Management

Raus aus der Stressfalle

Es kommt auf die innere Einstellung an

Sie helfen ihren Kunden, nachts besser zu schlafen und empfehlen ihnen Mittel, um dem tagtäglichen Druck besser standzuhalten – doch wenn es um die eigene Person geht, tappen Apothekenmitarbeiter mitunter selbst in die Stressfalle. Das lässt sich ändern.

Wohl jeder – auch der bestorganisierteste Apothekenleiter – hat in seinem Leben und am Arbeitsplatz schon mal Stress erfahren. Und vielleicht ist es ja sogar schon fast die Regel geworden, dass man am Ende eines Arbeitstages sagt: "War das wieder ein Stress heute."

Wer allerdings "viel Arbeit" mit Stress gleichsetzt, sollte bedenken: Weder Chef, noch Mitarbeiter müssen wirklich gestresst sein, wenn beispielsweise mittags die gesamte Laufkundschaft gleichzeitig die Apotheke betritt, während man gerade versucht, einer demenzkranken Patientin beizubringen, dass man ihr eben nicht mal eben "die grünen" Tabletten (oder waren es doch die roten?) geben kann.

Denn entscheidend dafür, ob man sich gestresst fühlt, sind weniger die äußeren Faktoren, als die innere Einstellung. Besonders anfällig für Dauerstress sind Perfektionisten, weil sie sich selbst nie etwas recht machen können. Aber auch besonders ehrgeizige und engagierte Mitarbeiter stehen häufig unter Strom und werden von manchen auch als anstrengend empfunden: "Jetzt mach doch nicht so einen Stress, ich sitze auch nicht untätig herum", kann dann die Gegenreaktion einer Kollegin sein.

Wohltuender Gegenpol

Vielleicht gibt es im Team ja auch einen Gegenpol, der für Ausgleich sorgt: So ist beispielsweise die eine Mitarbeiterin die Ruhe selbst, obwohl ständig das Telefon klingelt, immer mehr Kunden in der Warteschlange stehen und zu allem Überdruss auch noch der Computer äußerst lange braucht, um eine Anfrage zu verarbeiten. Der Kollegin nebenan ist dagegen die Anspannung deutlich anzusehen und wohl jeder Kunde merkt, wie schwer es ihr fällt, sich zu beherrschen und auch noch ein freundliches Lächeln aufzusetzen. Hat man einen – oder sogar mehrere – Ruhepole im Team, ist das äußerst wohltuend. Und vielleicht schaffen es solche Mitarbeiter sogar noch, angespannte Situationen zu entkrampfen und andere wieder aufzuheitern.

Manche Mitarbeiter sind stressanfälliger

Sicherlich gehört ein gewisses Maß an Stress zum Beruf. Und deshalb sollte jeder Mitarbeiter auch in der Lage sein, professionell damit umzugehen. Den guten Rat, an einem Entspannungskurs teilzunehmen, Yoga oder Tai Chi zu betreiben oder einfach mal bei einem Spaziergang die Seele baumeln zu lassen, haben die Mitarbeiter sicherlich auch schon des Öfteren an die Kunden weitergegeben. Doch ihn selbst zu befolgen – und zwar gerade dann, wenn man nun wirklich "keine Zeit" dafür hat – fällt häufig schwer.

Allerdings ist Stress auch nicht gleich Stress: Während die einen Langeweile verabscheuen und erst dann richtig "in Form" kommen, wenn sie gefordert sind und zu wahren Höchstleistungen auflaufen, kämpfen andere mit Versagensängsten und können sogar gänzlich blockieren. Besonders gefährdet sind Mitarbeiter, die:

  • sich für alles verantwortlich fühlen, auch das, was sie nicht ändern können,

  • dazu neigen, vieles persönlich zu nehmen und sich gleich angegriffen fühlen,

  • Angst haben, etwas falsch zu machen,

  • überkorrekt und gewissenhaft sind,

  • ihre Kollegen als Konkurrenten betrachten,

  • ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung haben.

Druckfaktor Leistung

Vor allem leistungsorientierte Mitarbeiter sind sehr anfällig für Stress. Äußert der Apothekenleiter für "künftige Fälle" einen kleinen Wunsch, überschlagen sie sich fast und versuchen sofort alles zu tun, um ihn wieder zu versöhnen. Dass sich der Chef nur eine einfache, aber ehrliche Entschuldigung gewünscht hat und künftig mehr Achtsamkeit in einem bestimmten Bereich wollte, nehmen sie gar nicht mehr wahr. Typisch ist auch, dass sie ein Maximum an Leistung geben wollen, wo "nur" ein Optimum gefragt ist. Auf diese Weise überfordern sie sich permanent, ohne dass dies überhaupt nötig wäre.

Wer solche Mitarbeiter im Team hat, sollte sie keinesfalls mit Samthandschuhen anfassen, nur um sie zu "verschonen". Weitaus besser ist es, selbst entspannt, aber konsequent zu bleiben. Dies bedeutet, bestimmte Vorfälle, Kritik oder Wünsche sachlich zu besprechen und das Thema dann aber ruhen zu lassen. Es sei denn, der Anlass wiederholt sich.

Chefproblem Perfektionismus

Neigen Chefin oder Chef dagegen selbst zum Perfektionismus, kann dies dem Betriebsklima schaden und zu einer hohen Fluktuation führen. Wer an sich selbst überhöhte Ansprüche hat, läuft Gefahr, diese an die Mitarbeiter weiterzugeben und sie im schlimmsten Fall ungerecht zu behandeln. Wer dies von sich weiß, sollte einmal in sich gehen und sich ehrlich fragen, ob die eigenen Wünsche und Vorstellungen wirklich angemessen und gerechtfertigt sind.

Auch sollten gerade perfektionistisch veranlagte Apothekenleiter darauf achten, ihren Mitarbeitern die nötige Wertschätzung zukommen zu lassen. Denn wenn sie sich nicht geschätzt und anerkannt fühlen und glauben, sie werden immer nur kritisiert, weil sie vieles falsch machen, leidet ihr Selbstbewusstsein. Sehr sensible Mitarbeiter werden sich zurückziehen, aus Angst, etwas falsch zu machen. Robustere werden Dienst nach Vorschrift machen und sich innerlich abschotten – oder die Konsequenzen ziehen und sich einen anderen Arbeitsplatz suchen.

Druckfaktor Perfektion

Wer einen hohen Perfektionsanspruch hat, ist generell nie mit sich zufrieden. Hier hilft es, den Faktor Effizienz mit ins Spiel zu bringen und sich einmal zu überlegen, wie teuer es ist, stets perfekt sein zu wollen. Dazu lohnt es sich, Aufwand und Arbeitsergebnis gegenüberzustellen. Glaubt man der Pareto-Regel, dann verbringen Perfektionisten 20 Prozent ihrer Arbeitszeit damit, um 80 Prozent ihrer Ziele zu erreichen. Doch was ist mit den restlichen 80 Prozent der Zeit? Diese wird meist mit Tätigkeiten verbracht, die wenig wichtig sind und kaum zum Erfolg beitragen. Mit anderen Worten: Perfektionisten verschenken viel Energie und hindern sich selbst am Erfolg. Sie handeln schlichtweg unwirtschaftlich, wenn sie sich nicht konsequent disziplinieren und sagen: "Bis hierher und nicht weiter."

Die Probe aufs Exempel

Apothekenleiter, die zum Perfektionismus neigen, können einmal die Probe aufs Exempel machen und in unwichtigen Dingen kleine Fehler machen – natürlich nur da, wo niemand zu Schaden kommen kann. In den meisten Fällen werden sie erleben, dass rein gar nichts passiert – und dass der Fehler noch nicht einmal bemerkt wird. Und falls doch, hat das keine negativen Auswirkungen. Im Gegenteil: Die Mitarbeiter erleben, dass der Chef "auch nur ein Mensch" ist.

Druckfaktor Erwartung

Eine weitere Methode, sich selbst unter Druck zu setzen, sind Erwartungen, die meist gar nicht existieren. Dieses Problem haben häufig besonders gewissenhafte Mitarbeiter: Nach dem Motto "Das wird von mir erwartet" versuchen sie es jedem recht zu machen, opfern sich regelrecht auf und sind am Ende völlig erschöpft und dennoch unzufrieden.

Wer das bemerkt, sollte mit dem betreffenden Mitarbeiter reden oder ihm ab und zu einfach mal sagen: "Ist gut, das kann auch ich eben noch machen, Sie haben sich Ihren Feierabend verdient!", oder "Herr Meier hat ja gesagt, dass er sich meldet, wenn er das nicht macht, ist er selber schuld. Sie müssen ihm wirklich nicht noch hinterher telefonieren."

Persönliche "Druckprogramme" identifizieren

Wer aus dem Stress-Hamsterrad ausbrechen will, sollte seine persönlichen Druckprogramme identifizieren. Und er muss sich von Stressverursachern wie "Gib immer maximale Leistung!", "Sei perfekt!" und "Mach es allen recht!" verabschieden. Am besten gelingt dies, wenn man versucht, diese Programme durch neue zu ersetzen, also etwas Positives dagegen zu setzen. Wer sich dagegen nur auf das konzentriert, was er nicht möchte, dem geht es wie bei dem Versuch, sich "keinen rosaroten Elefanten" vorzustellen: Er wird genau das Bild von einem rosaroten Elefanten vor sich sehen.

Eine gute Methode, um sich selbst davor zu schützen, wieder in die Stressfalle zu tappen, ist es, innerlich "Stopp!" zu sagen: Sowie man merkt, dass die ersten Symptome einsetzen, distanziert man sich innerlich davon und stoppt.

Auch mal loslassen

Allerdings: Wer seine inneren Stressauslöser abschaltet, ist dennoch vor äußerem Stress nicht gefeit. Hier hilft es, klar zu trennen zwischen dem, was man beeinflussen kann und dem, was man akzeptieren muss. Beispiel: Fällt plötzlich der Strom für eine halbe Stunde aus, ist das ein Ereignis, worauf niemand im Team Einfluss hat. Doch manchmal kann es sogar ganz gut tun, hin und wieder Situationen zu erleben, in denen man mal "nichts" machen kann – und aus der kleinen "Zwangspause" schließlich doch noch eine "etwas andere", entspannte halbe Stunde wird.


Regina Mittenhuber, Kevelaer



AZ 2012, Nr. 25, S. 4

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