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Recht
Das AMG ist 50 geworden
Geht man vom Datum der Verkündung des ersten bundesdeutschen Arzneimittelgesetzes aus, so feiert das AMG in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum. Ein guter Anlass, sich an die Anfänge zu erinnern und die Entwicklung bis heute Revue passieren zu lassen.
Das Ur-AMG
Die "Geburtsstunde" des ersten Arzneimittelgesetzes (AMG) der Bundesrepublik Deutschland schlug am 16. Mai 1961. Vor diesem Datum konnte grundsätzlich jedermann ohne staatliche Erlaubnis und ohne Nachweis einer ausreichenden Sachkenntnis Arzneimittel herstellen und in den Verkehr bringen. 12 bis 15% der Arzneimittel wurden in Apotheken rezeptur- und defekturmäßig hergestellt – den Rest bildeten die industriell produzierten und oft außerhalb der Apotheke gehandelten "Spezialitäten".
Bis zu seiner Ablösung 15 Jahre später war das AMG von 1961 zwar 14-mal geändert worden, hatte sich aber in seinen Grundzügen als erstes einheitliches und umfassendes Spezialgesetz bewährt. Es gliederte sich in zehn Abschnitten und 65 Paragrafen (s. Kasten).
Aufbau des AMG 19611. Abschnitt: Begriffsbestimmungen 2. Abschnitt: Anforderungen an Arzneimittel 3. Abschnitt: Herstellung von Arzneimitteln 4. Abschnitt: Eintragung der Arzneispezialitäten in das Spezialitätenregister 5. Abschnitt: Arzneimittel, die einer besonderen Prüfung bedürfen 6. Abschnitt: Abgabe von Arzneimitteln 7. Abschnitt: Überwachung 8. Abschnitt: Schweigepflicht 9. Abschnitt: Straf- und Bußgeldvorschriften 10. Abschnitt: Übergangs- und Schlussbestimmungen |
Viele Änderungen
Die Basis des heute angewandten AMG geht zurück auf den 24. August 1976 und die Veröffentlichung des "Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln" im Bundesgesetzblatt. Das AMG 1976 brachte gegenüber seinem Vorgänger aus dem Jahr 1961 eine völlig neue Struktur, verbunden mit einem deutlich höheren Detaillierungsgrad (s. Kasten).
Aufbau des aktuellen AMG1. Abschnitt: Zweck des Gesetzes und Begriffsbestimmungen, Anwendungsbereich 2. Abschnitt: Anforderungen an die Arzneimittel 3. Abschnitt: Herstellung von Arzneimitteln 4. Abschnitt: Zulassung der Arzneimittel 5. Abschnitt: Registrierung von Arzneimitteln 6. Abschnitt: Schutz des Menschen bei der klinischen Prüfung 7. Abschnitt: Abgabe von Arzneimitteln 8. Abschnitt: Sicherung und Kontrolle der Qualität 9. Abschnitt: Sondervorschriften für Arzneimittel, die bei Tieren angewendet werden 10. Abschnitt: Beobachtung, Sammlung und Auswertung von Arzneimittelrisiken 11. Abschnitt: Überwachung 12. Abschnitt: Sondervorschriften für Bundeswehr, Bundespolizei, Bereitschaftspolizei, Zivilschutz 13. Abschnitt: Einfuhr und Ausfuhr 14. Abschnitt: Informationsbeauftragter, Pharmaberater 15. Abschnitt: Bestimmung der zuständigen Bundesoberbehörden und sonstige Bestimmungen 16. Abschnitt: Haftung für Arzneimittelschäden 17. Abschnitt: Straf- und Bußgeldvorschriften 18. Abschnitt: Überleitungs- und Übergangsvorschriften |
Die europäische und innerdeutsche Entwicklung führte zu mehreren AMG-Änderungen, sodass nach 18 Jahren, im Oktober 1994, eine Neufassung des AMG verkündet wurde, in welche die geltenden Änderungen aus zehn Gesetzen und Rechtsverordnungen eingearbeitet waren. Schon vier Jahre und sieben weitere Änderungen später war es im Dezember 1998 Zeit für eine zweite Neufassung. Die dritte und derzeit letzte Neufassung erfolgte im Dezember 2005, nachdem das AMG bereits 20-mal geändert worden war.
Nach seither über zehn, zum Teil sehr ausführlichen Änderungsgesetzen und mit zwischenzeitlich fast 150 Paragrafen erscheint im Interesse der Anwender eine weitere amtliche Neufassung überfällig.
Versteckte Paragrafen
Zu den Kernelementen des AMG zählen die staatlichen Anforderungen an Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel. Sie betreffen die Zulassung von Arzneimitteln, den Verkehr (Groß- und Einzelhandel) sowie die behördliche Überwachung. Das AMG dient dem Gesundheitsschutz und der Sicherheit von Mensch und Tier.
Ein Gesetz steckt den Rahmen ab; der Regelung von Details dienen Rechtsverordnungen. Der nähere Blick ins AMG verrät, dass der Gesetzgeber an vielen Stellen Verordnungsermächtigungen eingebaut hat, die zu entsprechenden Verordnungen geführt haben (s. Kasten).
AMG-basierte Rechtsverordnungen (Auswahl)
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Manchmal erinnert sich der Gesetzgeber an Wahlversprechen, den bestehenden Wust gesetzlicher Regelwerke nicht weiter ansteigen zu lassen. Er "versteckt" dann neue Vorschriften in alten Gesetzen. Auch das AMG wurde so missbraucht. Im Jahr 2007 erhielt es eine Anlage mit verbotenen Dopingmitteln. Außerdem wurde es um Bestimmungen zur Gewinnung, Bearbeitung und Prüfung von Geweben ("Gewebegesetz") erweitert, was die schon zuvor schwierige Lesbarkeit weiter verschlechterte.
Das dicke Ordner füllende deutsche Arzneimittelrecht wäre nicht vollständig ohne die Erwähnung der Verwaltungsvorschrift zum AMG. Die AMG-VwV richtet sich an die beteiligten Zulassungs- und Überwachungsbehörden. Sie enthält wichtige Vorgaben zur praktischen Umsetzung des AMG, beispielsweise zur Zusammenarbeit der beteiligten Zulassungs-, Überwachungs-, Zoll- und Strafverfolgungsbehörden.
Streitpunkt Arzneimittelbegriff
Die scheinbar banale Frage, ob es sich bei einem Produkt um ein Arzneimittel im Sinne der AMG-Definition handelt, führt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen, Gutachtern, Verwaltungsbehörden und Gerichten. Sind Misteltee oder Traubenkernextrakte eher Arznei- oder Lebensmittel? Wo verläuft bei Vitaminpräparaten die Grenze zwischen Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel? Gehören Zistrose-Lutschtabletten gegen Virusinfektionen zu den Medizinprodukten? Wie sind Räucherdrogen, Party-Lachgaskartuschen oder elektrische "Zigaretten" einzustufen? Warum gibt es für reines Wasser zur Injektion kein medizinisches Anwendungsgebiet, aber eine amtliche (Standard-)Zulassung als Fertigarzneimittel?
Vier Zulassungsbehörden
Deutschland, früher die "Apotheke der Welt", kann sich über den Verlust an pharmazeutischer Innovation damit trösten, vier Zulassungsbehörden für Arzneimittel zu beschäftigen. Der damalige Gesundheitsminister und heutige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer zerschlug 1994 das angesehene Bundesgesundheitsamt (BGA) in drei Zulassungsbehörden für klassische Arzneimittel, Sera und Impfstoffe sowie Tierarzneimittel:
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Bonn,
- Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Langen,
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Berlin (heute: Braunschweig).
Zu den rein nationalen Arzneimittelzulassungen kommt das zentrale europäische Zulassungsverfahren über die European Medicines Agency (EMA) in London – ursprünglich konzipiert für hoch innovative Biotech-Arzneimittel. Verblüffend, dass ausgerechnet ein pharmazeutisch wenig innovatives und ohne Biotechnologie hergestelltes Arzneimittel mit der EMA-Zulassung "geadelt" wurde: das Potenzmittel Viagra® .
1961 war sich die Politik noch einig, dass eine Registeranmeldung "nicht zu einem Hemmnis für die Entwicklung neuer Präparate führen und auch nicht die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie dem Ausland gegenüber gefährden dürfe" (Bericht des Gesundheitsausschusses des Bundestages). In den folgenden Jahrzehnten wurden die Anforderungen an Umfang und wissenschaftliche Qualität der für eine Arzneimittelzulassung erforderlichen Unterlagen drastisch erhöht. Unter dem Druck ökonomischer Zwänge wurde zusätzlich eine Nutzenbewertung neuer Arzneimittel eingeführt.
Ökonomie contra Pharmazie
Die letzten Jahrzehnte waren geprägt von vielen nur mäßig erfolgreichen Versuchen, die galoppierenden Kosten des Gesundheitswesens in den Griff zu bekommen, insbesondere im Bereich der Pharmakotherapie. Unter dem Druck der Gesetzlichen Krankenkassen regelte der Gesetzgeber die Erstattung von Arzneimitteln so, dass sie unter Missachtung ihrer Galenik auf ihren Wirkstoffgehalt reduziert wurden (Austauschbarkeit "wirkstoffgleicher Präparate"). Nachahmerpräparate (Generika), die überwiegend im osteuropäischen oder asiatischen Ausland hergestellt wurden und werden, verdrängten die deutschen Originale und vernichteten Arbeitsplätze in Forschung, Entwicklung und Produktion.
Weitere Einsparungen versprachen Re- und Parallelimporte: Aus EU-Mitgliedstaaten mit niedrigem Preis- und Lohnniveau werden Arzneimittel nach Deutschland verbracht, dort umgekennzeichnet und auf Geheiß der Kassen anstatt des zugelassenen, aber teureren Originals an die Versicherten abgegeben.
Ein politischer Kardinalfehler: Für die meisten der nicht der Verschreibungspflicht unterliegenden Arzneimittel entfiel mit einem Federstrich die Erstattung durch die Krankenkassen – eine gewaltige Aushöhlung des Prädikates "apothekenpflichtig".
Zur Entspannung besteht kein Anlass, denn unter dem Druck von Heimleitern wurde von Apotheken die Belieferung mit individuell portionierten Arzneimittelrationen ("Blister") gefordert. Dem wurde in § 21 AMG im Sinne einer Befreiung von der Zulassungspflicht Rechnung getragen. Aus pharmazeutischer Sicht ist es nicht sinnvoll, ein gegen Licht oder Luftfeuchtigkeit empfindliches Arzneimittel aus seinem – auf der Basis von Stabilitätsdaten zugelassenen – Primärpackmittel zu nehmen und in einem (nicht geprüften) Blister zu verpacken, in welchem sich weitere Medikamente mit anderen Wirkstoffen und Interaktionsmöglichkeiten befinden. Es besteht die Sorge, dass für Politik und Kassen Einsparmöglichkeiten bei chronisch Kranken wichtiger sind als pharmazeutische Bedenken.
Recht kuriosWenn in einem Drittstaat (z. B. USA, Indien, China) ein in Deutschland zugelassenes Arzneimittel hergestellt wird, muss vor der Einfuhr die für den Importeur zuständige deutsche Landesbehörde im Ausland den GMP-Standard des Herstellers überprüfen. Dasselbe gilt für die Einfuhr von Wirkstoffen humanen, tierischen, mikrobiellen oder gentechnischen Ursprungs. Ist das importierte Arzneimittel für den Einsatz in einer klinischen Prüfung bestimmt, so ist keine behördliche Auslandsinspektion erforderlich. Die Verantwortung trägt die Sachkundige Person des Importeurs. Soll ein Wirkstoff humanen, tierischen, mikrobiellen oder gentechnischen Ursprungs nach Deutschland importiert werden, um dort zu einem klinischen Prüfmuster verarbeitet zu werden, muss nach den Buchstaben des AMG eine Auslandsinspektion erfolgen. Alternativen: Abfüllung im Ausland oder Einfuhr über einen EU-Mitgliedstaat mit weniger restriktiven Importbestimmungen. |
Konkurrenz für Apotheker
Während in den Anfängen des AMG die Besonderheiten der Arzneimittel und die spezielle Kompetenz der Apotheker rund um diese besondere Ware klar anerkannt wurden, kam es in den Folgejahren zu einer fortschreitenden Aufweichung. Die Vertriebswegsregelungen für Arzneimittel wurden zulasten der Apotheke gelockert, bis hin zur Versorgung deutscher Verbraucher durch Versandapotheken in anderen EU-Mitgliedstaaten.
Für Apotheker in der Pharmaindustrie brachte das AMG in den letzten Jahren eine Reihe beruflicher Verschlechterungen. Früher waren Herstellungs- und Kontrollleiter eine klare pharmazeutische Domäne. Unter den Zwängen der Umsetzung von EU-Recht wurde das bewährte Vier-Augen-Prinzip auf eine "Sachkundige Person" reduziert – als ob die früheren Verantwortlichen nicht sachkundig gewesen wären. Als Schlüsselpersonal werden zwar noch ein Leiter der Herstellung sowie ein Leiter der Qualitätskontrolle gefordert, jedoch ohne obligatorische pharmazeutische Ausbildung. Ähnliches gilt für den Stufenplanbeauftragten, dessen notwendiger fachlicher Hintergrund durch EU-Recht verwässert wurde, was Nicht-Apotheker aufwertet.
Zu den Gründen für die schleichende Erosion der Apothekerkompetenz zählt nicht zuletzt die Ausweitung der Arzneimittelvarianten – von Blutzubereitungen bis zu Stammzellen, von Gewebezubereitungen bis zu somatischen Zelltherapeutika, von Radiopharmaka bis zu Biotechnologika.
Recht kuriosWenn ein Apotheker die Funktion einer Sachkundigen Person in der pharmazeutischen Industrie ausüben will, muss er eine mindestens zweijährige Tätigkeit auf dem Gebiet der qualitativen und quantitativen Analyse sowie sonstiger Qualitätsprüfungen von Arzneimitteln nachweisen. Diese praktische Tätigkeit muss in einem Betrieb mit Herstellungserlaubnis abgeleistet worden sein. Damit können berufliche Qualifizierungszeiten in den meisten öffentlichen Apotheken, in hoch spezialisierten reinen Prüfeinrichtungen sowie im Bereich der klassischen pharmazeutischen Herstellung nicht anerkannt werden. |
Ausblick
Dieser Beitrag stellt bewusst nur einige ausgewählte Aspekte in der Entwicklung des AMG vor – aus der Sicht eines Apothekers, der nichts zur Entstehung der Paragrafen beigetragen hat, aber täglich mit diesem Gesetz arbeiten muss.
Aus Sicht aller Nutzer – ob juristische Laien oder Experten – wäre es wünschenswert, dass künftige AMG-Novellen zu einer Vereinfachung und besseren Strukturierung dieses reichlich unübersichtlich gewordenen Gesetzes führen. Vor dem Hintergrund der notwendigen Harmonisierung politischer Aktivitäten im grenzenlosen EU-Raum sollten deutsche AMG-Sonderregelungen, die über das EU-Recht hinausgehen, der Vergangenheit angehören. Mit etwas politischem Mut müsste es möglich sein, alte Marketingzöpfe wie Pharmaberater oder Ärztemuster endlich abzuschneiden und durch eine unabhängige wissenschaftliche Information zu ersetzen. Für die Apothekerschaft wäre es erfreulich, nach langen Phasen apothekerunfreundlicher Regelungen positive Signale des Gesetzgebers zu erkennen – ganz im Sinne der AMG-Väter und -Mütter von 1961, denen die besondere Rolle von Apothekerinnen und Apothekern für einen funktionierenden Verbraucherschutz klarer war als manchem heutigen Politiker.
Recht kuriosViele Prüflabors in Deutschland führen als Dienstleister für ausländische Auftraggeber Qualitätskontrollen (z. B. Stabilitätsprüfungen) durch. Regelmäßig verweigern die Zollbehörden die Einfuhr der Prüfmuster aus Drittstaaten unter Hinweis auf § 73 Abs. 2 Nr. 2a AMG: Arzneimittel zu analytischen Zwecken dürfen nur in geringen Mengen von pharmazeutischen Unternehmern erlaubnisfrei eingeführt werden. Prüflabors sind keine pharmazeutischen Unternehmer im Sinne der AMG-Definition. Da die zu analysierenden Arzneimittel nicht zur Anwendung bei Patienten bestimmt sind, besteht im Grunde kein AMG-Regelungsbedarf. |
LiteraturPabel HJ. Arzneimittelgesetz, 12. Aufl. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2007. Stapel U. Die Arzneimittelgesetze 1961 und 1976. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 1988. Blasius H. 25 Jahre Arzneimittelgesetz. Dtsch Apoth Ztg 2003;143:5234 – 5243.Kloesel A, Cyran W. Arzneimittelrecht – Kommentar. 3. Aufl. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2011.
Autor
Dr. Michael Schmidt, Pfeiferstr. 15, 72108 Rottenburg
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