Medizin

Tückisches Zervixkarzinom

Vorsorgeuntersuchungen weiterhin notwendig, auch bei HPV-Impfung

Clemens Bilharz | Gebärmutterhalskrebs entwickelt sich über viele Jahre und durchläuft mehrere Vorstufen. Am Anfang steht in der Regel eine Infektion mit dem humanen Papillomavirus. Die vor fünf Jahren eingeführte Impfung gegen HPV bietet keinen vollständigen Schutz. Wünschenswert wäre daher, die auf konventioneller Zytologie beruhende Früherkennung zu optimieren, um Frauen mit hohem Progressionsrisiko zu identifizieren.

In Deutschland erkrankten 2008 etwa 4900 Frauen an einem invasiven Zervixkarzinom (Gebärmutterhalskrebs); das mittlere Erkrankungsalter lag bei 52 Jahren. Als Prognose für 2012 nennt das Zentrum für Krebsregisterdaten rund 4600 Betroffene. Inzidenz und Mortalität des Zervixkarzinoms sind seit Jahren rückläufig, allerdings sind beide Werte in Deutschland höher als in anderen europäischen Ländern. Am In-situ-Karzinom erkranken Frauen im Mittel bereits mit 36 Jahren, es tritt etwa drei- bis viermal häufiger auf als das invasive Karzinom. Weltweit betrachtet ist das Zervixkarzinom die zweithäufigste Krebserkrankung bei Frauen; die Inzidenz reicht von 10 pro 100.000 Frauen in Industrienationen bis zu 60 pro 100.000 Frauen in Entwicklungsländern. Diese Diskrepanz beruht auf der Effizienz der zytologischen Krebsfrüherkennung, die in vielen Industrienationen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingeführt wurde.

Krebsverursacher HPV

Nach zahlreichen epidemiologischen und experimentellen Studien seit Beginn der 80er-Jahre ist es heute unstrittig, dass bestimmte – ausschließlich humanpathogene – Typen des humanen Papillomavirus (HPV) für die Entstehung des Zervixkarzinoms verantwortlich sind, ebenso für andere Erkrankungen des Anogenitalbereichs wie z. B. Genitalwarzen (Condylomata acuminata). Von den mehr als 100 derzeit bekannten Genotypen des HPV, einem DNA-Virus aus der Familie der Papovaviren, können mehr als 20 zu Infektionen im menschlichen Anogenitalbereich führen. Humane Papillomaviren infizieren ausschließlich Epithelzellen der Haut oder der Schleimhäute.

Je nach Assoziation mit der Ausbildung eines Zervixkarzinoms oder seiner Dysplasie-Vorstufen (CIN 1 – 3 = Cervical Intraepithelial Neoplasia) werden High-Risk- und Low-Risk-Typen des HPV unterschieden. So werden genitoanale Warzen in der Regel durch die Low-Risk-Typen 6 oder 11 hervorgerufen, das Zervixkarzinom und seine Vorstufen hingegen vor allem durch die High-Risk-Typen 16 und 18, ferner durch 31, 33 und 35. In einer 2007 veröffentlichten deutschen Studie fanden sich bei 90% der Frauen mit CIN 2, bei 88,2% mit CIN 3 sowie bei 94,7% mit CIS (Carcinoma in situ) High-Risk-HPV-Typen, wobei HPV 16 mit Abstand am häufigsten vorkam.

Weiterhin sind High-Risk-HPV-Typen aber auch für die Entstehung von mehr als 50% der selten auftretenden Penis-, Vulva- und Analkarzinome sowie für bis zu 20% der Karzinome im Hals- und Rachenbereich verantwortlich.

HPV: Von den weit über 100 Typen des humanen Papillomaviruskönnen ca. 13 Hochrisikotypen Krebs auslösen, vor allem dieTypen 16 und 18. (Foto: David Mack/SPL/Agentur Focus)


Unbemerkte Infektion

Humane Papillomaviren werden in der Regel durch direkten Sexualkontakt übertragen, in seltenen Fällen auch durch Schmierinfektion oder Körperkontakt bei gemeinsamem Baden.

Das Risiko einer Infektion mit HPV steigt mit der Anzahl der Geschlechtspartner, wobei Kondome keinen sicheren Schutz vor Übertragung darstellen. Eine Infektion mit verschiedenen HPV-Typen nacheinander oder gleichzeitig ist grundsätzlich möglich. Der Häufigkeitsgipfel für nachweisbare HPV-Infektionen liegt bei einem Alter zwischen 20 und 25 Jahren. Man schätzt, dass mindestens 70% aller Frauen im Laufe ihres Lebens eine HPV-Infektion durchmachen.

Die Infektion als solche verläuft ohne klinische Symptomatik und bleibt daher in der Regel unbemerkt, es handelt sich um eine lokale Infektion ohne Virämie. Bei 60 bis 80% der Infizierten lässt sich HPV nach rund einem Jahr nicht mehr nachweisen, bei 20 bis 40% wird eine Persistenz der Infektion festgestellt. Allerdings kommt es nur bei 5 bis 40% der High-Risk-HPV-positiven Frauen – selbst bei Vorliegen von Kofaktoren – zu nachweisbaren zytologischen Veränderungen im Sinne einer zervikalen Dysplasie. Auch bilden sich mehr als die Hälfte der CIN-Vorstufen von selbst zurück, was die individuell prognostische Bewertung der Zellveränderungen grundsätzlich erschwert.

Lange Zeitspanne bis zum Frühstadium

Der durchschnittliche Zeitraum zwischen HPV-Infektion und Zervixkarzinom wird auf 15 bis 30 Jahre geschätzt, wobei das Intervall zwischen Infektion und Präkanzerose (< 10 Jahre) in der Regel kürzer ist als das Intervall zwischen Präkanzerose und invasivem Karzinom (> 10 Jahre). Dabei stellt die persistente Infektion mit einem oder mehreren High-Risk-HPV-Typen bzw. die Unfähigkeit des Immunsystems, die Infektion auszuheilen, die notwendige Voraussetzung für die Entstehung eines Zervixkarzinoms dar. Verschiedene Kofaktoren können das Krebsrisiko HPV-positiver Frauen noch erhöhen:

  • Einnahme von oralen Kontrazeptiva über fünf oder mehr Jahre,

  • Rauchen,

  • hohe Geburtenzahl,
  • Immunsuppression,

  • HIV-Infektion oder andere genitale Infektionen (z. B. Herpes genitalis).

Gemäß folgendem Progressionsmodell entsteht das Zervixkarzinom über vier Stufen:

1. HPV-Infektion,

2. Viruspersistenz,

3. Transformation von Zellen der Genitalschleimhaut mit Ausbildung von Krebsvorstufen,

4. Entwicklung zu einem invasiven Karzinom.

Typischerweise entwickelt sich das Zervixkarzinom im Übergangsbereich des Plattenepithels der Ektozervix zum Zylinderepithel der Endozervix. Diese sog. Transformationszone liegt bei jungen Frauen eher im Ektozervixbereich, während sie mit zunehmendem Alter eher endozervikal liegt und daher schlechter zugänglich ist.

Die zervikalen intraepithelialen Dysplasien (CIN) werden in drei Schweregrade eingeteilt:

  • CIN 1: geringgradige Dysplasie,

  • CIN 2: mäßiggradige Dysplasie,

  • CIN 3: hochgradige Dysplasie und Carcinoma in situ (CIS).

Nach der Ansicht verschiedener Autoren sollten allerdings nur CIN 3 und Carcinoma in situ als Präkanzerosen gewertet werden, wohingegen es sich bei CIN 1 und CIN 2 um keine sicheren Krebsvorstufen handeln würde.

Das lange Intervall zwischen der Entwicklung der CIN-Vorstufen und der Progression zum invasiven Zervixkarzinom bietet eine ideale Voraussetzung für eine erfolgreiche Krebsvorsorge, die auf der Identifikation und gegebenenfalls kurativen Entfernung verdächtiger Karzinomvorstufen beruht.

Der "Pap-Test" als gesetzliche Vorsorgeuntersuchung

Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung haben Frauen ab dem Alter von 20 Jahren den Anspruch, sich einmal jährlich auf Krebserkrankungen des Genitalbereichs untersuchen zu lassen; es wird aber kein organisiertes Screeningprogramm mit gezielten Einladungsschreiben durchgeführt.

Vorgesehen ist ein Zellabstrich von der Portiooberfläche sowie von der Endo- und Ektozervix unter Erfassung möglichst der gesamten Transformationszone (ggf. unter kolposkopischer Sicht). Beim anschließenden, bereits 1928 entwickelten zytologischen Testverfahren nach Papanicolaou ("Pap-Test") können nach Anfärbung entzündliche Zellveränderungen, Krebsvorstufen oder maligne Tumorzellen mikroskopisch nachgewiesen werden. Die Bewertung erfolgt anhand der Münchner Nomenklatur II, in der verwertbare zytologische Befunde in fünf Klassen Pap I bis Pap V eingeteilt sind (s. Tab. 1). Ab Stufe Pap IIID besteht der Verdacht auf eine Präkanzerose, ein In-situ-Karzinom oder ein invasives Zervixkarzinom.

Tab. 1: Münchner Nomenklatur II zur Klassifikation der zytologischen Untersuchung nach Papanicolaou

Pap 0
Zellabstrich unbrauchbar
Pap I
Normales Zellbild, unverdächtiger Zellbefund
Pap II
Einzelne atypische, aber nicht schwerwiegend veränderte dysplastische Zellen, entzündlich bedingt, unverdächtiger Befund
Pap III
Unklarer und kontrollbedürftiger Befund: schwere entzündliche oder andere Zellveränderungen ohne sichere Zuordnung zwischen benignem und malignem Befund
Pap IIID
Verdacht auf leichte bis mäßig stark ausgeprägte Dysplasie (CIN 1 – 2)
→ Kolposkopisch-zytologische Kontrolle in drei Monaten
Pap IIIG
Unklassifizierbare, atypische glanduläre Zellgruppen nach der Menopause
→ weitere Abklärung mittels fraktionierter Kürettage und Hysteroskopie
Pap IVa
Verdacht auf schwere Dysplasie oder Carcinoma in situ (CIN 2 – 3)
→ Kolposkopisch-zytologische Kontrolle und histologische Abklärung
Pap IVb
Verdacht auf schwere Dysplasie oder Carcinoma in situ, Progression zu invasivem Karzinom nicht auszuschließen (CIN 3, CIS)
→ Kolposkopisch-zytologische Kontrolle und histologische Abklärung
Pap V
Zellen eines malignen Tumors nachweisbar = invasives Zervixkarzinom


Abstrichentnahme und -bearbeitung sind fehleranfällig, was zu rund zwei Dritteln aller falsch-negativen Befunde führt; das restliche Drittel ist auf eine nicht korrekte Beurteilung im Labor zurückzuführen. Laut internationaler Literatur beträgt die Sensitivität des Pap-Tests bei CIN 1 – 3+ (CIN 3+ = CIN 3 plus Zervixkarzinom) durchschnittlich 50% bzw. bei CIN 2 – 3 50 bis 70%, wobei die Sensitivität bei jüngeren Frauen deutlich schlechter ausfällt als bei älteren Frauen. Die schwache Sensitivität bei der zytologischen Früherkennung konnte in deutschen und englischen Studien gezeigt werden. So wurden immerhin 16 bis 42% der Zervixkarzinome bei Frauen diagnostiziert, die drei bis fünf Jahre zuvor an einem Screening teilgenommen hatten – bei einem geschätzten Karzinomwachstum von mehr als zehn Jahren.

Die Spezifität des Pap-Tests beträgt im Schnitt 95%.

Die impfung gegen HPV wird derzeit für Mädchen im Alter von12 bis 17 Jahren empfohlen, wobei auch die dritte Dosis noch vordem ersten Geschlechtsverkehr gegeben werden sollte.(Foto: David Mack/SPL/Agentur Focus)

Dünnschichtzytologie als Alternative

Alternativ zur konventionellen Zytologie kann der Zervixzellabstrich mit einem Verfahren der qualitätskontrollierten Dünnschichtzytologie durchgeführt werden. Hierbei werden die entnommenen Zellen sofort in eine Konservierungslösung gegeben und fixiert. Dadurch wird eine die Auswertung erschwerende Zellhaufenbildung minimiert, woraus ein gut beurteilbares und reproduzierbares Bild der für die Fragestellung relevanten Zellen resultiert. Ein weiterer Vorteil der Dünnschichtzytologie liegt in der Möglichkeit zur Computer-assistierten Auswertung, bei der nach dem Prinzip der densitometrischen Kernanalyse nach auffälligen Zellen mit den größten und dunkelsten Zellkernen gesucht wird. In einigen Ländern gehört die Dünnschichtzytologie mit Computerassistenz bereits zum Standard bei der Zervixkarzinom-Früherkennung, so etwa in Großbritannien, Irland, der Schweiz, den USA und Kanada.

In der Rhein-Saar-Studie wurde die neue Methode unter Routinebedingungen mit der konventionellen Zytologie verglichen; hierzu wurden von August 2007 bis Oktober 2008 rund 21.000 Frauen in 19 gynäkologischen Praxen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland vorsorgeuntersucht. Alle Frauen mit zytologischen Auffälligkeiten (Pap III/IIID, Pap IVa/b, Pap V) wurden zwecks Verifizierung einer Expertenkolposkopie mit Biopsie und Doppelbefundung der histologischen Präparate zugeführt. Bei zytologisch auffälligen Befunden ab Pap III wurden mit der Dünnschichtzytologie 2,74-mal so viele histologisch bestätigte mäßig- oder höhergradige Dysplasien (CIN 2+) diagnostiziert, mit Computerassistenz sogar 3,17-mal so viele. Der Klassifizierung Pap IIID wurden mit konventioneller Zytologie 0,67% der Zellabstriche zugeordnet, mit der Dünnschichtzytologie 1,92% und Computer-assistiert 2,3%.


HPV-Test mit hoher Sensitivität

Aus dem Kausalzusammenhang zwischen einer HPV-Infektion und der Entwicklung des Zervixkarzinoms ergibt sich die Rationale für die Testung auf humane Papillomaviren. Da High-Risk-HPV-DNA sich weltweit in nahezu allen Zervixkarzinomen nachweisen lässt, bietet der HPV-DNA-Test mit über 90% eine sehr hohe Sensitivität für die Detektion von Krebsvorstufen und invasiven Karzinomen. Die Unterscheidung zwischen einer transienten HPV-Infektion und einem bereits bestehenden Zervixkarzinom ist allerdings nicht möglich. Daher macht der Test bei Frauen unter 30 Jahren keinen Sinn, denn erst ab 30 Jahren sinkt die HPV-Infektionsrate und steigt zugleich die Erkrankungsrate an Zervixkarzinomen.

Von der FDA zugelassene Tests sind z. B. der Hybrid-Capture-2-Test (HC2) und der Cervista-HR-HPV-Test – diese zeigen an, ob und welcher von 13 bzw. 14 Hochrisiko-HPV-Typen vorliegt. Inzwischen publizierte Studien zur Einbindung des HPV-DNA-Nachweises in die Früherkennungsuntersuchung zeigen einen 50 bis 70% höheren Anteil diagnostizierter Vorstufen des Zervixkarzinoms. In der holländischen POBASCAM-Studie wurden durch den HPV-Test pro 100.000 Frauen 79 zusätzliche CIN-3-Dysplasien und 30 zusätzliche invasive Karzinome entdeckt. Umgekehrt ist bei einem negativen Testergebnis die Gefahr sehr gering, in den kommenden Jahren eine hochgradige zervikale intraepitheliale Neoplasie (CIN 3) zu entwickeln, sodass es in diesen Fällen möglich ist, die Vorsorgeintervalle ohne Sicherheitseinbußen auszudehnen.

Im November 2011 veröffentlichte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen seinen Abschlussbericht zur vergleichenden Nutzenbewertung der HPV-Diagnostik allein oder in Kombination mit einem zytologiebasierten Verfahren gegenüber dem zytologiebasierten Verfahren allein. Berücksichtigt wurden sechs Studien mit insgesamt 235.613 Frauen. So ergab sich für eine HPV-Testung allein oder in Kombination mit einem zytologiebasierten Verfahren gegenüber einem ausschließlich zytologiebasierten Verfahren ein "Hinweis auf einen Nutzen hinsichtlich der Reduktion des kombinierten Endpunkts CIN 3+" (mit den Komponenten CIN 3, CIS und invasives Zervixkarzinom).

Falls sich bei Nachweis von High-Risk-HPV nur ein grenzwertiger oder leichtgradiger zytologischer Befund erheben lässt, kann zur Klärung der Progressionswahrscheinlichkeit ein immunzytochemischer Nachweis von p16 durchgeführt werden. Hierbei handelt es sich um ein den Zellzyklus normalerweise hemmendes Regulationsprotein, welches bei HR-HPV-bedingter Transformation einer Zelle eine paradoxe Überexpression zeigt und daher gut nachweisbar ist, unabhängig vom auslösenden HPV-Typ. Eine zusätzliche Färbung für den Proliferationsmarker Ki-67 erhöht die Spezifität des Tests. Daher werden beim Dual-Stain-p16/Ki-67-Test beide Marker gleichzeitig bestimmt; nur Positivität in derselben Zelle ergibt dann einen positiven Test. In der multizentrischen PALMS-Studie, an der 27.349 Frauen im Routinescreening teilnahmen, zeigte der kombinierte p16/Ki-67-Nachweis eine deutlich höhere Spezifität und Sensitivität als der alleinige p16-Nachweis.

Neues beim HPV-Test


Laut der Leitlinie für Prävention, Diagnostik und Therapie der HPV-Infektion und präinvasiver Läsionen des weiblichen Genitale der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (Stand August 2010) ergeben sich zusammenfassend mögliche Abweichungen von der bisherigen auf dem Pap-Test beruhenden Zervixkarzinom-Früherkennungsuntersuchung:

  • HPV-Test (HC2) plus konventionelle Zytologie mit einem verlängerten Intervall für Frauen ab dem 30. Lebensjahr (Intervall zwei bis fünf Jahre),

  • HPV-Test (HC2) plus flüssigkeitsbasierte Zytologie mit einem verlängerten Intervall für Frauen ab dem 30. Lebensjahr (Intervall zwei bis fünf Jahre),

  • flüssigkeitsbasierte Zytologie statt konventioneller Zytologie ab dem 20. Lebensjahr mit zweijährigem Intervall,

  • Computer-assistierte zytologische Auswertung.

HPV-Impfung von STIKO empfohlen

Laut verschiedener epidemiologischer Studien werden 70% der Zervixkarzinome und seiner dysplastischen Vorstufen von den HPV-Typen 16 und 18 verursacht und 90% der Kondylome von den HPV-Typen 6 und 11. Prophylaktische Impfstoffe gegen diese HPV-Typen wurden 2006 bzw. 2007 von der EMEA zugelassen. Hierbei handelt es sich um einen tetravalenten Impfstoff gegen die HPV 6, 11, 16 und 18 (Gardasil®) sowie um einen bivalenten Impfstoff gegen die HPV 16 und 18 (Cervarix®).

Beide Impfstoffe bestehen aus virusähnlichen Partikeln (Virus-like Particles, VLP) ohne jegliche infektiöse oder onkogene Potenz, nämlich leeren Viruskapsiden, die keine HPV-DNA enthalten. Gardasil® enthält 20 bis 40 μg VLP der in Hefe produzierten HPV-Typen 6, 11, 16, und 18, mit Aluminiumsalzen als Adjuvans. Cervarix® enthält jeweils 20 μg VLP der in Insektenzellen produzierten HPV-Typen 16 und 18, zusätzlich zu den Aluminiumsalzen noch das Adjuvans AS04, einen Zellwandbestandteil des Bakteriums Salmonella minnesota • Die durch die HPV-VLP induzierten Serumantikörpertiter liegen mehr als hundertfach über denen einer natürlichen HPV-Infektion. Bei einer HPV-Infektion binden sie an die Viruskapside und verhindern, dass die Viren in die Epithelzellen eindringen.

Nach teils kontroversen Publikationen fasste die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut 2009 aktuelle Studiendaten zusammen:

  • Durch Gardasil® konnten HPV-16- oder HPV-18-assoziierte Zervixkarzinomvorstufen (CIN 2, CIN 3, CIS) zu 97 bis 100% verhindert werden, sofern die Frauen HPV-16-DNA- bzw. HPV-18-DNA-negativ waren und die volle Serie von drei Impfungen erhielten (FUTURE-I/II-Studien).

  • Die Impfung mit Cervarix® zeigte eine Wirkung von 93% hinsichtlich der Verhinderung von HPV-16- oder HPV-18-assoziierten Zervixkarzinomvorstufen (CIN 2+) bei HPV-16- und/oder HPV-18-negativen Frauen (PATRICIA-Studie).

Einschränkend wurde festgestellt, dass die Impfung gegen HPV bei bereits infizierten Frauen deutlich schlechter wirkt: Sobald Frauen mit einer klinisch unauffälligen HPV-Infektion bzw. auch geringfügigen Zellveränderungen im Zervixbereich in die Studienpopulation einbezogen wurden, verschlechterten sich die Wirksamkeitsdaten der Impfstoffe gegen mäßig- und schwergradige Zervixkarzinomvorstufen (CIN 2+).

Beide Impfstoffe werden in jeweils drei Dosen verabreicht. In ihrem Epidemiologischen Bulletin vom August 2011 empfiehlt die STIKO nach wie vor eine generelle Impfung gegen HPV 16 und 18 für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren, wobei auch die dritte Dosis noch vor dem ersten Geschlechtsverkehr gegeben werden sollte. Allerdings wird klar darauf hingewiesen, dass die genaue Dauer der Immunität nach der kompletten Impfserie derzeit noch nicht bekannt ist. Vor allem schützen die aktuell verfügbaren Impfstoffe nicht gegen alle potenziell onkogenen High-Risk-Typen des humanen Papillomavirus, weshalb auch geimpfte Frauen auf keinen Fall auf eine regelmäßige Zervixkarzinom-Vorsorgeuntersuchung verzichten sollten.



Literatur

Zentrum für Krebsregisterdaten. Krebs in Deutschland 2007/ 2008 – Eine gemeinsame Veröffentlichung des Robert Koch-Instituts und der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. 2012;8:68– 69.

Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Leitlinie für Prävention, Diagnostik und Therapie der HPV-Infektion und präinvasiver Läsionen des weiblichen Genitale. AWMF Nr. 015/027 (S2k), August 2010.

Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Deutsche Krebsgesellschaft. Diagnostik und Therapie des Zervixkarzinoms. AWMF Nr. 032/033, Januar 2008 (zzt. in Überprüfung).

Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie, Deutsche STD-Gesellschaft, Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien. AWMF Nr. 082/002, Juni 2008. Wentzensen N, Klug SJ. Früherkennung des Zervixkarzinoms. Dtsch Arztebl 2008;105(37):617– 622. Naucler P, Ryd W, Tornberg S et al. Human papillomavirus and Papanicolaou tests to screen for cervical cancer. N Engl J Med 2007;357:1589– 1597. Hahne D. Computer spürt mehr Dysplasien auf. Dtsch Arztebl 2010;107(26):A1302– A1303. Ikenberg H, Klug SJ. Ergebnisse der Rhein-Saar-Studie – Der Vergleich zwischen dem konventionellen Pap-Test und der qualitätskontrollierten Dünnschichtzytologie. Gynäkologische Nachrichten, Kongressausgabe 2 (2010): 2– 3. Rijkaart DC et al. Human papillomavirus testing for the detection of high-grade cervical intraepithelial neoplasma and cancer: final results of the POBASCAM randomised controlled trial. The Lancet Oncology 2012;13(1):77– 88. Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin Nr. 30/2011; www.bundesaerztekammer.de/downloads/STIKOEmpf2011.pdf Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin Nr. 32/2009; www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2009/Ausgaben/32_09.pdf 

 

Clemens Bilharz, Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Stuttgart

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