Ernährung

Metabolisches Syndrom

Pathophysiologische Grundlagen und rationale Empfehlungen zur Ernährungstherapie

Alexander Ströhle, Nicolai Worm | "Wohlstandssyndrom" – so lautet die prägnante Bezeichnung für ein Phänomen, das in den 1950er Jahren erstmals skizziert und im Jahr 1981 als "metabolisches Syndrom" (MetS) näher beschrieben wurde [66 – 68]. Dabei handelt es sich um eine vieldimensionale Störung des Stoffwechselgeschehens, charakterisiert durch abdominale Adipositas, Insulinresistenz, gestörte Nüchternglucose, Dyslipoproteinämie und Hypertonie. Eng mit dem metabolischen Syndrom assoziiert sind Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und nicht-alkoholische Fettleber [144 – 145] (siehe Abb. 1). Damit verbunden ist ein erhöhtes Mortalitätsrisiko: Auch ohne Diabetesmanifestation steigt das relative Risiko für tödliche und nicht kardiovaskuläre Ereignisse beim metabolischen Syndrom bereits um etwa das Zweifache an [56]; das metabolische Syndrom wurde deshalb nicht zu Unrecht als "tödliches Quartett" [93] bezeichnet. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass in den westlichen Industrienationen 20 bis 40% der Bevölkerung vom metabolischen Syndrom betroffen sind [67; 126], wird die große gesundheitspolitische Relevanz dieser modernen Epidemie deutlich. Ausgehend von den pathophysiologischen Grundlagen des metabolischen Syndroms beschreibt dieser Beitrag, inwieweit eine gezielte Lebensstilintervention das Krankheitsgeschehen positiv beeinflussen kann.

Der moderne Lebensstil, gekennzeichnet durch körperliche Inaktivität sowie quantitative und qualitative Fehlernährung, fordert seinen gesundheitlichen Tribut: Immer mehr Menschen sind weltweit von Über gewicht oder Adipositas betroffen, sodass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) von einer globalen Epidemie spricht. In Deutschland, so das Ergebnis der nationalen Verzehrsstudie II aus dem Jahr 2008, sind 66% der erwachsenen Männer und 51% der Frauen als übergewichtig oder als adipös einzustufen [22]. Auch immer mehr Kinder sind von der Adipositasepidemie betroffen. Wie die Daten des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) zeigen, sind 15% der Kinder in Deutschland übergewichtig; etwa 6% gelten als adipös. Im Alter von 14 bis 17 Jahren beläuft sich der Anteil der übergewichtigen oder adipösen Jungen und Mädchen auf 18,1% bzw. 6,4% [104].

Mit dem Anstieg der Prävalenz von Übergewicht und Fettsucht in den industrialisierten Ländern steigt auch die Prävalenz des metabolischen Syndroms, dessen klassische Komponente die viszerale (abdominale) Adipositas darstellt (siehe Tab. 1).

Tab. 1: Diagnosekriterien des metabolischen Syndroms [4]. Ein metabolisches Syndrom liegt vor, wenn mindestens drei der in der Tabelle genannten fünf Kriterien zutreffen.

Kriterien
Cut-off-Werte
Abdominale Adipositas
  • Männer: ≥ 941 cm (≥ 1022 cm)
  • Frauen: ≥ 801 cm (≥ 882 cm)
Hypertriglyzeridämie
Männer und Frauen: ≥ 150 mg/dl
(≥ 1,7 mmol/l) oder Therapie mit Triglycerid-senkenden Pharmaka
Erniedrigtes HDL
  • Männer: < 40 mg/dl (< 1,0 mmol/l)
  • Frauen: < 50 mg/l (< 1,3 mmol/l)
oder Therapie mit entsprechenden Pharmaka
Erhöhter
Nüchtern-Blutzucker
Männer und Frauen: ≥ 100 mg/dl (≥ 5,6 mmol/l) oder Therapie mit Antidiabetika
Hypertonie
Männer und Frauen: ≥ 130 mmHg systolisch und/oder ≥ 85 mmHg diastolisch oder antihypertensive Pharmakotherapie.

1 WHO-Wert für Europäer bzw. Personen mit europäischer Herkunft


2 Wert der European Cardiovascular Societies gilt für Europäer bzw. Personen mit europäischer Herkunft

Insulinresistenz – Bindeglied der Komponenten des metabolischen Syndroms

So heterogen die Symptome des metabolischen Syndroms auf den ersten Blick anmuten, so unterschiedlich scheint deren Pathogenese zu sein. Tatsächlich war lange Zeit unklar, wie es zum gemeinsamen Auftreten der Kardinalsymptome des metabolischen Syndroms – gestörte Nüchternglucose, Dyslipoproteinämie, Hypertonie und stammbetontes Übergewicht – kommt. Erst im Jahr 1988 stellte Gerald Reaven von der Stanford-Universität in Kalifornien eine vielbeachtete These zur Pathophysiologie des metabolischen Syndroms auf. Derzufolge ist die Insulinresistenz nicht nur das lang gesuchte Bindeglied der einzelnen Symptome des metabolischen Syndroms; vielmehr – so das Postulat Reavens – bildet die Insulinresistenz die pathophysiologische Basis, auf der sich sekundär Störungen wie Hyperinsulinämie, Hypergly kämie, Hypertonie und Dyslipoproteinämie entwickeln. Da die zellbiologischen und molekularen Zusammenhänge damals noch ungeklärt waren, bezeichnete Reaven das metabolische Syndrom als "Syndrom X" [146]. Heute, bald ein Vierteljahrhundert nach der epochemachenden Arbeit aus Stanford, sind viele der Zusammenhänge aufgeklärt; viele Facetten der einst unbekannten X-Variablen in ihren Grundzügen biochemisch entschlüsselt.

Tatsächlich kommt – wie richtig vermutet wurde – der Insulinresistenz die Schlüsselstellung bei der Pathogenese des metabolischen Syndroms zu [135; 139; 141 – 142; 153].

Pathophysiologie der Insulinresistenz

Wie bei den meisten Erkrankungen basiert auch die Insulinresistenz auf einer genetischen Prädisposition; ausschlaggebend für ihre Manifestation sind jedoch Umweltfaktoren. Neben chronobiologischen (Schlafstörungen) und psychosozialen (Dysstress) Einflussgrößen, mangelnder Sonnenlichtexposition und damit assoziierter Vitamin-D-Unterversorgung [18; 49; 133], zählen hierzu insbesondere körperliche Inaktivität sowie kalorische Über- und qualitative Fehlernährung [139; 143]. Die drei letztgenannten Faktoren führen sowohl auf direktem als auch auf indirektem Weg zur Störung der physiologischen Insulinwirkung (siehe Kasten "Molekularphysiologie des Insulin-Signalsystems") und damit letztlich zur Insulinresistenz der Skelettmuskulatur und der Leber (siehe Abb. 4).

Molekularphysiologie des Insulin-Signalsystems


Das Polypeptid Insulin ist das wichtigste anabole Hormon und besitzt eine Schlüsselfunktion bei der Regulation des Glucose- und Lipidstoffwechsels.


Aufbau Insulin besteht aus zwei Peptidketten – einer Kette A, die aus 21 Aminosäuren aufgebaut ist, und einer Kette B, die 30 Aminosäuren aufweist. Beide Ketten sind durch zwei Disulfidbrücken miteinander verknüpft.


Synthese Insulin wird in den β-Zellen der Langerhans‘schen Inseln des Pankreas gebildet. Wichtigster Induktor der Insulinsynthese ist Glucose, als Repressor fungiert Insulin selbst. Die Insulin-Biosynthese stellt einen vielstufigen Prozess dar. Dabei entsteht in den Ribosomen zunächst eine aus 104 Aminosäuren bestehende Insulin-Vorstufe. Dieses als Präpro-Insulin bezeichnete Zwischenprodukt besitzt ein Signalpeptid, mit dessen Hilfe die Peptidkette in das endoplasmatische Retikulum gelangt. Dort erfolgen die Abspaltung des Signalpeptids und die Ausbildung der Disulfidbrücken. Pro-Insulin, wie das entstandene Reaktionsprodukt genannt wird, gelangt dann in den Golgi-Apparat, wo ein weiterer Peptidrest, das 35 Aminosäuren umfassende C-Peptid, abgespalten und Insulin freigesetzt wird.


Speicherung und Sekretion Die Speicherung von Insulin erfolgt in speziellen Vesikeln, den β-Granula, in denen Insulin in Form von zinkhaltigen Hexameren vorliegt. Die Insulinsekretion erfolgt durch Ca2+-gesteuerte Exocytose, die durch einen Anstieg der Glucosekonzentration (> 5 nmol/l) ausgelöst wird.


Physiologische Wirkungen Mit Ausnahme der Erythrozyten weisen alle Gewebe eine – wenn auch zum Teil sehr geringe – Insulinsensitivität auf. Mit Blick auf die Glucosehomöostase sind die Effekte von Insulin auf die Skelettmuskulatur (Steigerung der Glucoseaufnahme und Glykogensynthese) und die Leber (Stimulation der Glykolyse, Glykogensynthese) von besonderer Relevanz. Alle Insulinwirkungen werden über den Insulinrezeptor vermittelt. Dabei handelt es sich um ein tetrameres Transmembranprotein aus der Familie der Tyrosinkinase-Rezeptoren. Die Bindung von Insulin aktiviert die Tyrosinkinase, wodurch die β-Untereinheit des Rezeptors (intrazellulär lokalisiert) autophosphoryliert wird. An die Phosphotyrosinreste binden nachfolgend Insulinrezeptor-Substrate (IRS-1 und -2), die hierdurch ihrerseits phosphoryliert werden und eine komplexe, vielstufige Signaltransduktionskaskade initiieren (siehe Abb. 2):

(1) Aktivierung einer Phosphatidylinositol-3-Kinase, die die Translokation der Glucosecarrier (GLUT-4) zur Zellmembran vermittelt und so die Glucoseaufnahme in die Muskelzelle stimuliert.

(2) Aktivierung einer cAMP-Phosphodiesterase, wodurch der intrazelluläre cAMP-Spiegel abfällt. Folge: Hemmung von Schlüsselenzymen der Glykogenolyse und Gluconeogenese sowie Stimulierung von Schlüsselenzymen der Glykogensynthese und Glykolyse in der Leber.

(3) Aktivierung von Mitogen-aktivierten Proteinkinasen (MAPK), die die Phosphorylierung von Transkriptionsfaktoren vermitteln und so die Genexpression beeinflussen [161].


Insulin-unabhängige GLUT-4-Translokation Unter körperlicher Aktivität gelangt Glucose vermehrt insulinunabhängig aus der Blutbahn in die Muskulatur. Auf molekularer Ebene ist dieses Phänomen unter anderem darauf zurückzuführen, dass – bedingt durch den gesteigerten ATP-Verbrauch des arbeitenden Muskels – die Verfügbarkeit an Adenosinmonophosphat (AMP) steigt. AMP fungiert als intrazelluläres Signal für Energiemangel und vermittelt die Phosphorylierung einer Proteinkinase (AMP-abhängige Kinase; AMPK), die hierdurch aktiviert wird [89]. In einer aktiven Form induziert AMPK nicht nur die Translokation des Glucosetransportproteins GLUT-4 aus dem Cytoplasma in die Muskelmembran, sondern phosphoryliert auch Schlüsselenzyme des Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsels. Dadurch werden ATP-generierende Prozesse wie Glykolyse und β-Oxidation stimuliert, ATP-verbrauchende Vorgänge wie die Fettsäurebiosynthese dagegen gehemmt [69] (siehe Abb. 3).


Quelle: 69; 89; 161

Folgende Mechanismen sind dabei von Relevanz [139; 152 – 153]:

  • Vergrößerung der viszeralen Fettdepots. Die Dysbalance zwischen der beschränkten subkutanen Fettspeicherkapazität und dem Angebot an Nahrungssubstraten einerseits und einer verminderten Substratoxidation andererseits bewirkt, dass der resultierende Energieüberschuss in Form von Triglyzeriden auch in anderen Geweben gespeichert wird. Dies bedingt eine Vermehrung ektopischer Fettdepots in Leber, Bauchspeicheldrüse, Muskel- und Herzgewebe [125] sowie eine gesteigerte Bildung von intraabdominalem Fett (viszerales Fettgewebe). Insbesondere Letzteres weist eine hohe Sensitivität für lipolytisch aktive Hormone auf, sodass freie Fettsäuren (FFS) vermehrt ins Blut und weiter zur Skelettmuskulatur und Leber gelangen [42]. Inwieweit dieser Prozess bei der Pathogenese der Insulin resistenz eine Schlüsselfunktion einnimmt, ist aber umstritten (siehe unten). Aktuelle Daten zeigen, dass hohe Spiegel an freien Fettsäuren keine notwendige Voraussetzung für die Ausbildung einer Insulinresistenz sind [94]. Entsprechend gewinnen andere Faktoren an Bedeutung. Dazu zählt eine Reihe biologisch hochaktiver Mediatoren (sog. Adipozytokine), die vom Fettgewebe sezerniert werden: Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α), Interleukin-6 (IL-6) und der TNF-α-Antagonist Adiponektin [187] (siehe Abb. 4). Allgemein gilt: Je höher die viszerale Fettmasse, desto höher die Konzentration von TNF-α bzw. IL-6 im Plasma. Umgekehrt gilt: Mit steigenden viszeralen Fettdepots sinken die Adiponektinspiegel [171].

  • Lipidakkumulation in der Muskulatur. Körperliche Inaktivität und die damit in Verbindung stehende Abnahme der Muskelkontraktion bewirkt dreierlei (siehe Abb. 4, linke Seite):
    (1) Verminderte Aktivierung der bewegungsinduzierten AMP-abhängigen Kinase (AMPK), wodurch wiederum die im Kasten erläuterte Insulin-unabhängige Translokation der Glucose-Carrier zur Zellmembran unterbleibt.
    (2) Verminderung der Oxidation von Nährstoffsubstraten, insbesondere von Fettsäuren via β-Oxidation in den Muskelzellen.
    (3) Abnahme der Mitochondriendichte (längerfristig), wodurch der bereits ohnehin eingeschränkte oxidative Abbau von Lipiden weiter stagniert. Die verminderte oxidative Kapazität des Muskelgewebes bedingt – zusammen mit dem Überangebot an Energiesubstraten (u. a. FFS aus den viszeralen Fettdepots) – eine vermehrte muskuläre Neusynthese von Lipiden. Längerfristig führt dies zur intramuskulären Lipidakkumulation, unter anderem von Ceramiden [6; 30] und Diacylglycerol [135; 152 – 153]. Nach neueren Befunden scheint Diacylglycerol eine Schlüsselfunktion bei der Ausbildung der muskulären Insulinresistenz einzunehmen. Tatsächlich ist das Lipid ein potenter Aktivator der PKCθ – einer Enzym-Isoform aus der Pro teinkinase-C-Familie (PKC), die insbesondere in der Muskulatur lokalisiert ist.
    Wie im Kasten "Molekularphysiologie des Insulin-Signalsystem" erläutert, stellt die Phosphorylierung der Insulinrezeptorsubstrate (IRS) eine Voraussetzung für die zelluläre Vermittlung des Insulinsignals dar. Während die Phosphorylierung der IRS unter normalen Bedingungen an den Tyrosinresten verläuft, katalysiert PKCθ einen alternativen Weg: Unter ihrem Einfluss erfolgt die Phosphorylierung an den Serinresten des IRS-Signal-Moleküls. Dadurch ist der physiologische Ablauf der nachgeschalteten IRS-abhängigen Phosphorylierungskaskade nicht länger gewährleistet, wodurch es letztlich zu einer Störung der Insulin-stimulierten Trans lokation der GLUT-Transporter in die Plasmamembran und eine Abnahme der Glykogensynthese kommt – die Muskelzelle ist insulin resistent geworden; Insulin büßt seinen Blutglucosespiegel-senkenden-Effekt ein [174].
    Neben der Diacylglycerol-vermittelten, PKCθ-abhängigen Fehlphosphorylierung scheinen auch Adipozytokine wie TNF-α und IL-6 an der Ausbildung der muskulären Insulinresistenz beteiligt zu sein. Beide Entzündungsmediatoren aktivieren verschiedene Serinkinasen (Iκ Kinase β und Jun-N-terminale Kinase), wodurch es ebenfalls zu einer alternativen Phosphorylierung der IRS-Serinreste kommt [152].

  • Lipidakkumulation in der Leber. Das metabolische Syndrom imponiert auch in der Leber durch eine gesteigerte Synthese von Diacylglycerol. Dieses führt – wie im Muskelgewebe – über die Aktivierung eines PKC-Isoenzyms (PKC ε) zu einer Störung der IRS-vermittelten Insulin-Signaltransduktion [103]. Ausdruck der hepatischen Insulinresistenz ist eine verminderte Glykogensynthese bei gleichzeitiger Steigerung der Glucoseneubildung aus Nicht-Kohlenhydraten (Gluconeogenese) und vermehrter De-novo-Synthese von Triglyzeriden. Letztere werden zum einen vermehrt in der Leberzelle akkumuliert, was längerfristig zur Ausprägung der nicht-alkoholischen Fettleber (NAFLD) führt. Zum anderen versucht die Leberzelle, das Überangebot an Triglyzeriden in Form von VLDL-Partikeln aus der Leber zu schleusen, was die Hypertriglyzeridämie bedingt [135; 152]. Zu den weiteren Störungen des hepatischen Stoffwechsels, die mit dem metabolischen Syndrom vergesellschaftet sind, zählen (siehe Abb. 4, mittlerer Teil) [106 – 107; 120]:
    (1) Abnahme der Insulinclearance (mitverant wortlich für die Hyperinsulinämie)
    (2) Dysfunktion des LDL-Rezeptors und einer dadurch bedingten Abnahme der LDL-Clearance (mitverantwortlich für die Ausbildung einer Dyslipoproteinämie)
    (3) Vermehrte Synthese von C-reaktivem Protein (CRP) (mitverantwortlich für die bei vielen MetS-Patienten zu findende "low-grade-Inflammation").

Zwischenfazit: Kardinalsymptome des metabolischen Syndroms sind stammbetontes Übergewicht, erhöhte Nüchtern-Blutglucosespiegel, Dyslipoproteinämie und Hypertonie. Basis der Störungen ist die periphere und hepatische Insulinresistenz. Sie ist zurückzuführen auf eine ektopische Lipidakkumulation (Diacylglycerol), die über eine Aktivierung spezifischer Proteinkinasen die Signaltransduktion des Insulin-Systems beeinträchtigt.

Von der Hyperinsulinämie zum β-Zellversagen

In der Anfangsphase des metabolischen Syndroms versucht der Organismus die Störung der Insulin-vermittelten Glucoseaufnahme zu korrigieren, indem das endokrine Pankreas vermehrt Insulin sezerniert (siehe Abb. 5). Dabei gilt: Je insulinresistenter eine Person ist, desto mehr Insulin wird benötigt, um eine normale Blutglucosehomöostase zu gewährleisten und die Normoglykämie zu erreichen. Aus diesem Grund bewegen sich die Nüchtern-Glucosespiegel bei Personen mit metabolischem Syndrom lange Zeit im Normbereich. Lediglich postprandial können unphysiologisch hohe Blutzuckerspitzen auftreten und auf die zugrundeliegende Störung hinweisen. Ein pathologisch postprandialer Blutglucoseanstieg (gestörte Glucosetoleranz – diagnostiziert durch den oralen Glucosetoleranztest; OGTT) wird in der Praxis meist erst nach Jahren beobachtet – nämlich dann, wenn die β-Zellen irreparabel geschädigt sind und die Insulinsekretion allmählich versiegt [50; 143]. Wodurch es zum β-Zell-Versagen kommt, ist nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden lipo- und glucotoxische Mechanismen sowie entzündliche Prozesse, die die Apoptose der β-Zellen einleiten [176] (siehe Abb. 4, rechter Teil).

Hyperinsulinämie – der hohe Preis der Normoglykämie

Hyperinsulinämie, so die bisherige Erkenntnis, ist Ausdruck des Bestrebens, trotz Insulinresistenz normnahe Glucosespiegel zu gewährleisten. Die kompensatorische Mehrsekretion an Insulin ist allerdings mit einer Reihe unerwünschter Begleiteffekte verbunden [141 – 143]. Davon betroffen sind:

  • Fettgewebe. Insulin ist ein potenter Induktor der Adipogenese, indem es die Ausdifferenzierung mesenchymaler Stammzellen zu Präadipozyten und weiter zu Adipozyten stimuliert [136]. Im Frühstadium der Insulinresistenz wird die Bildung von Fettgewebe vermutlich zusätzlich forciert, indem Insulin die Nahrungsaufnahme und damit das Substratangebot steigert [161]. Diese Vorgänge münden in einen sich gegenseitig aufschaukelnden Prozess, bestehend aus Hyperinsulinämie, insulinstimulierter Fettgewebsbildung und einer dadurch verstärkten Insulinresistenz, wodurch wiederum die Insulinsekretion ansteigt [136].

  • Niere und sympathogenes Nervensystem. In den Nierentubuli stimuliert Insulin die Rückresorption von Natrium und Wasser aus dem Primärharn. Dies hat eine Volumenexpansion des Extrazellularraums und letztlich eine Erhöhung des Blutdrucks zur Folge. Zudem aktiviert Insulin das sympathogene Nervensystem, was ebenfalls zur Entstehung einer Hypertonie beiträgt. Auch ist bekannt, dass Insulin die tubuläre Harnsäure-Clearance herabsetzt, woraus eine Hyperurikämie resultieren kann, die wiederum das Risiko für Gicht erhöht [141].

  • Leber. Hier steigert Insulin die Expression des Transkriptionsfaktors SREBP-1c, einem Induktor von Schlüsselenzymen der Lipogenese [61; 80]. Entsprechend wird vermutet, dass die Steigerung der hepatischen Triglyzeridsynthese, wie sie bei insulinresistenten Personen beobachtet wurde, Ausdruck der Hyperinsulinämie ist [135]. Die vermehrt gebildeten Triglyzeride gelangen in Form von VLDL-Partikeln ins Blut, woraus eine Hypertriglyzeridämie resultiert, was wiederum einen Abfall des HDL-Cholesterols bedingt [186].

  • Gefäßendothel. In der Gefäßwand kommt es bei Hyperinsulinämie zu einer verminderten Synthese von Stickstoffmonoxid (NO) bei gleichzeitig gesteigerter Bildung von Endothelin 1 (ET-1). Ausdruck dieser Dysbalance ist die endotheliale Dysfunktion, u. a. gekennzeichnet durch Vasokonstriktion und erhöhte vaskuläre Permeabilität. In Verbindung mit dem bei Insulinresistenz zu beobachtenden Anstieg des Proinsulin-Insulin-Quotienten und einer dadurch bedingten Mehrsynthese von PAI-1 (Plasminogen Aktivator Inhibitor 1) – einer antifibrinolytischen Verbindung – fördert Hyperinsulinämie auf diesem Wege die Atheroskleroseentstehung bzw. das Risiko für Infarkte [50].

  • Ovar. Die Ovarien zählen zu den besonders insulinsensitiven Geweben. Unter Einfluss von Insulin synthetisieren sie vermehrt Testosteron. Erhöhte Insulinspiegel, wie sie bei Frauen mit Insulinresistenz und polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS) zu beobachten sind, führen so zu Hyperandrogenismus, wodurch die PCOS-Symptomatik sich weiter verstärkt. Dabei gilt: je insulinresistenter die Frau, desto höher die Testosteronkonzentration im Plasma [12].

  • Kolon und Rektum. Hyperinsulinämie steht in Zusammenhang mit einer Abnahme der Bindungsproteine für IGF (Insulin Growth Factor) und einer dadurch erhöhten Verfügbarkeit an freiem, biologisch aktivem IGF-1. Sowohl Insulin als auch IGF-1 stimulieren als Wachstumsfaktoren die Zellproliferation und das Tumorwachstum. Darüber hinaus hemmt Insulin die Apoptose von Krebszellen [162]. Diese Zusammenhänge erklären, weshalb das Dickdarmkrebsrisiko bei Insulinresistenten [172] und Patienten mit gestörter Glucosetoleranz [164] deutlich erhöht ist.

Zwischenfazit: Ausdruck der Insulinresistenz ist die Hyperinsulinämie. Ihr wird bei der Entstehung von Hypertonie, Dyslipoproteinämie und Hyperurikämie sowie weiterer Störungen eine Schlüsselfunktion zugesprochen.

Lebensstilintervention – Basis einer rationalen Therapie

Ausgehend von den bislang dargestellten pathophysiologischen Zusammenhängen ergibt sich für die Therapie des metabolischen Syndroms eine Reihe von Ansatzpunkten. Ziel einer rationalen Ernährungstherapie des metabolischen Syndroms ist es [2; 112; 124; 132; 139; 184]:

  • Übergewicht zu beseitigen, ektopische Fetteinlagerungen zu reduzieren und so die Insulinsensitivität zu verbessern.

  • Eine langfristige Gewichtskontrolle zu ermöglichen.

  • Den (postprandialen) Dysmetabolismus (Hyperglykämie, postprandiale Blutzuckerspitzen, kompensatorische Hyperinsulinämie) positiv zu beeinflussen.

  • Die mit dem metabolischen Syndrom assoziierten kardiovaskulären Risikofaktoren (Dyslipoproteinämie und Hypertonie) zu mindern.

  • Eine Lebensmittelauswahl zu gewährleisten, die eine hohe Zufuhr von Mikronährstoffen (Vi t amine, Mineralstoffe), sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen gewährleistet und langfristig das Risiko für Erkrankungen, die mit dem metabolischen Syndrom assoziiert sind (u. a. Krebserkrankungen), reduziert.

Verbesserung der Insulinresistenz mittels Gewichtsreduktion

Zwischen der Gesamtkörperfettmasse (bemessen am BMI) bzw. der viszeralen Fettmasse (bemessen am Taillenumfang) und der Insulinsensitivität besteht eine enge positive lineare Beziehung, sodass im Allgemeinen gilt: Je übergewichtiger eine Person ist, desto ausgeprägter ist die Insulinresistenz (siehe Abb. 6) [47]. Es gibt aber auch bei Normalgewichtigen ca. 10 – 15% mit gestörter Fettspeicherung, die größere Mengen ektopisches Fett einlagern (TOFIs) und dadurch die gleichen metabolischen Entgleisungen aufweisen wie Übergewichtige mit abdominellem Fettansatz [170]. Die Reduktion von Körperfett bildet daher das primäre Ziel, um die Insulinsensitivität von Patienten mit MetS zu verbessern. Tatsächlich scheint eine Reduktion der Fettmasse im Allgemeinen direkt mit der Abnahme der Insulinresistenz zu korrelieren [116]. Entsprechend führt eine Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Personen typischerweise zu einer merklichen Absenkung der Nüchternglucose-spiegel: Pro 10 kg Gewichtsreduktion kommt es zu einem Abfall der Nüchternkonzentration um 30 bis 40 mg/dl [8]. Mehrere Lebensstilinterventionsstudien haben dann auch bei übergewichtigen Personen gezeigt, dass das Diabetes-Risiko durch Gewichtsreduktion und Anhebung der körperlichen Aktivität effektiv reduziert werden kann (relative Risikoreduktion: 38 – 58%) [99; 173]. Als Wirkmechanismus gilt die mit der Lebensstilintervention erhöhte Insulinsensitivität. Allein schon durch die Reduktion von Übergewicht wird typischerweise die Insulinsensitivität verbessert und die Manifestation des metabolischen Syndroms gemindert [145].

Konzepte zur Gewichtsreduktion

Um eine dauerhafte Gewichtsreduktion zu erzielen, kommen multimodale Therapiekonzepte zum Einsatz. Diese umfassen neben diätetischen Maßnahmen auch bewegungs- und verhaltenstherapeutische Elemente [72]. Eine nennenswerte Gewichtsreduktion wird prinzipiell eher mit einer diätetischen Maßnahme als durch Sport erreicht [52]; eine alleinige Änderung des Aktivitätsverhaltens bewirkt in der Regel keine relevante Verminderung des Körpergewichts [20].

Primäres Ziel der Ernährungstherapie ist die Senkung der Energiezufuhr, um so eine negative Energiebilanz zu erzielen. Eine Gewichtsreduktion lässt sich prinzipiell mit jeder Art von Diät erzielen – vorausgesetzt, sie ist hypokalorisch [165].

Für die Praxis sind folgende ernährungsmedizinische Interventionen von Relevanz:

  • Fettreduzierte Kostformen (Low-Fat-Diäten) Seit vielen Jahren wird von Fachgesellschaften die "ad libitum" zugeführte, fettreduzierte (Begrenzung der Fettzufuhr auf etwa 60 g/Tag), kohlenhydratbetonte Diät favorisiert. Hierdurch lässt sich – bei einem angestrebten Energiedefizit von etwa 500 kcal/Tag – ein mittlerer Gewichtsverlust von 3 bis 4 kg erzielen. Die Gewichtsreduktion ist dabei umso ausgeprägter, je höher das basale Körpergewicht und der vorherige Fettverzehr waren [36]. Kritisch anzumerken ist, dass der Gewichtsverlust typischerweise während der ersten sechs Monate erreicht wird [13; 178]; danach kommt es meist zu einer Wiederzunahme. Nach zwei Jahren beträgt der Gewichtsverlust im Mittel nur noch ein bis zwei Kilogramm [13] und nach weiteren Jahren ist das Ausgangsgewicht wieder erreicht [81; 167]. Auch gibt es keine Evidenz dafür, dass Low-Fat-Diäten in Bezug auf die Gewichtsreduktion effektiver sind als andere kalorisch reduzierte Diätformen [137; 165].

  • Kohlenhydratreduzierte Kostformen (Low-Carb-Diäten) Im Rahmen der Adipositastherapie sind in den letzten Jahren vermehrt kohlenhydratreduzierte Kostformen (Low-Carb-Diäten) auf ihre Effektivität hin getestet worden. Randomisiert-kontrollierte Studien liegen bislang allerdings nur für einen Interventionszeitraum von bis zu 24 Monaten vor. Dabei zeigte sich, dass die Gewichtsverluste unter Low Carb anfänglich mit 5 bis 8 Kilogramm signifikant um rund 3 Kilogramm stärker ausfallen als unter Low Fat [78; 130]. Danach ist aber auch unter Low Carb eine Gewichtszunahme zu beobachten. Nach 12 Monaten ist der Gewichtsverlust unter Low Carb zwar immer noch um rund 1 bis 2 kg größer als unter Low Fat, der Unterschied zwischen diesen beiden Diätformen ist aber nicht mehr statistisch signifikant [57; 130] (siehe Abb. 7). Nach zwei Jahren fällt die Differenz in der Gewichtsentwicklung zwischen den Diätformen immer geringer aus, was auf die nachlassende Compliance unter allen Diätformen zurückzuführen sein dürfte [151].

  • Kohlenhydratmodifizierte Kostformen Neben den typischen Low-Carb-Diäten (z. B. Atkins) existiert eine Reihe von Diätvarianten, die auf eine Modifikation der qualitativen und der quantitativen Kohlenhydratzufuhr abzielen: Reduktion des glykämischen Index (GI) und/oder Absenkung der glykämischen Last (GL) (siehe Kasten "Glykämischer Index und Glykämische Last"). In der Vergangenheit wurde der Stellenwert derartiger Diätansätze im Rahmen der Adipositastherapie eher kritisch diskutiert. Zwischenzeitlich jedoch wächst die Zahl der Studienergebnisse, die die Effektivität von Diäten mit reduziertem GI bzw. verminderter glykämischer Last bei der Gewichtsreduktion belegen [44; 159; 169]. Eine Kostform, die auf eine Modifikation und Reduktion der Kohlenhydratzufuhr abzielt, ist in den letzten Jahren unter dem Namen "LOGI-Methode" bekannt geworden [63 – 64]. Sie stützt sich dabei in wesentlichen Teilen auf Ernährungsempfehlungen, die seit 1997 in der Adipositas-Therapie der Harvard-Universitätskinderklinik mit Erfolg umgesetzt werden [40 – 41; 160]. LOGI (nach Worm) steht für "Low Glycemic and Insulinemic Diet" und bedeutet, dass bei dieser Ernährungsweise eine Senkung der glykämischen Last im Vordergrund steht (siehe unten) und dafür Nahrungsmittel mit niedriger Blutzucker- und Insulinwirkung bevorzugt, raffinierte Stärke- und Saccharoseträger (Auszugsmehlprodukte, Süßwaren) dagegen weitgehend gemieden werden [184].

    Glykämischer Index und Glykämische Last


    Konzept des Glykämischen Index (GI) Um die glykämische Wirkung der Kohlenhydratquellen quantitativ erfassen und vergleichen zu können, wurde das Konzept des glykämischen Index (GI) eingeführt. Der GI gibt an, in welchem Maß ein Lebensmittel mit einem Kohlenhydratgehalt von 50 g den Blutzuckerwert im Vergleich zu 50 g Glucose oder Weißbrot ansteigen lässt. Zur Ermittlung des GI werden die nach dem Verzehr des Test- und Referenzlebensmittels bestimmten Flächen unter den Blutzuckerkurven (AUC; area under the curve nach einem definierten Zeitintervall) zueinander in Beziehung gesetzt:

    GI = AUC (Testlebensmittel)/AUC (Referenzlebensmittel). Entsprechend ist die postprandiale Blutzuckerwirksamkeit von Lebensmitteln, die einen hohen GI aufweisen, pro Gramm Kohlenhydrate ausgeprägter als bei solchen mit einem niedrigen GI. Als niedrig gilt ein GI von < 55, als moderat einer von 55 bis 69 und als hoch ein Wert von ≥ 70.


    Einflussfaktoren des GI Der GI eines Lebensmittels wird von einer Reihe von Faktoren bestimmt. Dazu zählen der Ballaststoffgehalt, der Verarbeitungsgrad sowie der Protein- und Fettgehalt des Lebensmittels und die Konzentration an Enzyminhibitoren (vor allem α-Amylase-Inhibitoren).


    Konzept der Glykämischen Last (GL) Da nicht nur die Art der Kohlenhydrate, sondern auch die verzehrte Menge für das Blutzuckerverhalten entscheidend ist, wurde die Kenngröße der glykämischen Last (GL) entwickelt. Sie definiert sich aus dem Produkt des glykämischen Index von Nahrungsmitteln und der Menge an Kohlenhydraten in 100 g bzw. pro verzehrter Portion. In gemischten Mahlzeiten bestimmt der GL etwa 90% der postprandialen Blutzuckerwirkung.


    GI- und GL-Werte von Lebensmitteln In Tabelle 2 sind die GI- und GL-Werte ausgewählter Lebensmittel aufgeführt. Für die Praxis lässt sich als einfache Regel festhalten: Der GI und GL einer Kostform wird umso höher liegen, je höher der Anteil an ballaststoffarmen, stark verarbeiteten, stärkehaltigen und zuckerreichen Produkten ist. Dagegen erlaubt der Polymerisationsgrad der Nahrungssaccharide ("komplexe" versus "einfache" Kohlenhydrate) keine Rückschlüsse auf ihr Blutzuckerverhalten.

    Tab. 2: Glykämischer Index (GI) und glykämische Last (GL) ausgewählter Nahrungsmittel [51]

    Lebensmittel
    GI
    Übliche
    Portionsgröße
    (g)
    Verwertbare Kohlen-
    hydratmenge
    (g/Portion)
    GL
    Kartoffeln (gebacken)
    85 ± 12
    150
    30
    26
    Cornflakes
    81 ± 3
    30
    26
    21
    Wassermelonen
    72 ± 13
    30
    6
    4
    Vollkornweizenbrot
    71 ± 2
    30
    13
    9
    Weizenbrot, weiß
    70 ± 0
    30
    14
    10
    Kartoffeln (gekocht)
    56 ± 101
    150
    17 – 26
    11 – 18
    Langkornreis (gekocht)
    56 ± 2
    150
    41
    23
    Brauner Reis (gekocht)
    55 ± 5
    150
    33
    18
    Kartoffelchips
    54 ± 3
    30
    21
    11
    Bananen
    52 ± 4
    120
    24
    12
    Kidneybohnen (Dose)
    52
    150
    17
    9
    Karotten (roh und gekocht)
    47 ± 16
    120
    6
    3
    Spaghetti, weiß (gekocht)
    44 ± 3
    180
    48
    21
    Orangen
    42 ± 3
    120
    11
    5
    Äpfel
    38 ± 2
    120
    15
    6
    Vollkornspaghetti (gekocht)
    37 ± 5
    180
    42
    16
    Grüne Linsen (gekocht)
    30 ± 4
    150
    17
    5
    Milch, Vollfett
    27 ± 4
    250
    12
    3

    Quelle: 51; 110; 128
    Bereits 2007 wurden die Ergebnisse einer 36-Wochen-Studie veröffentlicht, in der eine "ad libitum" konsumierte LOGI-ähnliche Kost mit einer fett- und energiereduzierten Diät verglichen wurde [113]. Nach zwölf Wochen betrug der Gewichtsverlust unter LOGI 4,9 kg und unter Low Fat 2,5 kg. Am Ende der Studie belief sich der Gewichtsverlust noch auf 4,5 bzw. 2,6 kg, wobei der Unterschied aber nicht mehr signifikant war. Die Ergebnisse decken sich mit den Resultaten zweier Metaanalysen. Diese belegen, dass Kostformen mit reduziertem GI bzw. verminderter GL eine stärkere Gewichtsreduktion (im Mittel um 1,1 – 1,6 kg nach 5 – 24 Wochen Intervention) bewirken als konventionelle Diäten [159; 169].

    Von Interesse sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer im Jahre 2009 publizierten randomisiert-kontrollierten Studie, die am Herzzentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen durchgeführt wurde. Dabei erhielten über gewichtige Personen über 52 Wochen eine Ernährung nach dem LOGI-Konzept; die Kontrollgruppe wurde nach den herkömmlichen DGE-Empfehlungen ernährt. Die Energiebe schränkung wurde für beide Gruppen identisch gehalten. Nach sechs Monaten Intervention betrug der mittlere Gewichtsverlust in der LOGI-Gruppe 7,2 ± 5,4 kg und in der DGE-Gruppe 6,2 ± 4,8 kg. Bei Beendigung der Studien nach einem Jahr schnitten die Teilnehmer in der LOGI-Gruppe noch immer besser ab (Differenz LOGI versus DGE: 1,5 kg); die Unterschiede waren aber nicht mehr statistisch signifikant. Allerdings erwies sich die LOGI-Intervention in Bezug auf wesentliche kardiovaskuläre Risikofaktoren, wie Bauchfett, Triglyceride, HDL und Blutdruck als überlegen – trotz der nur vergleichsweise geringen Unterschiede bei der Gewichtsreduktion [53].

Anzumerken ist, dass die Nährstoffrelation in den meisten Studien keinen signifikanten Effekt auf die Insulinsensitivität ausübt, sodass sich Low-Carb- und Low-Fat-Diäten hierin möglicherweise nicht unterscheiden [23; 59]. Entscheidend ist in erster Linie der Gewichtsverlust bzw. der Abbau von Körperfett [116; 145], der direkt mit der Annahme der Insulinresistenz korreliert [116]. Nur in einer Studie, in der eine kohlenhydratreduzierte Kost mit Präferenz von Kohlenhydratquellen mit niedrigem GI, das heißt eine Kost mit niedriger GL, mit einer fett- und kalorienreduzierten Kost verglichen wurde, kam es bei vergleichbarem Gewichtsverlust zu einer doppelt so starken Besserung der Insulinresistenz unter der Kost mit niedriger glykämischer Last [134].

Zwischenfazit: Die Gewichtsreduktion ist – neben Erhöhung der Muskelaktivität – die wichtigste Maßnahme, um die Insulinsensitivität von Patienten mit metabolischem Syndrom zu verbessern. Eine Gewichtsreduktion lässt sich prinzipiell mit jeder Art von Diät erzielen – vorausgesetzt, sie ist hypokalorisch. Im Allgemeinen ist der Gewichtsverlust unter proteinreichen Diäten mit niedriger glykämischer Last stärker ausgeprägt als unter konventionellen Diäten (Low Fat, hoher Kohlenhydratanteil).

Ernährungsempfehlungen zur langfristigen Gewichtskontrolle

Wie bereits oben angedeutet, sind die Langzeiterfolge von Reduktionsdiäten im Allgemeinen gering. Nur wer konsequent die Empfehlungen auf Dauer umsetzt, hat den gewünschten Erfolg [175]. Doch ist die Compliance in der Regel schlecht und die Abbruchrate hoch. Dies bedingt, dass nur etwa 20% der Übergewichtigen das anfangs reduzierte Gewicht langfristig erfolgreich erhalten [79].

Wenn Abnehmen auf Dauer für viele unrealistisch ist, so ist es umso wichtiger, nicht mehr zuzunehmen. In diesem Zusammenhang bildet – neben adäquater körperlicher Aktivität – die Senkung der mittleren Energiedichte der Nahrung in Verbindung mit einer verbesserten Sättigung die wichtigste Strategie.


Senkung der Energiedichte Der Verzehr einer Nahrung mit hoher Energiedichte – ausgedrückt in kcal/100 g – erhöht mit überzeugender Evidenz das Risiko für eine Körpergewichtszunahme [82; 118 – 119; 166]. Um einen Anstieg des Körpergewichts zu vermeiden, wird eine Soll-Energiedichte von < 125 kcal pro 100 g Lebensmittel empfohlen [140]. Allerdings weist die Durchschnittsernährung in den meisten westlichen Industrieländern eine deutlich höhere Energiedichte auf, wie beispielsweise in England mit ca. 160 kcal/100 g bzw. in den USA mit ca. 180 kcal/100 g [140]. In Deutschland liegt die mittlere Energiedichte ebenfalls sehr hoch und erreicht bei Männern im Alter von 25 bis 51 Jahren 173 kcal/100 g [43].

Weit verbreitet ist die These, dass eine Reduktion der Energiedichte nur über eine Senkung des Fettanteils möglich ist. Tatsächlich weisen Nahrungsfette eine mehr als doppelt so hohe Energiedichte auf als Kohlenhydrate oder Eiweiß, doch kann die Energiedichte einer entsprechend komponierten Mahlzeit unabhängig vom Fettgehalt erheblich variieren [19; 140; 149]. Der entscheidende Faktor ist der Wassergehalt der Nahrung. Für die meisten Nahrungsmittel gilt: Je höher der Wassergehalt, desto niedriger die Energiedichte. Gemüse, Salate und Obst sowie reines Muskelfleisch, Fisch und Geflügel sind sehr wasserreich und haben entsprechend eine sehr niedrige Energiedichte. So wird eine Mischkost mit relativ hohem Fettanteil dennoch eine niedrige Energiedichte aufweisen, wenn die Anteile schwerer und voluminöser, das heißt wasser- und ballaststoffreicher, Lebensmittel hoch sind [183; 185].

Für die Praxis bedeutet das: Bevorzugung von wasser- und ballaststoffreichen Nahrungsmitteln (Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Geflügel, Fisch und mageres Fleisch sowie Milch und Milchprodukte) und weitgehende Meidung von Zucker, anderen raffinierten Kohlenhydraterzeugnissen (Auszugsmehlprodukte) sowie von fettreichen, hoch verarbeiteten Fertigprodukten und Snacks.


Verbesserung der Sättigung Ein mit der Nahrungsaufnahme verbundenes, früh einsetzendes und lang anhaltendes Sättigungsgefühl ist ein wichtiger Faktor, um die Energiezufuhr auf einem niedrigen Niveau zu halten und so einem Anstieg des Körpergewichts vorzubeugen [157]. Wichtige Determinanten der Sättigung sind:

  • Nahrungsvolumen und -gewicht: Das wesentlichste Sättigungssignal wird über die Dehnung der Magenwand und einer damit verbundenen Aktivierung anorektischer Neurotransmitter ausgelöst. Volumen und Gewicht der Nahrung sind hierfür die entscheidenden Größen [150]. Da der Magen den Energiegehalt der darin enthaltenen Speise nicht wahrnimmt, erhöhen Mahlzeiten, die pro Volumen- bzw. Gewichtseinheit viel Energie liefern, das Risiko einer positiven Energiebilanz. Umgekehrt fördern Mahlzeiten mit niedrigerem Energiegehalt bei gleichem Volumen und Gewicht, also bei vergleichbarer Sättigungswirkung, aber niedriger Energiedichte, das Erzielen einer ausgeglichenen bzw. negativen Energiebilanz und somit die Gewichtskontrolle [150]. Das bedeutet: Je schwerer und voluminöser die Mahlzeit, desto schneller und stärker die Sättigung – unabhängig von ihrem Energiegehalt. So kann man mit entsprechenden mediterran zugeschnittenen Nahrungskombinationen sogar bei einem Fettanteil von 50% eine niedrigere Energiedichte erzielen (103 kcal/100 g) als bei einer Kostform mit einem reduzierten Fettanteil von 30 Energie% (Energiedichte: 130 kcal/100 g) [185]. Kontrollierte Experimente belegen beispielsweise, dass unter einer "ad libitum"-Kost mit 39% Fettanteil und einer Energiedichte von 124 kcal/100 g um 314 kcal weniger Energie pro Tag aufgenommen wurde als unter einer Kost, die nur 21% Fett, aber eine Energiedichte von 158 kcal/100 g lieferte [184].

  • Nahrungsprotein: Ein weiteres wesentliches Sättigungssignal, unabhängig von Nahrungsvolumen und -gewicht, wird über Nahrungsproteine ausgelöst. So wird inzwischen auch eine Anhebung der Eiweißzufuhr als weitere Strategie zu Prävention und Therapie von Übergewicht [14-15; 83] und metabolischem Syndrom [2] diskutiert. Dabei ist zu beachten, dass die lange gehegten Vorurteile gegen eine hohe Eiweißzufuhr (zur Therapie des metabolischen Syndroms wird gegenwärtig ein Proteinanteil von bis zu 30 Energie% diskutiert [2]), wegen angeblicher Gesundheitsgefährdung längst als irreführend bzw. als irrelevant angesehen werden müssen (siehe Kasten "Gesundheitliche Gefahren durch erhöhte Proteinzufuhr?").

Vor dem Hintergrund der oben erläuterten Zusammenhänge überrascht es nicht, dass zum Gewichtserhalt eine ballaststoffreiche Diät mit erhöhtem Proteinanteil (etwa 25 Energie%) und verminderter Zufuhr energiedichter, hochglykämisch wirksamer Stärke- und Zuckererzeugnisse am besten geeignet ist, wie eine neuere Multicenterstudie mit 773 Teilnehmern belegt [105].

Gesundheitliche Gefahren durch erhöhte Proteinzufuhr?


In Zusammenhang mit einer über den Empfehlungen (9 – 11 Energie% nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung; 10 – 15 Energie% nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation) liegenden Proteinaufnahme wird eine Reihe von negativen Effekten diskutiert:

  • Ammoniakintoxikation Beim Protein- bzw. Aminosäu renabbau fällt freies Ammoniak an, das aufgrund seiner Toxizität über den Harnstoffzyklus eliminiert werden muss. Im Durchschnitt beträgt die Obergrenze der Harn stoffbildung bei Erwachsenen 65 mg N h-1 x kg KG-0,75. Für eine Person mit einem Körpergewicht von 80 kg entspricht das einer Proteinmenge von rund 250 g/Tag bzw. rund 35 Energie% Protein. Nur wenn dieser Wert längerfristig überschritten wird, steigt die Gefahr einer Hyperammonämie. Klinisch äußert sich diese in Form von Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö (sog. "rabbit starvation”).

  • Nierenschädigung Bei hoher Proteinzufuhr steigt die Durchblutung und Filtrationsleistung der Nieren; längerfristig wird die stärkere Beanspruchung der Nieren mit einer Zunahme der Organmasse kompensiert. Bei Gesunden sind diese Anpassungsphänomene als physiologisch zu werten; negative Effekte auf die Nierenfunktion sind nicht zu befürchten (Cave: Bei Personen mit chronischer Niereninsuffizienz [Stadien 1 - 3] sollte die Proteinzufuhr auf 0,6 - 0,8 g/kg KG/Tag beschränkt bleiben, um der verminderten Nierenfunktion Rechnung zu tragen).

  • Erhöhung des Osteoporoserisikos Mit steigender Zufuhr an Protein erhöht sich die Calciumausscheidung über den Urin. Langfristig soll so das Risiko für Osteoporose ansteigen. Allerdings verbessert Nahrungsprotein (in Form von Lysin-reichen Proteinen) gleichzeitig die Calciumaufnahme aus dem Darm. Negative Effekte einer hohen Proteinaufnahme auf die Calciumbilanz sind dann gegeben, wenn die Calciumzufuhr gering ist und die Nahrung einen Überschuss an Säureäquivalenten (zu geringe Aufnahme an Obst und Gemüse) aufweist.

Insgesamt fehlt bis heute der Nachweis, dass eine über den Empfehlungen liegende Proteinzufuhr per se mit Nachteilen für gesunde Personen verbunden ist. Entsprechend existieren keine Angaben für eine tolerierbare Obergrenze, die langfristig nicht überschritten werden sollte (UL-Wert nicht definiert). Generell gilt eine Proteinzufuhr von bis zu 2 g/kg KG/ Tag [122] bzw. ein Proteinanteil von 35 Energie% [86] bei Gesunden als unproblematisch.


Quelle: 27; 77; 97; 114 – 115

Beeinflussung von mit MetS-assoziierten Stoffwechselstörungen

Zwar genügt bei Vorliegen eines metabolischen Syndroms oft eine Gewichtsreduktion, um die zugrundeliegende Insulinresistenz und die damit assoziierten Stoffwechselstörungen zu verbessern (siehe Tab. 3). Da eine dauerhafte und effektive Gewichtsabnahme für die meisten Patienten jedoch nicht realistisch ist, sollten frühzeitig diätetische Maßnahmen ergriffen werden, welche auch ohne Gewichtsreduktion die Risikofaktoren des metabolischen Syndroms mindern und allgemein Gesundheit und Wohlbefinden fördern. Dies umso mehr, da Personen mit metabolischem Syndrom ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen [56].

Tab. 3: Effekte einer Gewichtsreduktion auf Komplikationen und Risikofaktoren, die mit dem MetS assoziiert sind (In Anlehnung an [36])

Komplikationen bzw.
Risikofaktoren
Effekte der Gewichtsreduktion
Mortalität
  • Senkung des Diabetes-assoziierten Mortalitätsrisikos um > 30%
  • Senkung der Adipositas-assoziierten Karzinomtodesfälle um > 40%
Diabetes mellitus Typ 2
  • Abnahme der Nüchternglucose um 30 – 40 mg/dl pro 10 kg Gewichtsverlust
  • Senkung des relativen Risikos für die Konversion von gestörter Glucosetoleranz zum Typ-2-Diabetes durch eine Gewichtsreduktion von 2,8 – 5,8 kg in Kombination mit Ernährungsmaßnahmen und Intensivierung der körperlichen Aktivität um 38 – 58%
Atherogenes Lipidmuster
  • Absenkung des Gesamtcholesterols um durchschnittlich 10%
  • Absenkung des LDL-Cholesterols um 7 – 15%
  • Absenkung der Triglyzeride um 20 – 30%
  • Erhöhung des HDL-Cholesterols um 2 – 8%
Erhöhter Blutdruck
  • Senkung des Blutdrucks um durchschnittlich 7 mmHg systolisch und 3 mmHg diastolisch (bei bestehender Hypertonie)
  • Gewichtsabnahme verringert das Risiko für das Neuauftreten einer Hypertonie
Chronische Inflammation
Senkung von:
  • C-reaktivem Protein (CRP) um 26% nach einer Gewichtsreduktion von 7,9 kg
  • Interleukin-6 (IL-6) und Tumor-Nekrose-Faktor-α (TNF-α) um 31% nach einer Gewichtsreduktion von 9,8 kg
  • Interleukin-18 (IL-18) um 30% nach einem durchschnittlichen Gewichtsverlust von 14 kg


Eine moderne Ernährungstherapie des metabolischen Syndroms sollte daher unabhängig von ihrem gewichtsreduzierenden Effekt darauf abzielen [184],

  • postprandiale Blutzuckerspitzen zu vermeiden und die kompensatorische Hyperinsulinämie zu reduzieren,

  • das Ausmaß der Dyslipoproteinämie zu mindern oder diese zu beseitigen,

  • erhöhte Blutdruckwerte zu senken.

Postprandiale Hyperglykämie

Bei Insulinresistenz und metabolischem Syndrom liegen meist Störungen des Glucosestoffwechsels vor. Bei gestörter Glucosetoleranz kommt es zu einem pathologischen Anstieg des Blutzuckerspiegels nach dem Verzehr kohlenhydrathaltiger Nahrung.


Konsequenzen der Hyperglykämie Die postprandiale Hyperglykämie ist in zweifacher Hinsicht problematisch, da sie

  • das Endothel schädigt (Mechanismen: Induktion von oxidativem Stress, subklinische Entzündung, Expression von Leukozytenadhäsionsmolekülen, gesteigerte Aggregation und Adhäsion von Thrombozyten). In der Summation führt dies mittel- bis langfristig zu mikro- und makrovaskulären Komplikationen [147].

  • eine kompensatorische Hyperinsulinämie induziert, die wiederum in der Leber in eine erhöhte Synthese von Triglyzeriden und VLDL-Cholesterol mündet. Damit einher geht die Absenkung des HDL-Cholesterins [143]. Dieses Lipoproteinprofil ist atherogen und erhöht das kardiovaskuläre Risiko. Zudem stellt die kompensatorisch gesteigerte Insulinproduktion eine hohe Beanspruchung der β-Zellen des Pankreas dar, und das Risiko zur Entwicklung eines Typ-2-Diabetes wird erhöht.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass die postprandiale Hyperglykämie nunmehr als ein wichtiger unabhängiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gilt [29]. Dabei sind postprandiale Blutzuckerspitzen wesentlich enger mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert als der Nüchtern-Blutzucker. Alleine schon starke Blutzuckerschwankungen mit hohen Spitzen und tiefen Abfällen gelten inzwischen als kardiovaskulärer Risikofaktor [127].


Determinanten der Hyperglykämie Für die postprandiale Blutzucker- und Insulinreaktion sind vor allem vier Einflussfaktoren von Relevanz [184]:

  • die Insulinsensitivität,

  • die Insulin-Produktionskapazität,

  • die Kohlenhydratmenge und die

  • Kohlenhydratqualität.

Dabei gilt: Je insulinresistenter eine Person ist, desto höher fallen nach Aufnahme einer kohlenhy drathaltigen Nahrung die Insulinkonzentrationen und – mit Fortschreiten der Insulinresistenz und der Insulinsekretionsstörung – auch die Blutzuckerkonzentrationen aus. So konnte in einer exakt kontrollierten Provokationsstudie gezeigt werden, dass es nach einer kohlenhydrat- bzw. stärkereichen Mahlzeit in Abhängigkeit vom Ausmaß der Insulinresistenz zu einer vielfach erhöhten Insulinausschüttung kommt, gepaart mit unphysiologisch hohen Blutzuckerspitzen (siehe Abb. 8).


Bedeutung der glykämischen Last Zur standardisierten Bestimmung der Blutzuckerwirkung von Lebensmitteln wurde im Jahre 1981 der "Glykämische Index" (GI) konzipiert [88]. Bei korrekter methodischer Anwendung findet sich ein direkter signifikanter Zusammenhang zwischen der Höhe des GI eines Lebensmittels und der postprandialen Blutzuckerwirkung. Trotz Kritik ist der GI ein wissenschaftlich korrekter, validierter Standard und hat sich international durchgesetzt [96]. Er ist entgegen anderslautender Auffassungen nicht nur für einzelne Lebensmittel, sondern auch für gemischte Mahlzeiten validiert [25; 180]. Dennoch ist der GI für die Ernährungspraxis nicht aussagefähig genug, da er, wie im Kasten "Glykämischer Index und Gly kämische Last" beschrieben, nicht unterschiedliche Kohlenhydratmengen in den üblichen bzw. tatsächlich verzehrten Portionsmengen berücksichtigt. Das bedingt einen gravierenden Fehler im System, denn zwischen der Kohlenhydratmenge und der postprandialen Glykämie besteht ein direkter dosisabhängiger Zusammenhang [179]. Um diesen Fehler im GI-Konzept zu korrigieren, wurde die "Glykämische Last" (GL) definiert, in die der GI und die verzehrte Kohlenhydratmenge eingehen. Dabei ist die Höhe der GL das Äquivalent zur Blutzuckerreaktion von reiner Glucose: So bedeutet beispielsweise eine GL von 36 nach dem Verzehr von 150 Gramm Vollkornbrot (mit einer GI von 58), dass damit die gleiche Blutzuckerreaktion provoziert wird wie mit 36 Gramm reiner Glucose.

Auch das Konzept der GL ist inzwischen validiert und gilt für einzelne Nahrungsmittel [24] wie auch für gemischte Mahlzeiten mit variablen Anteilen von Fett und Eiweiß [55]. Dabei hat sich herausgestellt, dass über den GI (unabhängig von der Kohlenhydratmenge) nur etwa 37% der 2-Stunden postprandialen Glykämie bestimmt wird, über die Kohlenhydratmenge allein (unabhängig vom GI) etwa 57% und über die Kombination beider Faktoren, d. h. über die GL, immerhin etwa 90%. Der Gehalt der Nahrung an Eiweiß und Fett bestimmt das Blutzuckerverhalten hingegen nur zu etwa 10% [180]. Dass das GL-System bislang die beste Voraussage für die postprandiale Blutzucker- und Insulinwirkung ermöglicht, wurde auch aktuell wieder bestätigt [17; 123]. Bei gemischten Mahlzeiten findet man einen direkten linearen Zusammenhang über bis zu fünf Stunden zwischen der Höhe der glykämischen Last und der postprandialen Glykämie und der Insulinämie [55].

Eine Ernährung mit niedriger GL führt im Tagesverlauf entsprechend zu signifikant niedrigeren Blutzucker- und Insulinkonzentrationen, vermeidet extreme Blutzuckerexkursionen [84; 117] und führt im Tagesverlauf ebenfalls zu niedrigeren Konzen trationen an atherogenen triglyzeridreichen Lipoproteinen [1; 129]. Die Verminderung der glykämischen Last ist daher ein wirksames ernährungstherapeutisches Prinzip, um postprandiale Hyperglykämien effektiv zu reduzieren [17; 85; 123].

Zwischenfazit: Da eine dauerhafte Gewichtsabnahme für die meisten Patienten nicht realistisch ist, gewinnen diätetische Maßnahmen an Bedeutung, die auch ohne Gewichtsreduktion (post) prandiale Hyperinsulinämien und -glykämien mindern. Die Senkung der glykämischen Last ist hierbei ein effektives therapeutisches Prinzip.

Dyslipoproteinämie

Eine Facette des metabolischen Syndroms ist die Dyslipoproteinämie. Bei Patienten mit metabolischem Syndrom ist der Anteil der kleinen dichten und besonders atherogenen LDL-Partikel meist erhöht, ebenso die Triglyzeridwerte. Gleichzeitig ist das High-Density-Lipoprotein-Cholesterol (HDL) typischerweise erniedrigt. Dieses Lipidprofil wird auch als "atherogenes Lipoproteinprofil" bezeichnet, da es das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöht [87; 102].

Alle Facetten der mit dem metabolischen Syndrom assoziierten Dyslipoproteinämie sind einer diätetischen Therapie zugänglich. Ansatzpunkte bilden – neben der Gewichtsreduktion (siehe Tab. 3):

  • Modifikation der Nährstoffrelation Bekannt ist seit Langem, dass eine isokalorische, kohlenhydratreiche, fettarme Kost im Austausch gegen gesättigte Fettsäuren zwar das LDL-Cholesterol senkt, aber die Triglyzeride erhöht, das HDL-Cholesterol vermindert und kleine dichte atherogene LDL-Cholesterolpartikel bedingt [34; 39; 101 – 102; 108; 121]. Umgekehrt hat eine Senkung der Kohlenhydratanteile im isokalorischen Austausch gegen ungesättigte Fettsäuren eine Besserung des atherogenen Lipoproteinprofils zur Folge: LDL-Cholesterol wird damit sogar effektiver gesenkt als mit fettarmer Kost, und das HDL-Cholesterol wird erhöht, sodass der Quotient aus Gesamt- zu HDL-Cholesterol abfällt. Gleichzeitig werden damit ebenfalls das VLDL-Cholesterol und die Triglyzeride gesenkt [129]. Dies ist insbesondere bei Patienten mit metabolischem Syndrom und Typ-2-Diabetes mit ihren hohen Ausgangswerten zu beobachten. Sie profitieren von einem Fettanteil im Bereich von 40 bis 50% der Kalorien, bei überwiegendem Anteil von einfach ungesättigten Fettsäuren (MUFA), im Vergleich zur fettarmen, kohlenhydratbetonten Kost [58; 158]. Entsprechend kommen auch neuere Metaanalysen zu dem Ergebnis, dass ein teilweiser (isokalorischer) Austausch von Kohlenhydraten durch Fett günstige Effekte auf die Lipidfraktionen von Gesunden und Typ-2-Diabetikern ausübt [28; 100]. Darüber hinaus belegen jüngste Metaanalysen, dass mediterrane Kostformen (charakterisiert durch einen moderat erhöhten Fettanteil vorwiegend in Form von einfach ungesättigten Fettsäuren) konventionellen Low-Fat-Diäten überlegen sind, wenn es darum geht, das Lipidmuster bei Übergewichtigen [131] und Personen mit metabolischem Syndrom [95] positiv zu beeinflussen. Während mit fettarmen Diäten eine Verbesserung der Dyslipoproteinämie erst bzw. nur durch eine Gewichtsreduktion erzielt wird, üben kohlenhydratmodifizierte Diäten (niedrige GL) bei Insulinresistenz, metabolischem Syndrom und Diabetes mellitus Typ 2 diese Effekte auch ohne Gewichtsreduktion aus – und mit gleichzeitiger Gewichtsreduktion umso mehr [48].
    Lange wurde diskutiert, ob es sinnvoller sei, Kohlenhydrate mit ungesättigten Fettsäuren oder besser mit Nahrungsprotein zu ersetzen, da auch eine erhöhte Eiweißzufuhr – unabhängig von der Proteinart – zu einer Verbesserung des Lipoproteinprofils führt [11; 181 – 182]. Aber am effektivsten ist offenbar eine Kombination von beiden Vorgehensweisen. So konnte bei Übergewichtigen gezeigt werden, dass ein Erhöhung des Proteinanteils auf 29% der Kalorien und eine Erhöhung der Fettanteile auf etwa 45% (überwiegend in Form einfach ungesättigter Fettsäuren) bei Senkung der Kohlenhydrate auf 26% der Kalorien unter isokalorischen Bedingungen und Gewichtserhalt das Lipoproteinprofil am günstigsten beeinflusst [101] (siehe Abb. 9).

  • Gezielte Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren In der Therapie der MetS-assoziierten Dyslipoproteinämie haben langkettige Omega-3-Fettsäuren eine besondere Bedeutung erlangt, da eine Steigerung der Zufuhr die Triglyzeride effektiv senkt (u. a. über die Stimulation der Lipoproteinlipase und einer dadurch verbesserten Chylomikronen- und VLDL-Clearance) [70]. Dieser Effekt ist Dosis-abhängig; ein deutlicher Abfall der Triglyzeridwerte ist bei Dosen von ≥ 3 g/Tag (Docosahexaensäure; DHA und Eicosapentaensäure; EPA) zu beobachten. Bei einer mittleren Zufuhr von 3,25 g DHA und EPA in Form von Fisch ölen, so das Ergebnis einer Metaanalyse von 47 Interventionsstudien, lässt sich der Triglyzeridspiegel um 0,34 mmol/l (~ 30 mg/dl) senken [45]. Ein ähnlicher Effekt wurde bei Personen mit metabolischem Syndrom bzw. Diabetes mellitus nachgewiesen (Senkung der Triglyzeride um 31 mg/dl [111] bzw. um 25% des Ausgangswerts [71].

  • Senkung der Alkoholaufnahme Wenngleich Alkoholkonsum zu einem Anstieg des HDL-Cholesterols führt, wird auch meist eine Steigerung der Triglyzeride beobachtet. Eine Zufuhr von 30 g Alkohol/Tag, so das Ergebnis einer Metaanalyse von 42 Interventionsstudien, erhöht das HDL-Cholesterol um 3,99 mg/dl und die Triglyzeride um 5,69 mg/dl [148]. Auf der anderen Seite mindert moderater Alkoholkonsum (20 – 30 g/Tag) die Insulinresistenz [35; 91] und das Risiko für die Entwicklung von Diabetes mellitus Typ 2 [16] – ein Effekt, der selbst bei sehr gesundem Lebensstil zu beobachten ist [90]. Die Zufuhr geringer bis moderater Mengen Alkohol (≤ 25 g/Tag) senkt auch die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit [32; 37] und die Gesamtsterblichkeit [33]. Da aber ab 20 bis 30 g Alkohol/Tag keine weitere Risikominderung im Herz-Kreislauf-Bereich erkennbar ist, dafür aber die alkoholabhängigen Risiken merklich ansteigen – allen voran das Krebsrisiko – ist von höheren Dosen ausdrücklich abzuraten. Nicht zuletzt deshalb wird Patienten mit metabolischem Syndrom empfohlen, ihren Alkoholkonsum auf moderate Mengen (20 – 30 g/Tag) zu begrenzen [38] und bei Vorliegen zusätzlicher alkoholsensitiver Risikofaktoren (u. a. Hyperurikämie oder Gicht) [46] die Alkoholzufuhr weiter einzuschränken.

Zwischenfazit: Aus den vorliegenden Daten folgt, dass zur diätetischen Therapie der Dyslipoproteinämie beim metabolischen Syndrom ein teilweiser Austausch von Kohlenhydraten durch Eiweiß und ungesättigte Fettsäuren an gezeigt ist, ggf. begleitet von einer Supplementierung mit Fischölen bzw. Omega-3-Diethyl estern.

Hypertonie

Mit dem Abbau des Übergewichts kommt es typischerweise zu einer Senkung erhöhter Blutdruckwerte [36] – unabhängig vom Kohlenhydrat- und Fettanteil der Nahrung [130]. Neben der Gewichtsreduktion gibt es folgende diätetische Möglichkeiten der Hochdrucktherapie [9; 154]:

  • Kochsalzrestriktion (verminderte Aufnahme an Natrium und Chlorid) Eine Reduktion der Salzzufuhr um 4,6 g/Tag (ermittelt anhand der renalen 24-Stunden-Ausscheidung von NaCl) senkt den systolischen Blutdruck um 5,1 mmHg und den diastolischen Wert um 2,7 mmHg bei Personen mit Hypertonie. Bei nicht hypertensiven Personen sind die Effekte geringer ausgeprägt (Absenkung des Blutdrucks um 2 mmHg systolisch und 1 mmHg diastolisch [75]). Fachgesellschaften raten daher, die Kochsalzaufnahme zu begrenzen (etwa 4 g/Tag) [9]. Für eine Blutdrucksenkung [3] bzw. eine Verminderung kardiovaskulärer Ereignisse [31] scheint jedoch weniger die isolierte Reduktion der Natrium- bzw. der Kochsalzzufuhr von Bedeutung zu sein als vielmehr die Erhöhung des Kalium-Natrium-Quotienten der Nahrung.

  • Steigerung der Zufuhr von Kalium Bei hypertensiven Personen senkt eine gesteigerte Aufnahme von Kalium (2 – 4 g/Tag) den systolischen Blutdruck um 4,4 mmHg und den diastolischen Wert um 2,5 mmHg. Bei Personen ohne Hypertonie sind die Wirkungen geringer (Absenkung des Blutdrucks um 1,8 mmHg systolisch und 1,0 mmHg diastolisch [177].

  • Steigerung der Zufuhr von Calcium Die metaanalytische Auswertung von 23 großen Beobachtungsstudien ergab einen inversen Zusammenhang zwischen der Calciumzufuhr und der Höhe des Blutdrucks: Pro 1-g/Tag-Calcium-Mehrzufuhr sinkt der systolische Blutdruck bei Männern und Frauen um 3,9 mmHg und der diastolische Wert um 3,5 mmHg [21]. Metaanalysen von Interventionsstudien, die den Effekt einer Calciumsupplementation evaluierten, bestätigen die hypotensive Wirkung von Calcium. Danach senken Calciumpräparate (Dosis: 400 – 2000 mg/Tag) den systolischen Blutdruck um 0,9 bis 1,4 mmHg und den diastolischen Wert um 0,2 bis 0,8 mmHg [5; 26; 63].

  • Erhöhte Zufuhr langkettiger Omega-3-Fettsäuren Langkettige Omega-3-Fettsäuren, wie sie in hohen Konzentrationen in Fischölen zu finden sind, werden seit Langem als hypotensive Nahrungsbestandteile ausgelobt. Eine moderate Blutdrucksenkung setzt allerdings den Einsatz relativ hoher Dosen (> 3 g/Tag) voraus. Hierdurch lässt sich der systolische Wert im Allgemeinen um etwa 2 mmHg und der diastolische Wert um 1,5 mmHg reduzieren. Stärker fällt die Senkung bei Patienten mit Hypertonie aus (– 4 mmHg systolisch; – 2,5 mmHg diastolisch) [9; 60].

  • Mehrzufuhr von Nahrungsprotein In einigen Beobachtungsstudien wurde ein inverser Zusammenhang zwischen der Proteinaufnahme (vorwiegend pflanzlichen Ursprungs) und der Höhe des Blutdrucks nachgewiesen [7; 76]. Auch Interventionsstudien deuten darauf hin, dass eine erhöhte Aufnahme von pflanzlichen Eiweißträgern (z. B. in Form von Sojaprodukten) zu einer Blutdrucksenkung beitragen kann [7].

Entsprechend den oben dargestellten Zusammenhängen konnte in der sehr genau kontrollierten Omni-Heart-Study belegt werden, dass auf Basis einer an Obst und Gemüse reichen (hohe Zufuhr an Kalium), ballaststoffreichen Kost mit hohen Anteilen von Milch und Milchprodukten (hohe Aufnahme an Calcium) durch Austausch von Kohlenhydraten entweder gegen ungesättigte Fettsäuren oder gegen Protein eine signifikante Senkung des Blutdrucks erzielt werden kann. Das war insbesondere bei bereits manifester Hypertonie zu beobachten [11] (siehe Abb. 10). Ähnlich blutdrucksenkende Effekte wurden auch mit der DASH-Diät, einer vorwiegend aus Gemüse, Obst, Vollkorn- und mageren Milchprodukten, Nüssen, Geflügel und Fisch bestehenden Ernährungsform, erzielt [10] (siehe Abb. 11).

Zwischenfazit: Zur Therapie der mit dem metabolischen Syndrom assoziierten Hypertonie ist neben der Gewichtsreduktion eine Ernährungsweise anzustreben, die reich an Gemüse und Obst ist und einen Teil der Stärke durch Protein und einfach ungesättigte Fettsäuren sowie Omega-3-Fettsäuren ersetzt (Omni-Heart-Prinzip).

Rückblick und Fazit

Ernährungsfragen nehmen in der täglichen Apothekenpraxis längst einen breiten Raum ein, gilt das Apothekenfachpersonal doch auch hierbei als kompetenter Ansprechpartner. Da eine wachsende Zahl an Personen vom metabolischen Syndrom betroffen ist und eine entsprechende Arzneimitteltherapie (u. a. Statine, Antidiabetika wie Metformin und Antihypertonika wie ACE-Hemmer) in Anspruch nehmen, sehen sich Pharmazeuten u. a. mit der Frage konfrontiert, welche adjuvanten nicht-pharmakologischen Maßnahmen Patienten mit metabolischem Syndrom empfohlen werden können.

Wie dargestellt ist die Förderung der Insulinsensitivität und damit die Minderung der Hyperinsulin ämie ein wesentliches Ziel der Therapie des metabolischen Syndroms. Das kann prinzipiell mit regelmäßig gesteigerter Muskelaktivität [74; 98; 138] als auch durch Gewichtsreduktion [62] erzielt werden. Wenn allerdings erfahrungsgemäß mangels Compliance die beiden wichtigsten Maßnahmen – dauerhafte Steigerung der Bewegungsaktivität und dauerhafte Gewichtsreduktion – bei den meisten Menschen mit metabolischem Syndrom nicht greifen, kommt einer Ernährungsumstellung eine umso wichtigere Rolle zu, die auch ohne Gewichtsverlust die Facetten des metabolischen Syndroms günstig beeinflusst und das kardiovaskuläre Risiko senkt.

Wie dargelegt, ist zur diätetischen Beeinflussung der drei zentralen Risikofaktoren des metabolischen Syndroms – (postprandiale) Hyperglykämie, Dyslipoproteinämie und Hypertonie – primär die Senkung der glykämischen Last, eine relativ hohe Zufuhr einfach ungesättigter Fettsäuren und Omega-3-Fettsäuren und eine Erhöhung der Protein- und Ballaststoffzufuhr angezeigt.

Umsetzen lässt sich diese Forderung durch eine an die mediterrane Ernährung angelehnte Kost, bei der ein Teil der Getreideprodukte durch Hülsenfrüchte, Nüsse, Milchprodukte, Fisch und Geflügel ersetzt ist. Tatsächlich wird zwischenzeitlich von verschiedener Seite eine proteinreichere (20 – 30 Energie%), kohlenhydratlimitierte (etwa 40 Energie%) Ernährungsform für Patienten mit metabolischem Syndrom empfohlen [2]. Auch die Ernährungsrichtlinien des "Joslin Diabetes Center" der Harvard-Universität für übergewichtige Personen und Typ-2-Diabetiker [92], die auch in Deutschland als wirksam zur Gewichtskontrolle eingestuft wurden [73], haben diese gut belegten Prinzipien zumindest weitgehend berücksichtigt. Von ernährungsphysiologischer Relevanz ist dabei, dass sich mit einer solch relativ protein- und ballaststoffreichen, kohlenhydratmodifizierten (reduzierte GL) Ernährungsweise mit erhöhtem Anteil an ungesättigten Fettsäuren sich nicht nur kardiovaskuläre Risikofaktoren günstig beeinflussen lassen. Auch zeichnet sich eine solche an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Milchprodukten und Fisch reiche Ernährung durch eine besonders niedrige Energiezufuhr bei gleichzeitig hoher Nährstoffdichte aus [185].

Dass eine Ernährungsweise mit limitierter Kohlenhydratzufuhr und höheren Eiweiß- und Fettanteilen – sofern auch reichlich pflanzliche Eiweiße und viele pflanzliche Öle eingesetzt werden – nicht nur gesundheitlich sicher ist, sondern sogar das Koronarrisiko und die Gesamtmortalität signifikant senkt, haben die 26-Jahres- bzw. die 20-Jahres-Auswertung der beiden wichtigsten Langzeiternährungsstudien der Welt – Nurses’ Health Study und Health Professionals‘ Follow-up Study – belegt [54; 64]. Es ist allerdings notwendig, dass in Zukunft solche Kostformen, die die beschriebenen ernährungsphysiologischen Prinzipien beinhalten, in randomisiert-kontrollierten Interventionsstudien hinsichtlich klinisch relevanter Endpunkte überprüft werden.


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Autoren

Dr. Alexander Ströhle, Am Landwehrgraben 8, 30519 Hannover, E-Mail: alexander.stroehle@gmx.de

Prof. Dr. Nicolai Worm, Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheits­management Saarbrücken, Privatanschrift: Geibelstr. 9, 81679 München, E-Mail: nicolai.worm@t-online.de



DAZ 2012, Nr. 1, S. 50

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