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Arzneimittel und Therapie
Neue orale Therapie bei multipler Sklerose
Eine der beiden Studien leitete Prof. Dr. Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Klinik, St. Josef Hospital Klinikum der Ruhr Universität Bochum. An der Studie DEFINE (Determination of the Efficacy and Safety of Oral Fumarate) hatten 1234 MS-Patienten zwischen 18 und 55 Jahren teilgenommen. Sie erhielten entweder täglich zwei oder drei Dosierungen mit 240 mg Dimethyl-Fumarat oder ein Placebo. Das wichtigste Kriterium für den Erfolg der Therapie in der DEFINE-Studie war der Anteil der Patienten, die während des zweijährigen Studienzeitraumes einen Krankheitsschub erlitten. Unter der Therapie mit Placebo war dies bei 46% der Patienten der Fall, wesentlich seltener (27 und 26%) jedoch bei denjenigen, die täglich zwei- oder dreimal Kapseln mit Dimethyl-Fumarat erhalten hatten. Die jährliche Schubrate wurde in den beiden Fumarat-Gruppen mit 0,17 und 0,19 berechnet, unter Placebo mit 0,36. Dies entspricht einer relativen Reduktion von 53 und 48%, also einer Halbierung der Schubrate. Fumarat gilt als gut verträglich und sicher, wie Gold in einer Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie betonte. Auch der Neurologe Allan H. Ropper schreibt in seinem Kommentar zu den beiden Studien im New England Journal of Medicine: "Von Fumarat liegen Sicherheitsdaten über zwei Jahrzehnte vor, sodass es nur geringe Bedenken über Langzeitrisiken gibt."
Wirkung im MRT sichtbar
Dass die Therapie mit Fumarat nicht nur die Überreaktion des Immunsystems bei der multiplen Sklerose zu dämpfen vermag, sondern offenbar auch Nervenzellen schützen kann, zeigen kernspintomografische Aufnahmen (Magnetresonanztomografie, MRT) des Gehirns von 540 Patienten. Hier verringerte sich die Zahl neuer Läsionen mit Fumarat gegenüber Placebo um 73 bis 90%. Zum Ende des zweijährigen Studienzeitraumes waren 93% der Patienten mit zweimal täglich Fumarat frei von solchen Nervenschäden, 86% derjenigen, die das Präparat dreimal täglich erhalten hatten, und 62% der Placeboempfänger.
Neue Option für orale Therapie
Seit etwa 15 Jahren wird die multiple Sklerose in den meisten Fällen mit Interferon oder mit Glatirameracetat behandelt. Beide Substanzen können die Schubrate bei der relapsierend-remittierenden Form der multiplen Sklerose eindeutig reduzieren, müssen aber gespritzt werden. Für die orale Anwendung ist bisher nur seit April 2011 der Wirkstoff Fingolimod (Gilenya®) zugelassen, der Patienten mit schweren Verlaufsformen vorbehalten bleibt. Die Wissenschaftler hoffen jetzt auf die Zulassung von Fumarsäure durch die europäischen und amerikanischen Behörden im Frühjahr des kommenden Jahres.
Weitere positive Studie
Zeitgleich mit DEFINE wurde im New England Journal eine weitere Studie mit dem Akronym CONFIRM (Comparator and an Oral Fumarate in RRMS) veröffentlicht. Hier wurde Fumarat bei 1430 Patienten mit dem Immunmodulator Glatirameracetat verglichen und erzielte dabei eine ähnlich gute Verringerung der Schubrate, wiederum ohne Einbußen bei der Sicherheit.
Erfolgreicher Selbstversuch gegen Schuppenflechte
Entdeckt hatten die Wirkung von Fumarat der Biochemiker Walter Schweckendieck und der Allgemeinmediziner Günther Schäfer. Sie hatten sich zunächst mit dem in vielen Pflanzen enthaltenen Fumarat eingerieben und danach im Selbstversuch verschiedene Mischungen geschluckt, mit denen sie erfolgreich ihre Schuppenflechte (Psoriasis) bekämpften. Später bemerkten dann Neurologen, dass sich unter Fumaraten bei einigen ihrer Patienten nicht nur die Psoriasis, sondern auch deren MS gebessert hatte. Dies führte zu einer ersten kleinen Studie mit zehn Patienten. Bald darauf wurde der Schweizer Hersteller des Fumarsäuresalzes durch die US-Firma Biogen Idec aufgekauft.
Quelle
Fox, R. G., et al.: Placebo-controlled phase 3 study of oral BG-12 or glatiramer in multiple sclerosis. N. Engl. J. Med. (2012) 367: 1087 – 1097.
Gold, R. et al.: Placebo-controlled phase 3 study of oral BG-12 for relapsing multiple sclerosis. N. Engl. J. Med. (2012) 367: 1098 – 1107.
Ropper, A. H.: The "poison chair” treatment for multiple sclerosis. N. Engl. J. Med (2012) 367: 1149 – 1150.
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