Arzneimittel und Therapie

Neue Antibiotika führen zur Selbstzerstörung von Bakterien

Viele Infektionserreger sind inzwischen resistent gegen zahlreiche Antibiotika. In Kliniken und Pflegeeinrichtungen stellen diese nosokomialen Keime ein erhebliches Problem dar. Neue Entwicklungen für eine Antibiotika-Therapie sind hingegen kaum in Sicht. Jetzt hat eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universitäten Bonn, Düsseldorf und Newcastle für eine neuartige Klasse von Antibiotika, die Acyldepsipeptide (ADEP), einen neuartigen Wirkungsmechanismus nachgewiesen, der sich von allen bislang bekannten unterscheidet.
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Acyldepsipeptid-Antibiotika mit bislang nicht bekannter Wirkungsweise zeigen vielversprechende Ergebnisse auch im Kampf gegen nosokomiale Infektionen.

Die Substanzen sind gegen zahlreiche Bakterien, auch gegen resistente Infektionserreger wirksam.

In den letzten 30 Jahren sind nur zwei Klassen neuartiger Antibiotika auf den Markt gekommen, die Oxazolidinone und die zyklischen Lipopeptide. Die Zunahme nosokomialer Infektionen und von Resistenzen gegen herkömmliche Antibiotika hat weltweit zu einer intensiven Suche nach neuen Wirkstoffen vor allem gegen bakterielle Infektionserreger geführt. Ein Schwerpunkt dabei ist das Screening auf antibiotisch wirksame Substanzen, die sich in ihrer Wirkungsweise grundsätzlich von der gegenwärtig eingesetzter Antibiotika unterscheidet.

Bakterien begehen regelrecht Selbstmord

Vor einiger Zeit hatten Wissenschaftler der Universitäten Bonn, Düsseldorf und Newcastle eine neue Klasse von antibiotisch wirksamen Verbindungen entdeckt. Jetzt konnten sie zeigen, wie sich die Acyldepsipeptide (ADEP) in ihrer Wirkungsweise von allen bislang bekannten Antibiotika unterscheiden. Sie greifen in eine Schlüsselstelle des bakteriellen Stoffwechsels ein. Zielmolekül der neuartigen Wirkstoffe ist die ClpP-Protease, ein Enzym, das normalerweise für das Recycling von defekten Proteinen zuständig ist. Das Enzym baue dadurch aber auch bakterieneigene Proteine ab, so die Wissenschaftler, die für den Bakterienstoffwechsel essenziell seien. Dazu gehöre das für die Zellteilung wichtige FtsZ-Protein. Die Mikroorganismen verlieren danach ihre Teilungsfähigkeit und sterben ab.

Die Acyldepsipeptide wirken gegen grampositive Bakterien, so auch gegen Staphylococcus aureus , ein in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gefürchteter Keim, der als Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) zwischenzeitlich gegen zahlreiche Antibiotika resistent ist. Nachgewiesen wurde auch die Wirksamkeit sowohl gegen Streptokokken, die Mittelohr-, Lungen-, oder Hirnhautentzündungen auslösen, als auch gegen Enterokokken, die Harnwegsinfekte, eine Sepsis oder Endocarditis verursachen können.

Bis zu einer möglichen Markteinführung der ADEP-Antibiotika sei es allerdings noch ein langer Weg, so die Wissenschaftler. Die Substanzen befänden sich zurzeit noch im Stadium der Grundlagenforschung, und zunächst müssten Studien an Tieren und Menschen die Wirksamkeit und Verträglichkeit des neuen Wirkstofftyps bestätigen. Es dauere in der Regel etwa acht bis zehn Jahre vom jetzigen Kenntnisstand bis zur Zulassung eines Antibiotikums. Weiterhin bleibt zu klären, ob Infektionserreger nicht wiederum in der Lage sind, auch gegen diese neuartigen Antibiotika Resistenzen zu entwickeln.


Quelle

Sass, P. et al.: Antibiotic acyldepsipeptides activate ClpP peptidase to degrade the cell division protein FtsZ. Proc. Natl. Acad. Sci. 2011; doi: 10.1073/ pnas.1110385108 vom 3. Oktober 2011.

Brötz-Oesterhelt, H. et al.: Dysregulation of bacterial proteolytic machinery by a new class of antibiotics. Nature Medicine 2005; 11(10): 1082 – 1087.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 41, S. 51

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