- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 18/2012
- Rheuma und Ernährung
Ernährungsmedizin
Rheuma und Ernährung
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen besitzen eine zunehmend psychosoziale und gesundheitsökonomische Bedeutung. Unter der rheumatoiden Arthritis (RA) als bedeutendster Form leiden weltweit ca. 0,3 bis 1% der Bevölkerung. In Deutschland liegt die Prävalenz bei ca. 1%, d. h. es sind ca. 800.000 Menschen davon betroffen.
Bekanntlich handelt es sich bei der RA um eine chronische, in Schüben verlaufende Entzündung der Gelenkinnenhaut (Synovialitis). Inflammatorische Prozesse an der Gelenkschleimhaut sowie hierbei freigesetzte Enzyme und Gewebshormone führen langfristig zu einer Schädigung des Gelenkknorpels und der gelenknahen Knochen. Verläuft die Entzündung ungebremst, so erfolgt ein progressiver Abbau dieser Gelenkstrukturen [43]. Charakteristischerweise manifestiert sich die Erkrankung polyartikulär und meist symmetrisch, v. a. an Hand- und Fingermittelgelenken. Bei etwa der Hälfte der Patienten treten zudem extraartikuläre Veränderungen, insbesondere subkutane Knötchen (Rheumaknötchen), auf. Häufig bleibt die Erkrankung nicht auf die Gelenke begrenzt, sondern greift als Systemerkrankung auch auf andere Organe über [114].
Inzwischen stehen bekanntermaßen effektive Pharmaka zur Behandlung der Erkrankung zur Verfügung. Darüber hinaus bestehen aber auch wissenschaftlich allgemein anerkannte nutritive Möglichkeiten, den klinischen Verlauf der rheumatoiden Arthritis adjuvant zu beeinflussen. Dabei wird versucht, das pathogenetische Geschehen durch eine modifizierte Nährstoffzufuhr zu beeinflussen und den antiinflammatorischen Prozess zu reduzieren. Die Bedeutung von Ernährungsfaktoren für das inflammatorische Geschehen ist für die RA am besten dokumentiert. Auf Basis der zugrunde liegenden Prozesse ist allerdings evident, dass auch andere rheumatische Erkrankungen mit entzündlicher Beteiligung wie beispielsweise eine aktivierte Arthrose, juvenile Arthritis, Psoriasisarthritis und anklosierende Spondylitis entsprechend beeinflusst werden können. Insoweit sind die nachfolgenden Ausführungen im Wesentlichen auch auf diese Patientengruppen übertragbar.
Pathogenese der rheumatoiden Arthritis
Die Pathogenese der rheumatoiden Arthritis ist bislang nicht in allen Einzelheiten bekannt. Aus heutiger Sicht wird davon ausgegangen, dass der RA eine Autoimmunerkrankung mit genetischer Prädisposition zugrunde liegt [12]. Als zentrales Ereignis in der Krankheitsentstehung gilt die Bildung von Immunkomplexen, die durch ein bislang unbekanntes Agens initiiert wird. Als mögliche Auslöser werden neben bakteriellen (Heat Shock Protein aus Mykobakterien) [28] bzw. viralen Infektionen (Epstein-Barr-Virus) [97] auch endogene Antikörper (Kollagen II) [58] und Lebensmittel-Antigene (Gluten, Lektine) diskutiert [24; 88].
In der Folge werden Immunprozesse in Gang gesetzt, die bei einem gleichzeitig vorliegenden T-Suppressor-Defekt zu einer permanenten Aktivierung von B-Lymphozyten führen. Diese wandeln sich in Plasmazellen um und sezernieren als Rheumafaktoren bezeichnete Autoantikörper, die zusammen mit Immunglobin G (IgG) Immunkomplexe bilden. Die Phagozytose dieser Immunkomplexe durch Makrophagen und Granulozyten führt zu einer Aktivierung des Komplementsystems [15] und der Freisetzung verschiedener Zytokine und proteolytischer Enzyme. Gleichzeitig kommt es durch den respiratory-burst in phagozytierenden Zellen zu einer erhöhten Bildung freier Radikale und reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) (Abb. 1). Diese schädigen oxidativ die hyaline Knorpelsubstanz und tragen zum Abbau der Knochenmatrix bei [25]. Zudem kommt es zu einer Aktivierung von Phospholipasen und einer dadurch verstärkten Freisetzung von mehrfach ungesättigten Fettsäuren, besonders Arachidonsäure, aus Membranphospholipiden. Die parallel erfolgende Aktivierung von Cyclo- und Lipoxygenasen führt zu einer erhöhten Synthese von inflammatorisch wirksamen Eicosanoiden aus Arachidonsäure. Dieser immunologisch-entzündliche Prozess, der vorwiegend in den Gelenken stattfindet, löst letztendlich die für rheumatische Erkrankungen typischen entzündlichen Veränderungen der Synovialis aus. Die Entzündungsmediatoren bedingen nicht nur die unmittelbaren entzündlichen und schmerzhaften Reaktionen, sondern fördern zudem die progressive Zerstörung von Geweben, besonders Knorpel. Aus dem Stoffwechsel und der Wirkweise entzündungsfördernder Eicosanoide sowie freier Radikale und ROS ergeben sich, wie nachfolgend dargestellt, Möglichkeiten für eine diätetische Intervention bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen.
Polyenfettsäuren als Präkursoren unterschiedlicher Entzündungsmediatoren
Für den inflammatorischen Prozess spielen Eicosanoide eine zentrale Rolle. Ihre Synthese erfolgt im Stoffwechsel vorwiegend aus Arachidonsäure, einer vierfach ungesättigten Omega-6-Fettsäure (C20:4ω6). Initialer Schritt ist dabei die enzymatische Freisetzung von Arachidonsäure (AA) aus den Membranphospholipiden von Leukozyten und anderen Zellen durch das Enzym Phospholipase A2. In Abhängigkeit von der enzymatischen Ausstattung der jeweiligen Zelltypen ergeben sich zwei mögliche Stoffwechselwege für Arachidonsäure, wobei über verschiedene Intermediärprodukte die jeweiligen Eicosanoide entstehen. Über den Lipoxygenase-Weg kommt es zur Bildung der Leukotriene (LT) der 4er-Serie (LTA4 und LTB4), Hydroxyfettsäuren (5-HPETE, 5-HETE) und Lipoxine. Der Cyclooxygenase-Weg führt zu Prostaglandinen (PG), Prostacyclinen (PC) und Thromboxanen (TX) der 2er-Serie. Während die Typenbezeichnung (u. a. PGA, D, E, F) die Substituenten der Prostaglandine am Cyclopentanring benennt, gibt der Index ‚2er-Serie’ die im Molekül enthaltenen Doppelbindungen in den Seitenketten an. Da bei der Umwandlung der Arachidonsäure zu Prostaglandinen und Thromboxanen zwei Doppelbindungen durch die Zyklisierung und Oxidation entfallen, verbleiben nur noch zwei Doppelbindungen im Molekül.
Das stark inflammatorisch wirkende PGE2 ist für die auftretende Erwärmung, Schmerzauslösung und Ödembildung der Gelenke [13; 76] verantwortlich. Gleichermaßen entzündungsfördernde Eigenschaften besitzt LTB4, das auf Neutrophile und Monozyten chemotaktisch wirkt, die Freisetzung hydrolytischer Enzyme erhöht und eine Steigerung der Synthese von freien Radikalen und ROS bewirkt.
In welchem Umfang proinflammatorische Eicosanoide synthetisiert und damit zur klinischen Manifestation entzündlich-rheumatischer Erkrankungen beitragen, ist wesentlich von zwei Faktoren abhängig:
- dem Arachidonsäuregehalt von Membranphospholipiden,
der enzymatischen Umsetzung der Arachidonsäure durch Cyclooxygenasen und Lipoxygenasen.
Nutritive Modifikation der Eicosanoidsynthese
Beide Teilaspekte des Syntheseprozesses lassen sich über die Ernährung gezielt beeinflussen. Eine hohe alimentäre Zufuhr von Arachidonsäure führt zu einem ausgeprägten Konzentrationsanstieg in den Plasmalipiden und einem verstärkten Einbau in Membranphospholipide. Entsprechend kommt es zu einer intensivierten körpereigenen Bildung der inflammatorisch wirksamen Prostaglandine und Leukotriene.
Grundsätzlich ist der menschliche Organismus in der Lage, die für verschiedene Stoffwechselprozesse (z. B. Synthese neuronaler Strukturen) notwendige Arachidonsäure auch selbst zu synthetisieren, wobei er die in pflanzlichen Fetten enthaltene Linolsäure, eine zweifach ungesättigte Omega-6-Fettsäure (C18:2ω6), als Vorstufe nutzt. Dieser Stoffwechselweg ist jedoch aufgrund der geringen Aktivität der beteiligten Enzymsysteme quantitativ von untergeordneter Bedeutung. Eine höhere Zufuhr an Linolsäure (>10 g/d) kann die Metabolisierung zu Arachidonsäure sogar inhibieren (Reduzierung der Aktivität der Δ-6-Desaturase durch Substrathemmung). Dies führt zu einer Senkung der Arachidonsäurekonzentration und damit einer verminderten Bildung von proinflammatorischen Entzündungsmediatoren [4].
Das Ausmaß der Eicosanoidbildung aus Arachidonsäure wird nicht nur durch den Gehalt dieser Fettsäure im Körper bestimmt, sondern auch von der Umsetzung durch die beiden Enzymsysteme Cyclooxygenase und Lipoxygenase. Arachidonsäure und die strukturell ähnliche Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure (EPA, C20:5ω3) konkurrieren in der Biosynthese der Eicosanoide um die gleichen Enzymsysteme des endoplasmatischen Retikulums (kompetitive Hemmung), wobei Omega-3-Fettsäuren eine höhere Affinität zu diesen Enzymen besitzen als Omega-6-Fettsäuren. Auf dem Lipoxygenase-Weg werden aus Eicosapentaensäure Leukotriene der 5er-Serie und auf dem Cyclooxygenase-Weg Prostaglandine, Prostacycline und Thromboxane der 3er-Serie synthetisiert. Die aus Eicosapentaensäure synthetisierten Eicosanoide weisen im Gegensatz zu den aus Arachidonsäure gebildeten Eicosanoiden eine vergleichsweise geringe entzündungsfördernde und teilweise sogar antiinflammatorische Aktivität auf [17]. Abhängig davon, in welcher Menge und Relation den körpereigenen Enzymsystemen Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren zur Verfügung stehen, werden entweder vermehrt proinflammatorische Eicosanoide der 2er- und 4er-Serie mit stark proaggregatorischen, vasokonstriktorischen und proinflammatorischen Eigenschaften oder aber Eicosanoide der 3er- und 5er-Serie mit weniger stark entzündungsfördernden bzw. antiinflammatorischen Wirkungen (Abb. 2) gebildet [17; 103].
Darüber hinaus existieren weitere Mechanismen, über die Omega-3-Fettsäuren das Entzündungsgeschehen beeinflussen können. Da Omega-3-Fettsäuren zwar eine hohe Affinität zu den Enzymen Cyclooxygenase und Lipoxygenase aufweisen, infolge der zusätzlichen Doppelbindung aber nur in geringerem Umfang metabolisiert werden können, reduzieren sie insgesamt die Eicosanoidbildung [2]. Zusätzlich ist Eicosapentaensäure in der Lage, Arachidonsäure aus den Membranphospholipiden zu verdrängen, so dass weniger Substrat für die Bildung der Arachidonsäurederivate zur Verfügung steht [10]. Daneben reduzieren Omega-3-Fettsäuren die Konzentration inflammatorischer Zytokine: so senkt die hochdosierte Gabe von Omega-3-Fettsäuren bei Patienten mit chronischer Polyarthritris den Interleukin-1β-Spiegel [55]. Eine Beeinflussung der Expression von Adhäsionsmolekülen und weiteren inflammatorischen Genen (z. B. Gene der Cyclooxygenase-2) durch Omega-3-Fettsäuren wird ebenfalls diskutiert [16; 26].
Das Angebot an Eicosapentaensäure hängt primär von der Zufuhr dieser, praktisch ausschließlich in Fettfischen wie Lachs, Makrele und Hering vorkommenden Fettsäure mit der Nahrung ab. In Fettfischen findet sich gleichermaßen Docosahexaensäure (C22:6ω3), die ohne Weiteres in Eicosapentaensäure umgewandelt werden kann [23]. Der menschliche Organismus ist grundsätzlich auch zur De-novo-Synthese von Eicosapentaensäure aus der in Pflanzen (besonders Leinöl) vorkommenden Alpha-Linolensäure (C18:3ω3), die als Stammsubstanz der Omega-3-Fettsäuren gilt, in der Lage. Allerdings ist diese mehrstufige Konversion – ähnlich wie die Umwandlung von Linolsäure in Arachidonsäure – sehr ineffizient und zeigt zudem eine deutliche Abhängigkeit von genetischen Faktoren sowie der Ernährungsweise. Die Umwandlungsrate liegt bei ca. 5%, so dass die Zufuhr von 20 g Alpha-Linolensäure notwendig wäre, um 1 g Eicosapentaensäure zu synthetisieren.
Oxidativer Stress
Die bei der rheumatoiden Arthritis auftretende überschießende Entzündungsreaktion führt in den betroffenen Gelenken zu einer vermehrten Bildung von freien Radikalen und ROS. Phagozytierende Zellen wie aktivierte Makrophagen und Granulozyten verursachen einen ‚respiratory burst’, der durch einen NADPH Oxidase Komplex vermittelt wird und in einem beträchtlichen Anstieg des Sauerstoffverbrauchs und der Produktion von hoch toxischen ROS resultiert. Der hieraus resultierende oxidative Stress potenziert den inflammatorischen Prozess über verschiedene Mechanismen [44; 53]. Freie Radikale aktivieren die Phospholipase A2 und verstärken damit die Arachidonsäure-Freisetzung aus den Phospholipiden. Folglich ist auch die Bildung proinflammatorischer Eicosanoide erhöht [69]. Darüber hinaus wirken freie Radikale auf verschiedene Bindegewebsstrukturen des Gelenks wie z. B. Proteoglykane, Hyaluronsäure, Lipide und Proteine (z. B. Kollagen) destruktiv [39; 53]. Eine vermehrte Bildung proinflammatorischer Substanzen wie Zytokine und Chemokine [75] wird ebenfalls durch freie Radikale und Induzierung des Transkriptionsfaktors NFκB (nuclear factor kappa B) ausgelöst.
In den betroffenen Geweben nimmt die Konzentration an Antioxidanzien durch deren erhöhten Verbrauch ab, was wiederum zu einer Verstärkung des oxidativen Stresses führt. Bei einer unzureichenden Versorgung mit Antioxidanzien und einer dadurch bedingten Erhöhung des oxidativen Stresses im Gelenk wird das Entzündungsgeschehen weiter intensiviert [57]. Dies hat eine "überschießende Phagozytose" zur Folge, wodurch die Bildung von ROS weiter anwächst und der entzündliche Prozess außer Kontrolle gerät.
Seit Längerem ist bekannt, dass ein erhöhter oxidativer Stress die Entstehung verschiedener Erkrankungen wie Atherosklerose [49; 85; 101], Krebs [34; 48], Morbus Parkinson [29; 35] und Morbus Alzheimer [5; 20; 89] begünstigt. Die klinische Manifestation der Atherosklerose stellt ein Risiko für relevante Begleit- und Folgeerkrankungen für Rheumapatienten dar. Patienten mit rheumatoider Arthritis haben nachweislich ein etwa zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko gegenüber Nicht-RA-Patienten, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden [108]. Nach Untersuchungen mithilfe des Norfolk Arthritis Register waren kardiovaskuläre Erkrankungen die Haupttodesursachen für eine Kohorte von 1362 Patienten mit rheumatoider Arthritis, die zwischen 1990 und 1994 neu registriert und Ende 1999 wiederholt erfasst wurden [42]. Dabei ist entscheidend, dass die kardiovaskulären Manifestationen nicht allein auf klassische Risikofaktoren (Hypertonie, Nicotin, Diabetes mellitus) zurückzuführen sind.
Mögliche Ansatzpunkte für einen Zusammenhang zwischen kardiovaskulären Komplikationen und rheumatoider Arthritis stellt die entzündliche Genese beider Erkrankungen dar. Unterstützt durch die konstant erhöhte Konzentration von Zytokinen und den oxidativen Stress werden endothele Dysfunktionen verstärkt und die Bildung atherosklerotischer Plaques gefördert.
Die Optimierung der Nährstoffversorgung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis, u. a. mit antioxidativ wirksamen Nährstoffen, ist damit nicht nur im Zusammenhang mit dem eigentlichen Krankheitsgeschehen von Bedeutung, sondern auch im Hinblick auf weitere kardiovaskuläre oder metabolische Folgeerkrankungen relevant.
Ansatzpunkte für diätetische Maßnahmen
Die sich aus den vorab dargestellten Mechanismen ergebenden Zusammenhänge zwischen Ernährung und entzündlich-rheumatischen Erkrankungen werden durch eine Vielzahl experimenteller und klinischer Daten bestätigt [45; 60; 79; 99]. Im Mittelpunkt einer diätetischen Beeinflussung entzündlicher Gelenkerkrankungen steht die gezielte Zufuhr von antiinflammatorisch wirksamen Nahrungsfaktoren und antioxidativen Nährstoffen sowie die Senkung der Aufnahme an arachidonsäurehaltigen Lebensmitteln (Abb. 3).
Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass es beim Fasten, d. h. unter totaler Nahrungskarenz, zu einer Verbesserung entzündlich-rheumatischer Beschwerden kommt. In Studien, die den Einfluss eines Fastenregimes auf die klinische Symptomatik untersuchten, verbesserte sich die Schmerzintensität und verringerte sich die Anzahl schmerzhafter Gelenke [81]. Die günstigen Effekte des Fastens dürften dabei wahrscheinlich zu einem großen Teil auf die ausbleibende Zufuhr von Arachidonsäure zurückzuführen sein. Der Anstieg der Cortisolspiegel während des Fastens resultiert weiter in einer Konzentrationsabnahme bestimmter Immunzellen (CD4- und CD8-positiver Zellen) sowie einem Anstieg antiinflammatorischer Zytokine (IL-4). Eine totale Nahrungskarenz bedeutet aber einen massiven Eingriff in die Ernährungsweise, wodurch die ohnehin katabole Stoffwechsellage der Patienten verstärkt wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass mit der Wiederaufnahme der "normalen" Nahrungszufuhr die Beschwerden wieder auftreten. Damit stellt Fasten keine langfristig praktizierbare diätetische Maßnahme dar, kann aber ggf. als Einstieg in eine Modifikation des Ernährungsmusters genutzt werden.
Im Zentrum diätetischer Maßnahmen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis steht die Modifikation der Fettsäurezufuhr mit einer Verminderung der Arachidonsäureaufnahme (reduzierter Konsum fetter Fleisch- und Wurstwaren) bei gleichzeitiger Erhöhung der Aufnahme pflanzlicher und damit arachidonsäurearmer sowie antioxidanzienreicher Lebensmittel. Verschiedentlich konnte gezeigt werden, dass vegetarische (z. B. lacto-vegetabile Ernährung) und vegane (rein pflanzliche) und damit arachidonsäurearme bzw. praktisch arachidonsäurefreie Ernährungsformen mit einer Verbesserung des Erkrankungsbildes einhergehen [47; 59; 78; 83; 107]. Allerdings kann die Wirksamkeit von Eliminiationsdiäten, veganen, vegetarischen oder mediterranen Ernährungsregimes aufgrund der derzeit schwachen Studienlage abschließend nicht festgestellt werden. Nach Angaben des Cochrane-Reviews von Hagen et al. (2009) ist die Zahl der begutachteten Studien gering, aber gleichzeitig die Anfälligkeit für Bias groß. Neben den moderaten Studienergebnissen müssen hohe Dropout-Raten sowie signifikant höhere Gewichtsverluste in den Diät- gegenüber den Kontrollgruppen berücksichtigt werden [46]. In der Praxis gelingt es zudem den wenigsten Patienten, die Empfehlungen für eine fleischarme, fischhaltige und vegetarisch ausgerichtete Diät dauerhaft umzusetzen, da die Lebensmittelauswahl stark von den in Mittel- und Nordeuropa üblichen Ernährungsgewohnheiten abweicht und deshalb von einem Großteil der Bevölkerung nicht praktiziert wird. Von daher sind andere Strategien denkbar, um insbesondere das Angebot an langkettigen Omega-3-Fettsäuren zu verbessern.
Gut dokumentiert ist inzwischen der Nutzen einer Gabe von Fischöl-Präparaten mit einem hohen Gehalt an Eicosapentaensäure bzw. Docosahexaensäure; dies wird in Teil 2 des Beitrages ausführlich dargestellt. Die diätetische Wirkung ist dann besonders ausgeprägt, wenn gleichzeitig die Zufuhr an Omega-6-Fettsäuren reduziert wird, da – wie bereits dargestellt – das Verhältnis von Omega-3-/Omega-6-Fettsäuren in der Nahrung von zentraler Bedeutung für die Eicosanoidsynthese ist [104]. Während Grönländer beispielsweise mit ihrer Nahrung Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren in einem Verhältnis von ca. 1:1 bis 1:4 aufnehmen, bewegt sich das Verhältnis Omega-6-/Omega-3-Fettsäuren in Deutschland im Durchschnitt bei 7:1 [72] und in den meisten westlichen Industrieländern heute bei über 15:1 [98]. Damit weicht die alimentäre Zufuhr der beiden Fettsäurefamilien stark von dem derzeit wünschenswerten Verhältnis ab, das bei unter 5:1 (Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren) liegen sollte. Bei einer Aufnahme von Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren im Verhältnis von ca. 15:1 dominiert in den Membranphospholipiden Arachidonsäure. Damit überwiegt die Synthese von proinflammatorischen Eicosanoiden.
Neben der Nährstoffmodifikation kann bei Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass einzelne Lebensmittel oder Lebensmittelbestandteile direkt rheumatische Beschwerden auslösen, die Elimination der entsprechenden Lebensmittel in Betracht gezogen werden. Mithilfe eines verblindeten Provokationstests ist in diesen Fällen die Identifikation entsprechender Lebensmittel möglich.
Literatur
Autoren
Dr. Janina Willers1
Dr. Bärbel Mang1
Prof. Dr. Gerhard Bach2
Prof. Dr. Andreas Hahn1
1 Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Institut für Lebensmittelwissenschaft und Humanernährung, (Leiter: Prof. Dr. Andreas Hahn)
2 Prof. Dr. Gerhard Bach, M. D., Praxis Innere Medizin und Rheumatologie, 67269 Grünstadt
Korrespondenzadresse:
Dr. Janina Willers,
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Institut für Lebensmittelwissenschaft
und Humanernährung,
Am Kleinen Felde 30, 30167 Hannover
Telefon: (05 11) 7 62 57 55
Fax: (05 11) 7 62 57 29
E-Mail: willers@nutrition.uni-hannover.de
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.