Rechtsprechung aktuell

OHG-Apotheker darf auch Filialleiter sein

BERLIN (ks). Ein Apotheker, der mit Kollegen in der Rechtsform einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) eine Haupt- und eine Filialapotheke betreibt, kann auch verantwortlicher Leiter dieser Filialapotheke sein. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) entschieden. Dezidiert hat sich das Gericht dabei mit den einschlägigen Vorschriften des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordnung auseinandergesetzt.
(Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 27. Mai 2001, Az.: 22 BV 09.2402)

Das zuständige Landratsamt hatte den Antrag der OHG-Apotheker, einem von ihnen die Leitung der Filialapotheke zu übertragen, abgelehnt. Die Präsenzpflicht des § 2 Abs. 5 ApoG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nrn. 4 und 5, Abs. 2 ApBetrO schließe eine Personenidentität zwischen Betreiber des Apothekenverbunds und Verantwortlichem der Filialapotheke aus, argumentierte die Behörde. Die Gesellschafter der OHG erhoben Klage gegen den Bescheid und hatten mit dieser bereits in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht München Erfolg. Doch das Amt ging in Berufung – es konnte sich aber auch vor dem Bayerischen VGH nicht durchsetzen.

Ausführlich legt der VGH dar, dass die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen sei, dass der Benennung des einen OHG-Apothekers als Verantwortlichen für die Filialapotheke keine apothekenrechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Unmittelbar ist dies den einschlägigen Vorschriften nicht zu entnehmen. Eine ausdrückliche Regelung dazu, ob der Leiter einer Filialapotheke auch ein Gesellschafter einer OHG sein kann, der eine Erlaubnis für den Betrieb mehrerer Apotheken innehat und diese – zusammen mit einem weiteren Erlaubnisinhaber – betreibt, findet sich im Apothekengesetz nicht.

Wortlaut: Keine eindeutige Regelung

Zwar sprechen § 2 Abs. 5 Nrn. 1 und 2 ApoG als spezielle Regelungen für den Betrieb mehrerer öffentlicher Apotheken jeweils nur vom Betreiber im Singular – doch § 8 ApoG lässt auch mehrere Personen ohne Begrenzung nach oben als Betreiber mehrerer öffentlicher Apotheken zu. Auch die Regelungen in § 7 Satz 2 ApoG und § 2 Abs. 1 Nr. 5 ApBetrO stellen nur auf den Betreiber ab. Ebenso ist in § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoBetrO nur vom Inhaber der Apothekenbetriebserlaubnis in der Einzahl die Rede. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verweisung in § 8 Satz 4 ApoG, wonach die Sätze 1 bis 3 dieser Vorschrift für Haupt- und Filialapotheken entsprechend gelten. Ausgesagt werde damit lediglich, dass auch mehrere öffentliche Apotheken von mehreren Personen zusammen – unter anderem in der Rechtsform einer OHG – betrieben werden können, so der VGH. Ansonsten ist nicht geregelt, was bei einer Mehrzahl von Betreibern gelten soll. Nach dem Wortlaut der apothekenrechtlichen Bestimmungen ist die Leitung einer Filialapotheke durch einen OHG-Gesellschafter somit jedenfalls nicht ausdrücklich ausgeschlossen.


Auszug aus dem Apothekengesetz


§ 2 ApoG

(Abs. 1 bis 4)


(5) Für den Betrieb mehrerer öffentlicher Apotheken gelten die Vorschriften dieses Gesetzes mit folgenden Maßgaben entsprechend:

1. Der Betreiber hat eine der Apotheken (Hauptapotheke) persönlich zu führen.

2. Für jede weitere Apotheke (Filialapotheke) hat der Betreiber schriftlich einen Apotheker als Verantwortlichen zu benennen, der die Verpflichtungen zu erfüllen hat, wie sie in diesem Gesetz und in der Apothekenbetriebsordnung für Apothekenleiter festgelegt sind. Soll die Person des Verantwortlichen geändert werden, so ist dies der Behörde von dem Betreiber eine Woche vor der Änderung schriftlich anzuzeigen.

§ 8 ApoG


Mehrere Personen zusammen können eine Apotheke nur in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft betreiben; in diesen Fällen bedürfen alle Gesellschafter der Erlaubnis. Beteiligungen an einer Apotheke in Form einer Stillen Gesellschaft und Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, insbesondere auch am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge sind unzulässig. Pachtverträge über Apotheken nach § 9, bei denen die Pacht vom Umsatz oder Gewinn abhängig ist, gelten nicht als Vereinbarungen im Sinne des Satzes 2. Die Sätze 1 bis 3 gelten für Apotheken nach § 2 Abs. 4 entsprechend.

Das Leitbild des Apothekers

Die Systematik des Apothekengesetzes ist ebenfalls nicht eindeutig. Ausgehend vom Leitbild des "Apothekers in seiner Apotheke", das auch mit der Einführung des eingeschränkten Mehrbesitzes im Jahr 2004 im Grundsatz nicht aufgegeben wurde, kommt das Gericht allerdings zum Schluss, dass dem OHG-Apotheker die Filialleitung übertragen werden kann: "Diesem Leitbild von der eigenverantwortlichen und persönlichen Leitung einer Apotheke widerspricht es nicht, wenn von mehreren Apothekern als Betreibern eines derartigen Apothekenverbunds einer dieser Apotheker die Filialapotheke leitet. Diese Lösung kommt dem Leitbild im Gegenteil sogar näher als die Leitung durch einen angestellten Apotheker", heißt es im Urteil.

Als weiteres Argument führt das Gericht die Beweggründe des Gesetzgebers an, den Mehrbesitz in eng begrenztem Umfang zuzulassen: Damit habe er die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung und der Arzneimittelbeschaffung sowie die Flexibilität in der Warenbeschaffung und dem Personaleinsatz erhöhen sowie eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung des Apothekenwesens ermöglichen wollen. Bereits diese Zielsetzung spreche dafür, die Leitung einer Filialapotheke durch einen Gesellschafter der OHG zuzulassen, weil dadurch die personellen Ressourcen besser genutzt werden können und die Personalkosten für einen angestellten Apotheker entfallen.

Das Gericht ist auch nicht der Ansicht, dass der Betreiber hierarchisch über dem Filialleiter steht. Nach § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ApBetrO sei bei Filialapotheken neben dem Apothekenleiter auch der Betreiber für die Einhaltung der zum Betreiben von Apotheken geltenden Vorschriften verantwortlich. "Eine Vorrangstellung des Betreibers gegenüber dem Apothekenleiter hinsichtlich der Erfüllung dieser apothekenrechtlichen Verpflichtungen lässt sich diesen Vorschriften nicht entnehmen; vielmehr stehen die jeweiligen Verpflichtungen gleichrangig nebeneinander", heißt es im Urteil.

Verfassungskonforme Auslegung

Nicht zuletzt sei eine verfassungskonforme Auslegung des einfachen Rechts gefragt, da das Verbot der Filialleitung durch einen Gesellschafter und die Verpflichtung zur gemeinsamen Leitung der Hauptapotheke einen Eingriff in das Grundrecht der Berufs(ausübungs)freiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des jeweiligen Apothekengesellschafters darstellten. Nach § 8 Sätze 1 und 4 ApoG könnten zwar beliebig viele Personen als Gesellschafter einer OHG Betreiber auch mehrerer Apotheken sein. "Es liegt aber auf der Hand, dass eine Verpflichtung sämtlicher OHG-Gesellschafter zur persönlichen Leitung der Hauptapotheke aus organisatorischen und ökonomischen Gründen dazu führen kann, dass berufliche Kapazitäten jedenfalls des Apothekers ungenutzt bleiben müssen, für den eine zeitliche Begrenzung seiner Tätigkeit nicht seinem Willen entspricht, und dass andererseits die Anstellung externer Apotheker erforderlich wird", so das Gericht. Vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, die diesen Eingriff rechtfertigten, seien nicht zu erkennen.

Die Frist zur Einlegung der Revision ist in dieser Woche abgelaufen – bis Redaktionsschluss der DAZ war noch kein Rechtsmittel eingelegt worden.


Weitere Infos im Web


Das Urteil im Volltext finden Sie hier.



DAZ 2011, Nr. 33, S. 58

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