Arzneimittel und Therapie

Dabigatran als Alternative zu Warfarin bei Vorhofflimmern?

Jeder Zehnte über 80-Jährige leidet an Vorhofflimmern mit dem Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Gerinnungshemmende Wirkstoffe können diese Gefahr deutlich reduzieren. In den USA ist für diese Indikation Warfarin Bestandteil einer Standardtherapie. Nachdem die Ergebnisse einer umfangreichen Studie vorgelegt worden waren, hat die US-Gesundheitsbehörde FDA 2010 Dabigatran (Pradaxa®) zugelassen. Jetzt haben US-Fachgesellschaften den direkten Thrombinhemmer als gleichwertige Alternative zu Warfarin bei bestimmten Indikationen empfohlen.
Schlaganfallprävention Vorhofflimmern ist die häufigste Art von Herzrhythmusstörung. Der Thrombininhibitor Dabigatran senkt das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. In den USA wird Dabigatran jetzt als gleichwertige Alternative zum Vitamin-K-Antagonisten Warfarin für die Verhinderung von Blutgerinnseln bei Patienten mit Vorhofflimmern angesehen. Foto: Boehringer Ingelheim

Die häufigste Herzrhythmusstörung ist Vorhofflimmern. In Deutschland gibt es etwa schätzungsweise 500.000 Patienten mit Vorhofflimmern. Ab einem Alter von 80 Jahren ist jeder Zehnte davon betroffen. Patienten mit Vorhofflimmern haben ein erhöhtes Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln; die Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden, erhöht sich dadurch erheblich. Mit Antikoagulanzien lässt sich dieses Risiko reduzieren. Zur Schlaganfallprävention wird in Deutschland zumeist der Vitamin-K-Antagonist Phenprocoumon, in den USA bislang Warfarin eingesetzt.

In den USA Dabigatran als Alternative zu Warfarin

Im Oktober 2010 hatte die FDA Dabigatran zur Schlaganfallprävention zugelassen. Das Präparat enthält als Prodrug Dabigatranetexilat. Kurz zuvor waren die Ergebnisse der RE-LY (Randomized Evaluation of Long-Term Anticoagulation Therapy)-Studie veröffentlicht worden. Gegenüber einer oralen Antikoagulation konnte Dabigatran die Rate von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern um 34% senken. Eine erhöhte Zahl von schweren Blutungen wurde dabei nicht beobachtet.

Erst im Dezember hatten die US-Fachgesellschaften American College of Cardiology, American Heart Association und Heart Rhythm Society ihre Leitlinien zur Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern aktualisiert. Damals wurde noch die Kombination von ASS plus Clopidogrel für jene Patienten empfohlen, für die eine Schlaganfallprävention sinnvoll erscheint, die jedoch nicht für eine orale Antikoagulation infrage kommen. Jetzt wird der direkte Thrombininhibitor als gleichwertige Alternative zu einer oralen Antikoagulation mit Warfarin empfohlen. Die Empfehlung gilt für Patienten mit "anfallsartigen" (paroxysmalen) oder permanentem Vorhofflimmern, wenn ein erhöhtes Risiko auf einen Schlaganfall vorliegt. Warfarin sollte aber vorgezogen werden bei Trägern künstlicher Herzklappen und bei signifikanten Erkrankungen der Herzklappen, der Niere oder der Leber.


Dabigatran


Dabigatranetexilat ist ein kleinmolekulares Prodrug, das keine pharmakologische Aktivität aufweist. Nach oraler Anwendung wird es rasch resorbiert und mittels Esterase-katalysierter Hydrolyse in Dabigatran umgewandelt, das ein stark wirksamer, kompetitiver, reversibler direkter Thrombinhemmer ist. Da Thrombin in der Gerinnungskaskade die Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin bewirkt, verhindert seine Hemmung die Thrombusentstehung. Darüber hinaus hemmt Dabigatran sowohl freies als auch fibringebundenes Thrombin und die thrombininduzierte Thrombozytenaggregation.

In Deutschland ist Dabigatran (Pradaxa®) seit 2008 zur Primärprävention einer Blutgerinnselbildung nach Hüft- und Kniegelenksoperationen zugelassen. Für die klinische Anwendung zur Prophylaxe von Schlaganfall und Blutgerinnseln bei Patienten mit Vorhofflimmern hat Dabigatran in Deutschland keine Zulassung.

Mit Apixaban (Bristol-Myers Squibb und Pfizer) und Betrixaban (Merck & Co und Portola Pharmaceutical) haben auch andere Pharmaunternehmen ähnliche Wirkstoffe in der Entwicklung.


Quelle

Connolly, S.J.; et al.: Dabigatran versus Warfarin in Patients with Atrial Fibrillation. N. Eng. J. Med. (2009) 361(12): 1139 – 1151.

American College of Cardiology/American Heart Association /Heart Rhythm Society Guidelines: New anti-clotting drug added to recommendations for treating irregular heartbeat. News Releases, 14. Februar 2011.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 8, S. 28

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