Praxis

Dekristol® 20.000 IE – off label und gefährlich?

(Bild: DAZ/Hammelehle)
Das verschreibungspflichtige Dekristol® 20.000 IE wird zunehmend zur einmal wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Vitamin-D-Substitution verordnet. Zugelassen ist es jedoch nur zur einmaligen Anfangsbehandlung bei Vitaminmangelzuständen. Erfolgt die Langzeitanwendung off label? Welche Daten liegen zur Langzeitsubstitution vor? Wann besteht die Gefahr einer Überdosierung? Welche Rolle spielt der Anteil des Fettgewebes für den Vitamin-D-Bedarf?
Abb. Einmalgabe von hochdosiertem Vitamin D3. Serum-Calcidiol-Zeitverlauf über sechs Wochen nach einer Einmalgabe von 100.000 IE Vitamin D3 (n=30). Die Werte stiegen im Schnitt auf 100 nmol/l (40 ng/ml) an und fielen innerhalb von zwei Monaten auf Werte unter 80 nmol/l (32 ng/ml) ab.

Das "Barometer" für den Vitamin D-Status ist der 25-OH-Vitamin-D3 -Spiegel im Serum. Ein Vitamin-D-Mangel liegt vor bei 25-OH-Vitamin-D3-Werten von < 30 ng/ml ( < 75 nmol/l).

Für einen normalen Vitamin-D-Status ist in unseren Breiten (> 37° Breitengrad) von Ende September bis Anfang April eine regelmäßige Einnahme von 2500 bis 4000 I.E. Vitamin D täglich notwendig, um einen normalen Vitamin-D-Status (25-OH-D: 32 – 64 ng/ml bzw. 80 – 160 nmol/l) aufrecht zu halten, da wir in diesem Zeitraum aufgrund der zu geringeren Sonneneinstrahlung und des zu geringeren UV-Index (UVI: < 3) selber kein Vitamin D mehr mithilfe des Sonnenlichts über die Haut bilden können.

Anstelle der täglichen Supplementierung von Vitamin D kann auch einmal wöchentlich oder einmal monatlich die Dosierung für die ganze Woche bzw. für den ganzen Monat eingenommen werden.

Die einmal wöchentliche oder monatliche Einnahme ist für viele Patienten einfacher und fördert die Compliance. Bei einer monatlichen Einnahme (z.B. einmalig 100.000 I.E. Vitamin D, siehe Abb.) steigt der 25-OH-Vitamin-D-Spiegel auf Normalwerte (z. B. 100 nmol/l) an und fällt innerhalb von 6 bis 8 Wochen wieder auf einen Spiegel von < 75 nmol/l (30 ng/ml). Um den Erfolg einer Vitamin-D-Supplementierung zu beurteilen und zu entscheiden, ob die jeweilige Dosierung – zum Beispiel einmal wöchentlich 20.000 I.E. – ausreicht, sollte grundsätzlich der 25-OH-D-Status nach etwa 6 bis 8 Wochen kontrolliert werden!

Kein Off-label-use bei regelmäßigen Kontrollen

Eine periodische oder tägliche Einnahme von Vitamin D ist notwendig, um in Deutschland im Herbst und Winter nicht in einen Vitamin-D-Mangel (< 30 ng/ml) zu rutschen, so dass die Anwendung von 20.000 I.E. Vitamin D (z. B. 1mal/Woche) kein Off-label-use im eigentlichen Sinne wäre, sondern in Verbindung mit der regelmäßigen labormedizinischen Kontrolle zur Prävention und Therapie des Vitamin-D-Mangels dient.

Eine Reihe von Arzneimitteln können als Induktoren der 24-Hydroxylase den Abbau von Vitamin D fördern und damit auch den notwendigen Vitamin-D-Bedarf erhöhen. Im Rahmen einer Dauer-Pharmakotherapie (z. B. Carbamazepin, Nifedipin, Tamoxifen), sollte daher immer auch der Vitamin-D-Status kontrolliert werden, da nicht auszuschließen ist, dass ein Arzneistoff als Ligand des Pregnan-X-Rezeptors die 24-Hydroxylase stimuliert und darüber einen Vitamin D-Mangel begünstigt.

Überdosierung erst ab 500 nmol/l

Die langfristige Einnahme von Vitamin D ist unter labormedizinischer Kontrolle der Vitamin D-Spiegel absolut sicher. Vor der Einnahme sollte grundsätzlich der 25-OH-D-Spiegel im Serum kontrolliert werden. Insbesondere bei Patienten, die Arzneimittel einnehmen, die zu einem erhöhten Bedarf an Vitamin D führen (siehe Gröber, Holick, Kisters: Med Mo Pharm 2011, Heft 10) sollte der Vitamin-D-Status grundsätzlich kontrolliert und gegebenenfalls kompensiert werden. Eine Erfolgs- und Verlaufskontrolle der Vitamin-D-Einnahme ist nach 6 bis 8 Wochen in jedem Fall sinnvoll. Mit toxischen Wirkungen ist nach den Arbeiten von Hathcock bei 25-OH-D-Spiegeln > 500 nmol/l bzw. 200 ng/ml zu rechnen. Die amerikanische Gesellschaft für Endokrinologie gibt bei Erwachsenen den UL (Upper safe limit) für Vitamin D von 10.000 I.E. Vitamin D pro Tag an (siehe DAZ 2011, Nr. 29, S. 67 ).

Der Parathormon-Spiegel sollte neben dem Calcidiol-Spiegel vor allem bei Herz-Kreislauf-Patienten, Krebspatienten und Medikation mit Bisphosphonaten mit bestimmt werden. Erhöhte Parathormon-Spiegel sind ein eigenständiger kardiovaskulärer Risikofaktor und scheinen nach aktuellen Studien auch den Krankheitsverlauf bei Osteoporose und Krebs sowie den pharmakotherapeutischen Erfolg einer Bisphosphonat-Therapie zu beeinträchtigen.

Mehr Vitamin D für Adipöse

Vitamin D wird im Fettgewebe gespeichert. Adipöse und übergewichtige Menschen benötigen daher für das metabolisch verfügbare 25-OH-Vitamin-D3 eine höhere Zufuhr an Vitamin D zur Normalisierung ihres Vitamin-D-Status. Auch in diesem Fall sollte vor der Einnahme der Vitamin-D-Status kontrolliert werden! Studien geben zunehmend Hinweise darauf, dass ein Vitamin-D-Mangel zum Übergewicht und metabolischen Syndrom beitragen kann. Eine gezielte Vitamin-D-Supplementierung kann eine erfolgreiche Gewichtsstabilisierung und Regulation des Insulinstoffwechsels unterstützen.

Die Antwort kurz gefasst

Die periodische Substitution von 20.000 IE Vitamin-D unter Verlaufskontrolle ist kein Off-label-use im klassischen Sinne.

Nach einer einmaligen Gabe von 100.000 IE Vitamin D werden 25-OH-Vitamin-D-Werte in einer Größenordnung von 100 nmol/l erreicht.

Mit toxischen Wirkungen ist ab 500 nmol/l zu rechnen.

Vitamin D wird bei Übergewichtigen und Adipösen vermehrt im Fettgewebe gespeichert, eine höhere Vitamin-D-Zufuhr ist erforderlich.

 

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Autor
Apotheker Uwe Gröber, Akademie für Mikronährstoffmedizin, Zweigertstr. 55, 45130 Essen



DAZ 2011, Nr. 39, S. 88

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