Arzneimittel und Therapie

Update für Statine

FDA verfügt neue Sicherheitshinweise

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA fordert, sicherheitsrelevante Ergänzungen und Änderungen der Statin-Fachinformationen vorzunehmen [1]. Betroffen sind die Rubriken Nebenwirkungen und Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung. Vor dem Hintergrund der Myopathiegefahr wurden zudem in einer weiteren Sicherheitsmeldung neue Kontraindikationen und Dosisgrenzen bei bestimmten Kombinationstherapien erlassen [1, 2].

Die Food and Drug Administration (FDA) folgt damit für Lovastatin ihren bereits im Juni 2011 für Simvastatin ausgesprochenen, strengeren Richtlinien bezüglich Dosierung, Interaktionen und Kontraindikationen [3]. Hintergrund dieser wie auch der beiden aktuellen Mitteilungen sind Studienergebnisse zum Risiko einer Statin-induzierten Muskelschädigung (Myalgie, Myopathie oder Rhabdomyolyse). Die schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkung geht unter anderem einher mit Muskelschmerzen, -schwäche oder -krämpfen und endet im schlimmsten Fall letal [4]. Das myotoxische Potenzial wird dosisabhängig und durch potenziell interagierende Arznei- und Nahrungsmittel verstärkt [5, 6]. Die FDA bezieht sich aktuell nur auf die Cytochrom-P450-vermittelten Interaktionen, welche bei den meisten Statinen zu einer Metabolisierungshemmung führen [7, 8]. Wissenschaftlich gesichert und bedeutend sind jedoch auch pharmakokinetische Wechselwirkungen über P-Glycoprotein und über OATP1B1 (organic anion transporting polypeptide 1B1). Wird der Abbauweg gehemmt, steigt die HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoraktivität, welche wiederum das Risiko einer Statin-induzierten Myopathie erhöht.

Neue Kontraindikationen für Lovastatin

Bisher wurde in den USA die gleichzeitige Anwendung von Lovastatin mit den potenten CYP3A4-Inhibitoren Itraconazol, Ketoconazol, HIV-Proteasehemmer, Erythromycin, Clarithromycin, Telithromycin und Nefazodon als "zu vermeiden" eingestuft und ist nun kontraindiziert. In diesem Punkt gibt es jetzt zu den deutschen Lovastatin-Fachinformationen keinen Unterschied mehr [9]. Ein weiterer Beschluss der FDA, welcher sich hierzulande noch nicht findet, ist die Kontraindikation der neuen HCV-Proteaseinhibitoren Telaprevir und Boceprevir in Kombination mit Lovastatin und Simvastatin. Eine nachgeschaltete Sicherheitsinformation der FDA vom 1. März 2012 informiert speziell über die Interaktionen der HIV- und HCV-Proteasehemmer mit allen Statinen (siehe Tabelle) [2]. 

FDA-Empfehlungen bei Kombinationstherapie von Statinen mit
Protease-Inhibitoren.

Statin
Interagierende
Protease-Inhibitoren
Verschreibungsempfehlung
Atorvastatin
  • Tipranavir + Ritonavir
  • Telaprevir
Atorvastatin vermeiden
  • Lopinavir + Ritonavir
Atorvastatin mit Vorsicht und der niedrigst möglichen Dosierung
  • Darunavir + ritonavir
  • Fosamprenavir
  • Fosamprenavir + ritonavir
  • Saquinavir + ritonavir
20 mg Atorvastatin pro Tag nicht überschreiten
  • Nelfinavir
40 mg Atorvastatin pro Tag nicht überschreiten
Fluvastatin
keine Daten verfügbar
Lovastatin
  • HIV-Protease-Inhibitoren
  • Boceprevir
  • Telaprevir
kontraindiziert
Pitavastatin
  • Atazanavir ± Ritonavir
  • Darunavir + Ritonavir
  • Lopinavir + Ritonavir
keine Dosisbegrenzung
Pravastatin
  • Darunavir + Ritonavir
  • Lopinavir + Ritonavir
Keine Dosisbegrenzung
Rosuvastatin
  • Atazanavir ± Ritonavir
  • Lopinavir + Ritonavir
maximal einmal täglich
10 mg Rosuvastatin
Simvastatin
  • HIV-Protease-Inhibitoren
  • Boceprevir
  • Telaprevir
kontraindiziert

HIV = human immunodeficiency virus

Dosisgrenzen bei Kombinationen

Darüber hinaus sieht die FDA für Lovastatin folgende Dosisgrenzen vor: maximal 20 mg bei der gleichzeitigen Gabe mit Diltiazem, Verapamil und dem in Deutschland nicht zugelassenen Danazol sowie maximal 40 mg in Kombination mit Amiodaron. Bei Verapamil wurde die Empfehlung von 40 mg auf 20 mg Lovastatin reduziert (in Deutschland gilt noch 40 mg). Ein weiterer, nationaler Unterschied betrifft nach den aktuellen FDA-Vorgaben die Kombination mit Ciclosporin oder Gemfibrozil. Bisher sollte, wie in Deutschland, eine tägliche Dosis von 20 mg Lovastatin nicht überschritten werden, wenn gleichzeitig einer dieser Wirkstoffe angewendet wird. Die FDA fordert nun, die kombinierte Gabe aufgrund des erhöhten Myopathie-Risikos gänzlich zu vermeiden.

Kognitive Störungen und Blutzuckererhöhung

Eine wichtige Ergänzung der Fachinformationen der Statine bezieht sich auf potenzielle reversible kognitive Nebenwirkungen und erhöhte Blutzucker- und HbA1c -Spiegel. Entfernt wurde die Vorgabe, routinemäßige Kontrollen der Leberfunktion (Alanin-Aminotransferase) unter Statin-Therapie durchzuführen. Hierin sieht die FDA keinen belegten Nutzen zur Identifikation oder Vermeidung von extrem seltenen, Statin-induzierten Hepatotoxizitäten. Initiale Leberfunktionstests sollen vor Therapiebeginn jedoch beibehalten werden, welche in den deutschen Fachinformationen z. B. ab einer Dosierung von 40 mg Lovastatin sowie bei Patienten mit einer anamnestisch bekannten Lebererkrankung bereits empfohlen werden [8].


Quelle
[1] FDA Drug Safety Communication: Important safety label changes to cholesterol-lowering statin drugs; www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm293101.htm.

[2] FDA Drug Safety Communication: Interactions between certain HIV or hepatitis C drugs and cholesterol-lowering statin drugs can increase the risk of muscle injury; www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm293877.htm

[3] FDA Drug Safety Communication: New restrictions, contraindications, and dose limitations for Zocor (simvastatin) to reduce the risk of muscle injury; www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm256581.htm

[4] Thompson P.D., Clarkson P., Karas R.H.: Statin-associated myopathy. JAMA (2003) 289(13): 1681 – 1690.

[5] Armitage J.: The safety of statins in clinical practice. Lancet (2007) 370: 1781 – 1790.

[6] Ballantyne C.M. et al.: Risk for myopathy with statin therapy in high-risk patients. Arch Intern Med. (2003) 163(5): 553 – 564.

[7] Flockhart D.A.: Drug Interactions: Cytochrome P450 Drug Interaction Table. Indiana University School of Medicine (2007) http://medicine.iupui.edu/clinpharm/ddis/table.aspx (Zugriff am 1. März 2012).

[8] Neuvonen P.J., Niemi M., Backman J.T.: Drug interactions with lipid-lowering drugs: Mechanisms and clinical relevance. Clinical Pharmacology & Therapeutics (2006) 80: 565 – 558.

[9] Fachinformation Mevinacor®, MSD Sharp & Dohme GmbH, Stand September 2010.


Apothekerin Dr. Verena Stahl



DAZ 2012, Nr. 10, S. 49

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