Arzneimittel und Therapie

Erhöhtes Fieberkrampfrisiko nach MMRV-Vierfachimpfung

Seit 2006 sind in Deutschland zwei kombinierte Lebendimpfstoffe zur Immunisierung gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken (MMRV) zugelassen. Die STIKO empfiehlt zwei Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen zwischen dem 11. und 23. Monat nach der Geburt. Die Auswertung zweier großer Studien in den USA zeigt ein erhöhtes Risiko für Fieberkrämpfe wenige Tage nach der ersten Impfung mit einem MMRV-Kombinationsimpfstoff im Vergleich zur getrennten Verabreichung von MMR- und Varizellenimpfstoff. Möglicher Auslöser ist die Masernviruskomponente.
Foto: Chiron Behring
Eine Vierfachimpfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen führt im Vergleich zur getrennten Verabreichung von MMR- und Varizellenimpfstoff zu einem erhöhten Fieberkrampfrisiko. Auf EU-Ebene wurde beschlossen, einen entsprechenden Warnhinweis in die Fachinformation aufzunehmen. 

Seit Anfang der 70er Jahre stehen Dreifachkombinations-Impfstoffe gegen Masern, Mumps und Röteln zur Verfügung (MMR-Impfstoffe). 2006 wurden mit Priorix-Tetra® (GlaxoSmithKline) und ProQuad® (Sanofi Pasteur MSD) zwei kombinierte Lebendimpfstoffe für eine gleichzeitige Immunisierung gegen Varizellen (MMRV) zugelassen. Von diesen beiden MMRV-Impfstoffen ist allerdings lediglich Priorix-Tetra® im Handel. Demgegenüber stehen die entsprechenden Dreifachkombinations-Impfstoffe (Priorix® bzw. M-M-RvaxPRO®) und die monovalenten Varizellenimpfstoffe (Varilrix® bzw. Varivax®) derselben Hersteller. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Impfstoffen bestehen in der qualitativen (z. B. der Art der Attenuierung der Impfviren) und der quantitativen Zusammensetzung.

Getrennte Impfung offensichtlich verträglicher

Im Vergleich zur getrennten Verabreichung von MMR- und Varizellenimpfstoff (zwei Injektionen beim gleichen Arztbesuch) kommt es im Zeitraum von fünf bis zwölf Tagen nach der ersten Impfung mit einem MMRV-Kombinationsimpfstoff zu einem erhöhten Risiko für Fieberkrämpfe, bei der Zweitimpfung hingegen nicht. Möglicher Auslöser ist die Masernviruskomponente. Zu dieser Einschätzung kommt das Paul-Ehrlich-Institut im aktuellen "Bulletin für Arzneimittelsicherheit" nach der Auswertung von zwei großen US-amerikanischen Studien.

Eine Zunahme von Fieberreaktionen und Hautausschlägen innerhalb von fünf bis zwölf Tagen nach der ersten Impfung mit ProQuad® im Vergleich zur getrennten Verabreichung der Impfstoffe war bereits vor der Zulassung von ProQuad® in klinischen Studien beobachtet worden. Das zweifach erhöhte Risiko für Fieberkrämpfe – mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen sieben und zehn Tagen nach einer Impfung – durch ProQuad® gegenüber einer Immunisierung mit separaten Impfstoffen zeigte sich in zwei großen epidemiologischen Studien. In den USA haben diese Ergebnisse bereits zu Änderungen der Impfempfehlung geführt.

Eine Metaanalyse von klinischen Studien mit dem in Deutschland eingesetzten MMRV-Impfstoff Priorix-Tetra® zeigt ebenfalls Hinweise auf ein erhöhtes Fieberkrampfrisiko innerhalb von fünf bis zwölf Tagen im Vergleich zur gleichzeitigen Verabreichung der separaten Impfstoffe (MMR+V). Schon aufgrund der Analogie zu den aus den Untersuchungen mit ProQuad® erhaltenen Informationen haben die betroffenen EU-Mitgliedsländer im Mai beschlossen, die Ergebnisse der Metaanalyse zur Berücksichtigung bei der Impfentscheidung in der Fachinformation offenzulegen. Die Ergebnisse einer epidemiologischen Studie, die das Risiko von Fieberkrämpfen durch Priorix-Tetra® anhand von anonymisierten Krankenkassendaten auswertet, werden im kommenden Jahr erwartet.


Quelle

Koch, J; et al.: Erhöhtes Fieberkrampfrisiko nach Masern-Mumps-Röteln-Varizellen-Impfung. Bulletin für Arzneimittelsicherheit herausgegeben vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM, Bonn) und Paul-Ehrlich-Institut (PEI, Langen) 2: 14 – 17 (2011).


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 26, S. 41

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