Arzneimittel und Therapie

Pharmazeutische Betreuung verbessert Therapie

Chronische Atemwegserkrankungen werden nicht früh genug erkannt und nicht konsequent genug behandelt. Von einer umfassenden leitliniengerechten Langzeittherapie ist Deutschland nach Einschätzung der Deutschen Atemwegsliga noch weit entfernt. So sinken Morbidität und Mortalität bei den chronischen obstruktiven Atemwegserkrankungen seit Jahren nicht. Die Schlüsselrolle der pharmazeutischen Betreuung in der Apotheke zeigt sich umso deutlicher, wenn man die Kommunikationsprobleme zwischen Ärzten und Patienten betrachtet.
Fehler bei der Inhalationstechnik - ein Hauptgrund für den mangelnden Therapieerfolg, können durch die Intervention von geschulten Apothekern signifikant gesenkt werden. [Quelle: Prof. Dr. Martin Schulz]

Ein Asthmapatient wünscht sich ein Gespräch mit seinem Arzt über Alternativen zur dauerhaften Inhalationstherapie. Er hat gehört, dass Yoga und Akupunktur helfen sollen. Der Hausarzt nimmt an, sein Patient möchte möglichst ohne große Untersuchungen seinen Vorrat an Dosieraerosolen auffüllen und zückt den Rezeptblock. Dies ist nur eines der fundamentalen Missverständnisse, die durch eine von der Deutschen Atemwegsliga geförderten Studie zur "Asthmabehandlung in der hausärztlichen Praxis" zutage getreten sind. Auch die Fallstricke, die anschließend in der Apotheke und bei der Anwendung der Präparate warten, wurden auf dem 52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in Dresden auf einer Pressekonferenz der Deutschen Atemwegsliga deutlich gemacht.

Eigenverantwortlichkeit der Patienten stärken

Wie Dr. Heidrun Lingner vom Institut für Allgemeinmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover berichtete, wurden für eine prospektive Studie 140 Asthmapatienten zwischen 19 und 77 Jahren aus Allgemeinarztpraxen rekrutiert und in fünf Gesprächsgruppen aufgeteilt.

Die Fragen an die Studienteilnehmer betrafen unter anderem ihre Erwartungen an die Therapie, eventuelle Ängste vor Cortison, die Meinung über DMP, alternative Therapien, aber auch finanzielle Aspekte der Erkrankung. Die Äußerungen der Teilnehmer wurden audiovisuell aufgezeichnet und anonymisierte Protokolle anschließend von einem interdisziplinären Team aus Ärzten, Medizinstudenten und Sozialwissenschaftlern ausgewertet.

Groß war die Diskrepanz zwischen Erwartungen und Wünschen der Studienteilnehmer an den Arzt und dem, was sie beim Arztbesuch in der Realität erlebten. Der starke Impuls der Asthma-Patienten nach Selbstbestimmung, der Wunsch, ernst genommen zu werden, sich intensiv mit Haus- und Facharzt auszutauschen und die Medikamenteneinnahme auf ein Minimum zu beschränken, schien vielen Ärzten nicht bewusst zu sein.

Cortisonangst und heimliches Absetzen

Die Auswertung der Gesprächsprotokolle zeigte zwar, dass sich die Teilnehmer aller Gruppen für die medikamentöse Therapie interessierten, es aber hierzu durchweg beträchtliche Wissenslücken gab. So gaben auffallend viele Teilnehmer an, bereits Medikamente abdosiert oder ganz abgesetzt zu haben, ohne ihren Arzt darüber zu informieren.

Einige jüngere Asthmapatienten nahmen an, die Behandlung mit inhalativen Corticosteroiden (ICS) sei die Ultima Ratio, die sie erst in einem späteren Lebensabschnitt mit schwererer Symptomatik einsetzen sollten. Auch die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Anwendung war teilweise unbekannt. Das Ziel nahezu aller Teilnehmer war es, die Dosis der inhalativen Corticosteroide auf ein Minimum zu begrenzen. Nur drei Studienteilnehmer passten ihre Medikation an regelmäßige Peak-Flow-Messungen an. Einige Männer zeigten sich zwar als begeisterte Protokollanten der Peak-Flow-Werte, konnten aber die Ergebnisse nicht richtig interpretieren.

Männer sind sich ihrer Wissenslücken nicht bewusst

Generell zeigten sich jüngere Teilnehmer in allen Bereichen schlechter informiert als ältere; Männer schlechter als Frauen. Trotzdem schlossen die meisten jungen Erwachsenen und alle teilnehmenden Männer die Teilnahme an einer Asthma-Schulung für sich kategorisch aus. Als Begründung wurde neben der falsch positiven Beurteilung der eigenen Sachkenntnis die Tatsache genannt, dass sich ein Schulungsprogramm nicht mit der Berufstätigkeit vereinbaren ließe. Moderne Schulungsmodule waren ebenso unbekannt wie die Möglichkeit, an ambulanten Kuren oder einer Lungensportgruppe teilzunehmen.

Beim DMP Asthma, das nach Ansicht der eingeschriebenen Teilnehmer zwar nicht die Therapie, wohl aber das Betreuungsverhältnis zum Arzt verbesserte, waren ebenfalls keine jungen Asthmatiker dabei. Als ihre wichtigste Informationsquelle nannten diese erwartungsgemäß das Internet, während ältere Patienten und hier vor allem die Frauen die Print-Medien aus der Apotheke schätzten. Auch die Beratung in der Apotheke wurde als wichtig und gut bewertet.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, wie nötig es ist, bei jeder Rezeptbelieferung mit einem Inhalationssystem gezielt nachzuhaken. Geschlossene Fragen wie: "Kennen Sie sich mit der Anwendung aus?" sollten vor allem bei jüngeren und männlichen Asthmatikern vermieden werden. Diese "gefühlt gut informierten" Patienten sollten aufgefordert werden, ihre technischen und praktischen Fähigkeiten zu demonstrieren bzw. zu beschreiben, um dann korrigierend einwirken zu können. Hierzu ist neben einer guten Kommunikation natürlich ein profundes Wissen aufseiten der Apotheker notwendig.

Leitlinien kommen nicht beim Patienten an

Die Schlüsselstellung des Apothekers in der Vermittlung der Inhalationstechnik bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen wurde durch Prof. Dr. Martin Schulz, Geschäftsführer des Bereichs Arzneimittel der ABDA und des Bereichs Pharmazie beim Deutschen Arzneiprüfungsinstitut, deutlich herausgestellt. Trotz großer Fortschritte in der Entwicklung neuer und immer effektiverer Therapien und Einführung moderner Schulungsmethoden sind Morbidität und Mortalität in den letzten Jahren nicht gesunken. Gründe sind die mangelnde Umsetzung von Leitlinien, Defizite im Selbstmanagement der Patienten, schlechte Therapietreue und fehlerhafte Inhalationstechnik.

So schwanken die Werte der Non-Adherence bei der medikamentösen Asthmatherapie zwischen 30 und 70%. 50 bis 80% der Asthmatiker wenden ihr Inhalationssystem fehlerhaft an.

Zur korrekten Handhabung eines Inhalators können visuelle, feinmotorische oder auditive Fähigkeiten und zum Teil erhebliche Kräfte notwendig werden, über die gerade ältere Patienten kaum verfügen. So kommt es im Extremfall dazu, dass der Patient unbemerkt keinen Wirkstoff inhaliert, weil das Pulverreservoir gar nicht perforiert wird. Eine repräsentative Untersuchung an bayerischen Patienten ergab, dass nur bei 1 bis 2% eine leitliniengerechte Arzneitherapie über den Zeitraum eines Jahres durchgehalten wurde. Die regelhafte Intervention in der Apotheke kann hier zu deutlichen Verbesserungen führen.

Effekt pharmazeutischer Interventionen belegt

In der VITA-Studie (Verbesserung der Inhalationstechnik bei Patienten mit Asthma oder COPD in öffentlichen Apotheken) wurde der Effekt einer einmaligen pharmazeutischen Beratung zur Anwendung der inhalativen Arzneimittel untersucht. Dabei demonstrierte der Patient die Inhalation seines Arzneimittels einem qualifizierten Apotheker, der dies mithilfe einer Checkliste bewertete. Bei festgestellten Fehlern wurde die korrekte Inhalationstechnik erläutert und bei Bedarf eingeübt. Vier bis sechs Wochen später demonstrierte der Patient die Anwendung des inhalativen Systems erneut. 79% der Patienten (n = 597) machten vor der Intervention einen oder mehrere der folgenden Anwendungsfehler:

  • 36%: nach Inhalation den Atem nicht angehalten
  • 29%: Dosieraerosol nicht geschüttelt
  • 27%: nach Inhalation eines Cortisons Mund nicht gespült

Nach der Intervention machten nur noch 28% der Patienten Anwendungsfehler. Die durchschnittliche Fehleranzahl pro Patient sank signifikant von 2,5 auf 0,5. Bemerkenswert war, dass die Verbesserung der Probanden unabhängig davon war, ob diese vorab bereits Schulungserfahrungen hatten oder nicht.

Einbindung der Apotheker in Versorgungsleitlinien

Die Einbindung der Apotheke ist laut Schulz vor allem deshalb vorteilhaft, weil durch die niederschwellige Erreichbarkeit eine durchgängige Therapiebegleitung ermöglicht wird und zielgerichtete Einzelinterventionen möglich sind. Nicht zuletzt durch die Rabattverträge wird der Apotheker immer häufiger mit Fragen zur korrekten Inhalation konfrontiert, denn die Systeme verschiedener Hersteller unterscheiden sich in der Handhabung zum Teil beträchtlich.

Mittlerweile gibt es bundesweit ca. 4000 durch die Bundesapothekerkammer und die Deutsche Atemwegsliga zertifizierte Apotheker, die eine besonders qualifizierte therapiebegleitende Betreuung bei chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen anbieten können. Obwohl diese Zusatzqualifikation an die Person und nicht an die Institution gebunden ist, sollten auf den Internetseiten der Kammern in Zukunft Apotheken mit einem solchen Zusatzangebot zu finden sein.

Da die strukturierte Bündelung aller Kräfte nötig ist, sollten laut Professor Schulz die Aufgaben von Arzt und Apotheker in der nationalen Versorgungsrichtlinie (NVL) Asthma gleichberechtigt nebeneinander stehen. Dieser abschließenden Forderung des Pharmazeuten stimmte der Mediziner und Vorsitzende der Deutschen Atemwegsliga Prof. Dr. Heinrich Worth vollkommen zu. Ein Kooperationsprojekt zwischen Atemwegsliga und Apothekerkammern wurde bereits initiiert.

Prävalenz steigt durch demografischen Wandel

Während die allmählich fortschreitende Verschlechterung der Lungenfunktion beim Asthma vom Patienten häufig verdrängt wird, ist durch die ständige Atemnot bei der COPD die Compliance meist besser. Hier liegt das größte Problem bei den stark steigenden Patientenzahlen. So steigt aufgrund der demografischen Verschiebung zum höheren Lebensalter die Asthma-Gesamtprävalenz trotz höherer Inzidenzen kaum an. Die COPD als typische Erkrankung der zweiten Lebenshälfte gewinnt dagegen mit einer Prävalenz von über 10% bei den über 40-Jährigen eine zunehmende Bedeutung.

Auch bei der COPD muss laut Worth die Implementierung vorhandener Leitlinien optimiert werden, wobei auch hier der Apotheker als wichtiger Kooperationspartner eingebunden sein sollte. Neben der Basistherapie mit langwirksamen Bronchodilatatoren und einer schweregradorientierten weiteren medikamentösen Therapie, sind Raucherentwöhnung und Bewegungstherapie die effektivsten Behandlungsmaßnahmen. Die fehlende Kostenübernahme der Raucherentwöhnung durch die Gesetzliche Krankenversicherung und die keineswegs flächendeckende Versorgung mit Lungensportgruppen wurden kritisch angemerkt und eine Spende in Höhe von 4200 Euro für den Lungensport an die Deutsche Atemwegsliga wurde mit Freude entgegen genommen.


Quelle

Prof. Dr. med. Heinrich Worth, Fürth; Dr. med. Heidrun Lingner, Hannover; Prof. Dr. Martin Schulz, Berlin: "Optionen für eine bessere Versorgung von Patienten mit Asthma und COPD", Pressekonferenz der Deutschen Atemwegsliga beim 52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V., Dresden, 7. April 2011.

www.versorgungsleitlinien.de/themen/asthma/pdf/nvl_asthma_lang.pdf


Apothekerin Ute Richter



DAZ 2011, Nr. 17, S. 36

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