungsrichtlinie 1999/45/EG und Integration in die GHS-Verordnung

7. Überarbeitung der Sicherheitsdatenblatt-Richtlinie 91/155/EWG und Integration in die REACH-Verordnung 1907/2006.


Kennzeichnung nach GHS

Die bisher in der EU geltenden Kennzeichnungsmethoden für Gefahrstoffe werden mit GHS durch die weltweit harmonisierten ersetzt. Diese enthalten die folgenden Elemente:

  • Gefährdungssymbole mit einem Signalwort, wobei die gewohnten rechteckigen orangefarbenen Gefahrstoffsymbole durch neue Gefahrenpiktogramme (rotumrandete Rauten mit schwarzen Symbolen auf weißem Grund) abgelöst und die bisher 15 Gefahrenzeichnungen auf lediglich zwei Signalwörter reduziert werden: "Gefahr" und "Achtung".

  • H-Sätze (Hazard Statements), ggf. spezielle europäische H-Sätze für Zusatzgefahren (EUH-Sätze)

  • P-Sätze (Precautionary Statements).

Abb.: Beispiel für die Kodierung eines Gefahrenhinweises nach GHS

Die Hinweiskodierungen erhalten dreistellige Nummern. Die Buchstaben stehen für die Art des Hinweises. Bei den H- und P-Sätzen steht die erste Ziffer für die Gruppierung der Gefahr (Bsp.: 2 = Physikalische Gefahren). Die letzten zwei Stellen beinhalten die laufende Nummer.

Die Abbildung zeigt ein Beispiel für die Kodierung eines Gefahrenhinweises (H-Satz).

Übergangsvorschriften

Die EU-GHS-Verordnung ist am 20. Januar 2009 in Kraft getreten. Die Vorschriften über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung können seit diesem Zeitpunkt bereits für chemische Stoffe und Gemische (nach bisherigem Recht: Zubereitungen) genutzt werden. Damit der Markt jedoch genügend Zeit zur Anpassung hat, gelten die bestehenden relevanten Vorschriften, das heißt die Stoffrichtlinie und Zubereitungsrichtlinie, für einen Übergangszeitraum fort, wobei die Fristen wie folgt festgelegt sind:

  • Stoffe müssen spätestens ab 1. Dezember 2010,

  • Gemische (Zubereitungen) ab dem 1. Juni 2015

nach dem neuen Recht eingestuft, gekennzeichnet und verpackt werden. Für Lagerbestände kann darüber hinaus noch eine zweijährige Übergangsfrist genutzt werden. Diese reicht

  • für Stoffe bis zum 1. Dezember 2012 und

  • für Gemische (Zubereitungen) bis zum 1. Dezember 2017.

Aufgrund der Übergangsregelungen können noch für einen recht langen Übergangszeitraum Chemikalien mit alten und neuen Kennzeichnungen in Verkehr sein.

Doppelkennzeichnung nicht zulässig

Hörath betonte, dass im Übergangszeitraum weder eine doppelte noch eine gemischte Kenn-zeichnung zulässig ist. Auch bei Produkten aus mehreren Bestandteilen muss auf jeden Fall alles einheitlich, das heißt, entweder nach den alten oder den neuen Regeln, gekennzeichnet werden. Er empfahl, sich frühzeitig mit den neuen Einstufungs- und Kennzeichnungsregeln auseinanderzusetzen, dennoch aber nichts zu überstürzen. Nähere Informationen sowie hilfreiches Informationsmaterial zu diesem komplexen Thema finden sich auf der Webseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). http://www.baua.de/


hb



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DAZ 2011, Nr. 14, S. 101

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