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Internet-Ärzte aus England – für deutsche Patienten

LONDON/HAMBURG (diz). Am 28. November eröffnete in London die erste Online-Arztpraxis, in der deutsche Ärzte deutschsprachige Patienten via Internet beraten und behandeln. Da deutsche Krankenkassen solche telemedizinischen Leistungen in der Regel nicht erstatten, müssen die Patienten die ärztliche Konsultation und die medikamentöse Verordnung selbst bezahlen. Die Privatrezepte werden den Patienten zugestellt oder auf Wunsch an die Hamburger Versandapotheke apo-rot weitergeleitet.
Alles online Auf der Website DrEd kann man sich telemedizinisch "behandeln" und auch Rezepte ausschreiben lassen, z. B. für Viagra oder die Antibabypille.

Besonders den Patienten mit "peinlichen" Problemen wollen die Online-Ärzte eine ärztliche Konsultation erleichtern, heißt es auf der Internetseite von "DrEd", so der Name der Online-Praxis (www.DrEd.com). Auf der Internetseite findet sich eine Liste mit sechs medizinischen Schwerpunkten, für die sich die Online-Ärzte vorrangig zuständig fühlen, darunter beispielsweise Männergesundheit (Impotenz), Frauengesundheit (Pille) oder sexuell übertragbare Krankheiten. Aber auch Asthma und Hypertonie stehen auf dem Programm.

Die Online-Arztpraxis wurde von den Unternehmern David Meinertz und Amit Khutti zusammen mit den beiden deutschen Ärzten Dr. Jasper Mordhorst und Sebastian Winckler gegründet. Erfahrungen konnten die Gründer in London bei Expert Health Ltd. sammeln, die die Online-Arztpraxis "DrThom" in England betreibt und als Pionier auf diesem Gebiet gilt. Alle vier waren zuvor bei "DrThom" beschäftigt. Expert Health Ltd. gehört heute zur Celesio-Gruppe. Die bei "DrThom" online behandelten Patienten werden im Übrigen exklusiv von der Lloyds Pharmacy versorgt, der Apothekenkette, die ebenfalls im Besitz von Celesio ist.

Gesellschafter von DrEd sind die Gründer sowie ein privater Investor. Um die Öffentlichkeitsarbeit der Online-Praxis kümmert sich Jens Apermann, der bereits 2000 am Aufbau der Versandapotheke DocMorris beteiligt war. Zuletzt war Apermann bei der Drogeriekette Budnikowsky tätig, um ein Franchise-Konzept auf den Weg zu bringen.

Die Online-"Sprechstunde"

Online-Arztpraxen sind in Großbritannien offiziell zugelassen durch die britische Care Quality Commission, die Ärzte sind bei der britischen Ärztekammer registriert. Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient erfolgt bei DrEd über eine Online-Patientenakte, auf die die Patienten Zugriff haben. Bei der Aufnahme einer Online-Sprechstunde beantwortet der Patient zunächst gezielte Fragen des Arztes (Beschwerden, medizinische Vorgeschichte, Medikamente, körperliche Messwerte). Wie aus den "häufig gestellten Fragen und Antworten" der Website hervorgeht, sei es dabei wichtig, "dass alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortet werden, denn nur so kann eine sichere Diagnose und Behandlung erfolgen".

Die Ärzte werten die Antworten aus und melden sich innerhalb weniger Stunden über die Online-Patientenakte beim Patienten. Die Ärzte stellen dann die Diagnose und schlagen dem Patienten eine (medikamentöse) Behandlung vor. Entscheidet sich der Patient für die Behandlung, wird das Honorar fällig (zwischen neun und 29 Euro). Die Online-Ärzte schicken die ausgestellten Rezepte an den Patienten selbst oder sie bieten die Auslieferung über die Hamburger Versandapotheke apo-rot an. Rezept oder Arzneimittel erhalten die Patienten dann nach etwa zwei bis drei Tagen.

Ärger vorprogrammiert

Wie Pressesprecher Jens Apermann gegenüber der DAZ erklärte, rechnet er zunächst nicht mit einem großen Ansturm an Patienten, aber man will sich überraschen lassen. Eher keine Überraschung dürfte es sein, so Apermann, wenn rechtliche Auseinandersetzungen mit niedergelassenen Ärzten auf DrEd zukommen, man erwarte sie schon. Darauf müsse man sich in Deutschland einstellen, wenn man solche neuen Wege anbiete. Laut einem Bericht im "Spiegel" bezeichnen Ärzte in Deutschland diese Art der Internetmedizin als "fahrlässig", "gefährlich" oder "katastrophal". Das Magazin hebt darauf ab, dass eine solche Art von Medizin in Deutschland undenkbar sei, da sich laut Berufsordnung Arzt und Patient für eine erste Diagnose gesehen haben müssen. Dirk Heinrich, der Vorsitzende des NAV-Virchow-Bundes (Verband niedergelassener Ärzte) warnt im "Spiegel": "Eine Diagnose aus einer Online-Befragung ist keine Diagnose, sondern eine Vermutung."

Aber das Internet-Ärzte-Portal gibt sich erst einmal zuversichtlich und beruft sich auf eine EU-Richtlinie. Danach dürfen sich Patienten ihren Arzt europaweit selbst aussuchen. Zudem ist es in England Ärzten erlaubt, Rezepte zu verordnen, wenn die Online-Praxis bei einer staatlichen Stelle registriert ist.

Viele Rezepte über die Antibabypille

Auf die Frage, welche Indikationen bzw. Fälle in Großbritannien die Online-Ärzte von DrThom zu bearbeiten hatten, konnte Apermann berichten, dass dort ein Schwerpunkt die Verordnung und Wiederholungsverordnung der Antibabypille sei, obwohl die Frauen diese ärztliche Online-Konsultation selbst bezahlen müssen im Gegensatz zur Konsultation eines niedergelassenen Arztes. Apermann erklärt dies mit Convenience-Effekten: Die oft berufstätigen Frauen bezahlen lieber das Online-Honorar als sich in die Wartezimmer zu setzen. Die Erkenntnis, dass Patienten dazu bereit seien, für eine Leistung zu bezahlen, die unter anderen Voraussetzungen auch die gesetzliche Krankenversicherung übernehmen würde, habe die Macher der deutschen Online-Ärzte auch dazu ermuntert, an den Start zu geben.

Versandapotheke apo-rot liefert

Nach der Behandlung bei "DrEd" kann der Patient entscheiden, ob ihm das Rezept zugestellt oder ob es an die Hamburger Versandapotheke apo-rot geschickt wird, die ihn dann beliefert. Wie von apo-rot auf Nachfrage der DAZ zu erfahren war, könne man zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf Erfahrungswerte mit einer Online-Arztpraxis zurückgreifen. "Wir haben keine speziellen Erwartungen", so die Pressesprecherin von apo-rot, "da wir lediglich die Rezepte übermittelt bekommen, die die Ärzte von DrEd.com ausstellen. Wir freuen uns, wenn wir auch diese Patienten von unserem Service überzeugen können. Die Ärzte von DrEd sind für uns Verordner, wie jeder andere Arzt im europäischen Ausland auch. Eine Erwartungshaltung im Bezug auf eine Menge haben wir hier nicht."

Hinter apo-rot steht eine Apothekenkooperation mit derzeit acht Partnerapotheken im Bundesgebiet und vier Apotheken in Hamburg. apo-rot wirbt damit, dass Kunden auch in den Partner-Apotheken zu "Preisen wie im Internet" einkaufen können.



DAZ 2011, Nr. 48, S. 30

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