Arzneimittel und Therapie

Kommt sie bald, die Pille für den Mann?

Vor allem eine zu geringe Zahl von Spermien im Ejakulat, deren verminderte Motilität oder ein zu hoher Anteil an fehlgeformten Samenzellen werden als Ursache für die Unfruchtbarkeit beim Mann genannt. Eine entscheidende Rolle spielt dabei jedoch offensichtlich ein Regulationsmechanismus, den Homburger Wissenschaftler jetzt aufgeklärt haben. Für die Heranreifung funktionsfähiger Spermien ist eine über einen bestimmten Calciumkanal gesteuerte Erniedrigung der Calciumkonzentration in der Nebenhodenflüssigkeit zwingend notwendig.

Ungewollt kinderlos sind in Deutschland schätzungsweise 15% aller Paare. In mehr als der Hälfte der Fälle liegen die Gründe beim männlichen Partner. Oligozoospermie (zu geringe Zahl der Spermien im Ejakulat), Asthenozoospermie (ihre verminderte Beweglichkeit) oder aber Teratozoospermie (ein erhöhter Anteil fehlgeformter Samenzellen) sind Ergebnis einer fehlerhaften Entwicklung funktionsfähiger Spermien. Sie werden nach ihrer Bildung in den Testes in den Nebenhodenkopf transportiert und anschließend im Nebenhodenschwanz gespeichert. Für die Entwicklung befruchtungsfähiger Spermien sind Calciumionen, vor allem aber deren spezifische Konzentration essenziell. Im Verlauf des Nebenhodens wird sie in der Nebenhodenflüssigkeit um rund 75% reduziert, damit funktionsfähige Spermien erhalten werden. Die Regulation der Konzentration an Calciumionen innerhalb der Zelle als auch in ihrer Umgebung war bislang weitgehend unbekannt.

Infertilität durch Inaktivierung eines Calciumkanals

Im Tierversuch konnten Wissenschaftler der Universität des Saarlandes jetzt die Bedeutung des calciumabhängigen TRPV6-Ionenkanals für die Regulation der Calciumionen-Konzentration und damit für die Funktionsfähigkeit von Spermien nachweisen. TRPV6-Kanäle waren zuvor bereits im Dünndarmepithel sowie in der Plazenta identifiziert worden, spezifische Calciumkanalblocker gibt es jedoch nicht. Die Pharmakologen vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie in Homburg verwendeten daher ein Tiermodell mit einer Mutation im Bereich der Kanalpore der TRPV6-Kanäle. Durch den Austausch einer Aminosäure wurde die Leitfähigkeit des Kanals für Ca2+-Ionen blockiert. Die Zahl der Spermien der männlichen Mäuse mit der Mutation im Trpv6-Gen war erheblich reduziert; sie zeigten eine deutlich geringere Motilität, waren zur Befruchtung isolierter Eizellen kaum noch fähig und brachten fast keine Nachkommen hervor.

TRPV6-Proteine konnten somit erstmals in der Membran von Epithelzellen des Nebenhodens, nicht aber in Spermien nachgewiesen wiesen. Die Kanäle steuern die Aufnahme der Calcium-Ionen über das Nebenhodenepithel. Die in dieser Weise vermittelte Reduzierung der Ca2+-Konzentration in der Nebenhodenflüssigkeit gewährleistet dann die Bildung funktionstüchtiger Spermien im Nebenhoden während des mehrere Tage währenden Reifungsprozesses. Spezifische TRPV6-Kanalhemmer könnten nach diesen Ergebnissen möglicherweise als "Pille für den Mann" kontrazeptiv wirken.


Quelle

Weissgerber, P.; et al.: Male Fertility Depends on Ca2+ Absorption by TRPV6 in Epididymal Epithelia. Sci. Signal., 3 May 2011, Vol. 4, Issue 171, p. ra27 , DOI: 10.1126/ scisignal.2001791].

Universitätsklinikum des Saarlandes und Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes: "Homburger Forscher finden neuen Regulationsmechanismus zur Entstehung funktionstüchtiger Spermien", Pressemitteilung vom 4. Mai 2011.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 19, S. 44

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