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- DAZ 27/2012
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Arzneimittel und Therapie
Meningokokken im Visier
Prävention ist möglich, aber nicht gegen alle Serogruppen
Meningokokken (Neisseria meningitidis) können schwere invasive Meningokokkeninfektionen hervorrufen wie eine purulente Meningitis, eine Sepsis oder, im schlimmsten Fall, ein Waterhouse-Friderichsen-Syndrom. Von den 13 bislang identifizierten Serogruppen verursachen weltweit nur sechs Serogruppen die überwiegende Mehrzahl der invasiven Meningokokkenerkrankungen, nämlich die Serogruppen A, B, C, W-135, X und Y. Das regionale Auftreten unterscheidet sich erheblich. In Deutschland herrscht, wie in anderen europäischen Ländern, Serogruppe B vor, die 70% der schweren Infekte auslöst, gefolgt von Serogruppe C mit einem Anteil von etwa 22%. Doch auch andere Serogruppen sind relevant. So wird bei 5% der Erkrankten Serogruppe Y, bei 3% Serogruppe W-135 und bei 1% Serogruppe A gefunden. In England, aber auch in den USA ist es in den vergangenen 20 Jahren zu einem erheblichen Anstieg der Serogruppe Y gekommen, erläuterte der Tropenmediziner Prof. Dr. Thomas Löscher, München, auf der von GlaxoSmithKline veranstalteten Pressekonferenz "Neuer 4-valenter Meningokokken-Konjugatimpfstoff (A, C, W-135, Y) für die ganze Familie: Impfung für Kleinkinder und Schutz auf Reisen" am 18. Juni 2012 in München. In den USA muss zudem mit Serogruppe B, aber auch mit den Serogruppen C und W-135 gerechnet werden.
In Entwicklungsländern finden sich als Auslöser invasiver Meningokokkenerkrankungen vor allem die Serogruppen A, C und W-135. Der afrikanische Meningitis-Gürtel wurde lange von A-Meningokokken dominiert. Zunehmend kommt es dort aber auch zu epidemischen Ausbrüchen durch Serogruppe W-135. Auch bei Mekkapilgern, die sich während der Hadj infizieren, ist vor allem die W-135-Serogruppe relevant.
Vorteil für Konjugatimpfstoffe
Meningokokkenimpfstoffe stehen in Deutschland bislang zur Prävention invasiver Erkrankungen durch die Serogruppen A, C, W-135 und Y zur Verfügung. Dabei müssen Polysaccharidimpfstoffe und Konjugatimpfstoffe unterschieden werden. Polysaccharidimpfstoffe enthalten die gereinigten Serogruppen-spezifischen Kapsel-Polysaccharide. Bei den Konjugatimpfstoffen sind die Kapselpolysaccharide an ein Protein gekoppelt. Verwendet werden Tetanustoxoid oder CRM197, eine atoxische Mutante des Diphtherie-Toxins.
Diese Kopplung an einen Eiweißträger führt zur Stimulation von T-Zellen und sorgt insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern für eine bessere Immunantwort und die Ausbildung eines Immungedächtnisses. Dadurch wird eine langandauernde Immunität erreicht. Zudem wird die Zahl der asymptomatischen Meningokokken-Träger reduziert und Herdenimmunität vermittelt. Auch ein Boostereffekt wird erreicht. Dagegen tritt anders als bei Polysaccharidimpfstoffen keine "Hyporesponsiveness" auf, sprich keine verminderte Immunantwort bei wiederholter Impfung. Konjugatimpfstoffe werden aus diesen Gründen bevorzugt eingesetzt.
Neu: tetravalenter Konjugatimpfstoff ab 1. Geburtstag
Für die Prävention von Meningokokken-C-Infekten stehen bereits seit einiger Zeit Konjugatimpfstoffe für die Impfung von Säuglingen zur Verfügung. Ein tetravalenter Konjugatimpfstoff, der auch die Serogruppen A, W-135 und Y erfasst, war einige Zeit erst ab dem elften Lebensjahr verfügbar, seit Kurzem ab zwei Jahren, allerdings nur als Vial/Vial-Präsentation. Mit Nimenrix™ ist nun der erste tetravalente Meningokokken-Konjugatimpfstoff gegen die Serogruppen A, C, W-135 und Y verfügbar, der bereits ab dem vollendeten zwölften Lebensmonat verimpft werden kann. Damit werden 31% der Erreger erfasst, die invasive Meningokokkenerkrankungen in Deutschland auslösen, so Prof. Dr. Markus Knuf, Direktor der Klinik für Kinder und Jugendliche, Horst-Schmidt-Kliniken Wiesbaden.
Eine tetravalente Impfung wird von der STIKO auch empfohlen bei Reisen in Länder mit epidemischem/hyperendemischem Vorkommen dieser Meningokokken-Serogruppen, oder auch für Schüler und Studenten vor Langzeitaufenthalten in Ländern mit empfohlener allgemeiner Impfung für Jugendliche oder selektiver Impfung für Schüler und Studenten. Bei geplantem Schüleraustausch ist es sinnvoll immer nachzufragen, welche Empfehlungen im jeweiligen Land gelten. Was noch immer fehlt, ist ein für Deutschland so wichtiger Meningokokken-B-Impfstoff. Ein Zulassungsantrag wurde allerdings bereits gestellt.
Übersicht zu Meningokokkenimpfstoffen | ||||
Impfstoff |
Carrier |
Serogruppen |
Zulassung |
Unternehmen |
Polysaccharidimpfstoffe | ||||
Mencevax®
ACWY |
ACWY |
ab dem vollendeten 2. Lebensjahr |
GSK |
|
Meningokokken- Impfstoff A+C Merieux® |
AC |
ab 18 Monate |
Sanofi Pasteur |
|
Konjugatimpfstoffe | ||||
Menjugate®
Kit |
CRM197 |
C |
ab vollendetem 2. Monat |
Novartis |
Meningitec®
|
CRM197 |
C |
ab zwei Monate |
Pfizer |
Neisvac-C®
|
TT |
C |
ab vollendetem 2. Monat |
Baxter |
Menveo®
|
CRM197 |
ACWY |
ab elf Jahre
(Fertigspritze)
ab zwei Jahre (nur für die Vial/Vial-Präsentation) |
Novartis |
Nimenrix™ |
TT |
ACWY |
ab zwölf Monate |
GSK |
TT = Tetanustoxoid; CRM197 = atoxische Mutante des Diphtherie-Toxins
Apothekerin Dr. Beate Fessler
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