Fortbildung

Prophylaxe und rationale, leitliniengerechte Therapie

In der Praxis werden bei der Behandlung von Harnwegsinfekten die Empfehlungen nationaler und internationaler Leitlinien häufig nicht umgesetzt, was sich vor allem in unkritischen Antibiotikaverordnungen zeigt. Wann, wie lange und welches Antibiotikum eingesetzt werden sollte, erläuterte Ulrike Teerling, Paderborn.
Foto: DAZ/pj
Ulrike Teerling

Harnwegsinfekte sind in Deutschland die zweithäufigste Infektionskrankheit, von der aufgrund anatomischer Gegebenheiten Frauen viermal häufiger betroffen sind als Männer. Das Vorliegen von Risikofaktoren erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung. Dazu gehören sexuelle Aktivitäten innerhalb der letzten 14 Tage, Verhütung mit Scheidendiaphragma, Spermiziden oder Depot-Medroxyprogesteronacetat, eine vorangegangene Antibiotikatherapie, Diabetes, anatomische Besonderheiten oder Funktionseinschränkungen wie etwa eine neuropathische Blase oder funktionelle Obstruktionen. Ferner werden Harnwegsinfekte durch eine genetisch bedingte erhöhte Bereitschaft für die Adhäsion von Keimen am Uroepithel begünstigt.

Harnwegsinfekte können in zwei große Gruppen eingeteilt werden und zwar in unkomplizierte und komplizierte Infektionen. Zu den ersten zählen die asymptomatische Bakteriurie, die Zystitis und rezidivierende Infektionen, zu den zweiten die Pyelonephritis sowie Infektionen bei Schwangeren, Männern und Kindern. Unkomplizierte und komplizierte Infekte werden unterschiedlich therapiert und zwar mit verschiedenen Wirkstoffen und unterschiedlich lange.

Unkomplizierte Infekte

Eine asymptomatische Bakteriurie, die bei 1 bis 5% aller jungen Frauen und bei mehr als 75% aller Heimbewohnerinnen nachweisbar ist, muss – mit der Ausnahme von Schwangeren oder vor urologischen Eingriffen – nicht behandelt werden. Liegt eine unkomplizierte Zystitis vor, so sollte die Therapie kurz und effektiv sein. Die häufigsten Erreger sind Escherichia coli, Enterobakterien oder Staphylokokken. Die Mittel der Wahl sind Fosfomycin und Nitrofurantoin. Trimethoprim gilt aufgrund hoher lokaler Resistenzen gegenüber E. coli nur noch als Mittel der zweiten Wahl (siehe Tab. 1).

Tab. 1: Therapie der unkomplizierten Zystitis

Wirkstoff
Dosis
Dauer
Mittel der ersten Wahl
Fosfomycin
3 g
1 d
Nitrofurantoin ret.
100 mg 2 x täglich
5 (– 7) d
Mittel der zweiten Wahl
Ciprofloxacin
250 mg 2 x täglich
3 d
Levofloxacin
250 mg 1 x täglich
3 d
Norfloxacin
400 mg 2 x täglich
3 d
Ofloxacin
200 mg 2 x täglich
3 d
Cefpodoxim
100 mg 2 x täglich
3 d
Trimethoprim-Sulfamethoxazol*
160/800 mg 2 x täglich
3 d
Trimethoprim (TMP)*
200 mg 2 x täglich
5 d
*lokale E. coli Resistenz < 20%

Nitrofurantoin ist ein Hohlraumantiseptikum, mit dem keine Gewebespiegel erreicht werden können, das also nur lokal in der Blase wirkt. Selten auftretende Nebenwirkungen sind Lungenfibrose und Polyneuropathien. Bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz darf Nitrofurantoin nicht eingesetzt werden, bei älteren Patienten sollte vor der Therapie die Nierenfunktion überprüft werden. Bei Fosfomycin ist eine mögliche Resistenzentwicklung zu beachten, die derzeit noch keine große Rolle spielt, aber seit den gestiegenen Verordnungen von Fosfomycin beobachtet wird.

Zur Vorbeugung von Rezidiven eignet sich die niedrigdosierte Langzeitprophylaxe, die postkoitale Prophylaxe sowie bei gut informierten Patientinnen eine Stand-by-Therapie. Eine Alternative ist die Einnahme von Cranberry-Präparaten. Eine Cochrane Review zeigte im Vergleich zu einer Placebo-Therapie ein geringeres Auftreten von Rezidiven unter der Behandlung mit Cranberry. Mögliche Wechselwirkungen mit Warfarin und eine Erhöhung der Oxalatspiegel im Harn sind zu beachten.

Komplizierte Harnwegsinfektionen

Häufige Verursacher komplizierter Harnwegsinfektionen sind Escherichia coli, Enterobakterien, Pseudomonas und Staphylokokken. Bei schweren Infektionen oder Vorliegen bestimmter Risikofaktoren sollte ein Antibiogramm erstellt werden. Mittel der ersten Wahl sind Chinolone, die bei der Pyelonephritis deutlich länger eingenommen werden müssen als bei der Zystitis (siehe Tab. 2).

Tab. 2: Therapie der Pyelonephritis

Wirkstoff
Dosis
Dauer
Mittel der ersten Wahl
Ciprofloxacin
500 – 750 mg 2 x täglich
7 – 10 d
Levofloxacin
(250) – 500 mg 1 x täglich
7 – 10 d
Levofloxacin
750 mg 1 x täglich
5 d
Mittel der zweiten Wahl
Cefpodoxim
200 mg 2 x täglich
10 d
Ceftibuten
400 mg 1 x täglich
10 d
bei bekannter Empfindlichkeit
Trimethoprim-Sulfamethoxazol
160/800 mg 2 x täglich
14 d
Amoxicillin/Clavulansäure
500/125 mg 3 x täglich
14 d

Liegen sehr starke Beschwerden mit Übelkeit und Erbrechen vor, muss die Therapie eventuell intravenös initiiert werden und kann dann als orale Behandlung weitergeführt werden. Unter Fluorochinolonen sind mögliche Nebenwirkungen wie Sehnenruptur, epileptische Anfälle, psychiatrische Reaktionen, QT-Zeitverlängerungen und ein falsch positiver Opiatnachweis zu beachten. Problematisch ist die Entwicklung von Resistenzen unter dem unkritischen Einsatz von Chinolonen.


Internet


In der Schwangerschaft muss jede Bakteriurie therapiert werden, um mögliche Folgen einer Infektion wie vorzeitige Wehen oder Frühgeburten zu verhindern. In der Regel wird sieben Tage lang mit oralen Cephalosporinen behandelt. Ebenfalls obligat behandlungsbedürftig sind Harnwegsinfekte im Kindesalter, um dem Risiko einer Narbenbildung im Nierenparenchym vorzubeugen.


pj



DAZ 2011, Nr. 23, S. 60


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