Medizin

Hören im Alter

Schwerhörigkeit kann sozial isolieren und die Demenz fördern

Clemens Bilharz | Mit steigendem Alter kommt es – multifaktoriell bedingt – zu einer Abnahme des Hörvermögens. Das reduzierte Sprachverständnis kann Störungen der Kommunikation und der sozialen Beziehungen zur Folge haben und der Entwicklung von Demenz und Depressionen Vorschub leisten. Doch gibt es heute effiziente therapeutische Möglichkeiten durch Hörsysteme, Cochlea-Implantate und Audiotherapie. Voraussetzung dafür ist nicht nur eine rechtzeitige und differenzierte Diagnostik, sondern auch die Akzeptanz durch die Betroffenen.

Unter Schwerhörigkeit (Hypakusis) versteht man – unabhängig von einer Ursache – eine Verminderung der Hörfähigkeit im weitesten Sinne, das Ausmaß reicht von einer subjektiv kaum empfundenen Hörstörung bis hin zur Gehörlosigkeit.

Schwerhörigkeit als solche ist zunächst als Symptom einer Störung oder Erkrankung des Hörorganes zu verstehen. Grundsätzlich kann auf allen Etappen des Hörens bzw. der Hörverarbeitung Schwerhörigkeit entstehen, dementsprechend erfolgt eine topografisch-funktionelle Einteilung:

  • Schallleitungsschwerhörigkeit: Störung im äußeren Ohr und Mittelohr; betroffen sind der Gehörgang, das Trommelfell oder die Gehörknöchelchen.

  • Schallempfindungsschwerhörigkeit oder sensorische Schwerhörigkeit: Störung im Innenohr (Cochlea, Hörschnecke); betroffen ist das Neuroepithel (die Haarzellen).

  • Neurale Schwerhörigkeit: Betroffen ist der Hörnerv (Nervus cochlearis), der sich am inneren Gehörgang mit dem Gleichgewichtsnerv zum N. vestibulocochlearis vereinigt.

  • Zentrale Schwerhörigkeit: Betroffen ist die zentrale Hörbahn, die sich vom Ganglion spirale über den Nucleus cochlearis und die obere Olive im Hirnstamm, die Colliculi inferiores im Mittelhirn bis zum auditiven Kortex auf der oberen Windung des Temporallappens erstreckt.

  • Sind sowohl die Cochlea als auch der Hörnerv betroffen, spricht man auch von sensorineuraler Schwerhörigkeit.

WHO-Einteilung nach Schweregrad

Klinisch gebräuchlicher ist die Einteilung der Schwerhörigkeit nach dem Alter (z. B. kindliche Schwerhörigkeit, Altersschwerhörigkeit) oder in Schweregrade nach einem Reinton-Audiogramm (Tab. 1). In der WHO-Einteilung gilt ein erwachsener Mensch als schwerhörig, wenn er im Mittel auf dem besser hörenden Ohr bei den Frequenzen 500, 1000, 2000 und 4000 Hz einen bleibenden Hörverlust von mindestens 26 dB aufweist.

Epidemiologische Studien gaben im Jahr 2001 eine Prävalenz von behandlungsbedürftigen Hörstörungen in Deutschland von etwa 19% an, was einer Anzahl von etwa 13,2 Millionen Betroffenen entspricht. Da allerdings im Gegensatz zur WHO-Definition eine Minderung der Hörfähigkeit von mindestens 40 dB als Kriterium zugrunde gelegt wurde, dürfte die tatsächliche Zahl schwerhöriger Menschen in Deutschland durchaus höher liegen.


Tab. 1: Einteilung der Schwerhörigkeit nach dem WHO-Schweregrad (modifiziert nach [2])*

Grad der
Schwerhörigkeit
Mittlerer Hörverlust**
Klinischer Befund
Empfehlung
0 Normalhörig, keine
Beeinträchtigung
(no impairment)
≤ 25 dB
Keine oder nur leichte Probleme bei Kommunikation, Flüstersprache wird gehört
Beratung, Verlaufskontrolle
Bei Schallleitungsschwerhörigkeit ggf. OP-Indikation
1 Geringgradige
Schwerhörigkeit
(slight impairment)
26 – 40 dB
Sprache mit normaler Stimme in 1 m Entfernung vor dem Ohr wird verstanden
Beratung, ggf. Hörgerät
Bei Schallleitungsschwerhörigkeit oder kombinierter Schwerhörigkeit ggf. OP-Indikation
2 Mittelgradige
Schwerhörigkeit
(moderate impairment)
41 – 60 dB
Sprache mit erhobener Stimme in 1 m Entfernung vor dem Ohr wird verstanden
Hörgerät
Bei Schallleitungsschwerhörigkeit oder kombinierter Schwerhörigkeit ggf. OP-Indikation
3 Starke Schwerhörigkeit
(severe impairment)
61 – 80 dB
Bei sehr lautem Sprechen bzw. Schreien werden einige Worte verstanden (auf dem besseren Ohr)
Hörgerät
Falls Hörgerät nicht möglich, Alternativen prüfen, z. B. Cochlea-Implantat
Ergänzend Lippenlesen und Zeichensprache
4 Hochgradige
Beeinträchtigung
inkl. Taubheit
(profound impairment including deafness)
≥ 81 dB
Keinerlei Sprachverständnis bei maximaler Lautstärke
Hörgeräte-Trageversuch
Bei Scheitern in der Regel heute Indikation zur Cochlea-Implantation, ggf. auch Hirnstammimplantat
Ergänzend ggf. Lippenlesen und Zeichensprache

* Die WHO bezeichnet einen Erwachsenen als schwerhörig, wenn er im Mittel auf dem besser hörenden Ohr bei den Frequenzen 500, 1000, 2000 und 4000 Hz einen bleibenden Hörverlust von mindestens 26 dB aufweist.

** Im Reinton-Audiogramm

Trügerische Kompensation der Hördefizite

Ursächlich überwiegt im Kindesalter eine passagere und in der Regel einseitige Schallleitungsschwerhörigkeit aufgrund eines Paukenergusses mit einer Häufigkeit von 10 bis 30% der Kinder in den ersten drei Lebensjahren, während beim Erwachsenen die sensorineurale Schwerhörigkeit des Alters dominiert. In der Altersgruppe der 61- bis 70-Jährigen liegt die Prävalenz der sogenannten Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) bei etwa 37% und steigt in der Gruppe der 71- bis 80-Jährigen auf etwa 60% an, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen. Vor allem die demografischen Veränderungen in Deutschland und anderen Industriestaaten werden dazu führen, dass der Anteil schwerhöriger Menschen in den kommenden Jahren weiter ansteigen wird.

Objektiv bestehende Defizite des Hörvermögens werden nicht selten negiert oder bagatellisiert und können durch den hohen Redundanzanteil der Sprache (im Gegensatz zu Defiziten des Sehvermögens) relativ lange kompensiert werden. Daher ergeben sich – wie der Bundesgesundheitssurvey 1998 zeigte – bei Befragungen etwas niedrigere Prozentzahlen für die altersbezogene Schwerhörigkeit (Abb. 1).


Abb. 1: Verbreitung der Schwerhörigkeit Anteile der Frauen und Männer in bestimmten Altersgruppen Deutschlands, die sich auf Befragen selbst als schwerhörig bezeichnen bzw. ein Hörgerät tragen (Quelle: Bundesgesundheitssurvey 1998 [6]). Grafik: DAZ/Hammelehle

Multifaktorielle Ursachen der Schwerhörigkeit

Demnach tritt die Schwerhörigkeit im Alter zwar statistisch gehäuft auf, dennoch ist es strittig, ob es überhaupt eine rein physiologische ("natürliche") Alterung des Hörorgans gibt. Beispielsweise zeigten Untersuchungen bei Naturvölkern im Sudan, die keinen zivilisatorischen Einflüssen unterlagen, bis in die achte Lebensdekade eine nahezu unveränderte Hörfähigkeit. So geht man heute davon aus, dass ein Großteil der im Alter auftretenden Schwerhörigkeit aus folgenden Komponenten besteht:

  • Presbyakusis: 1. Störung der mikrovaskulären Versorgung der kochleären Haarzellen mit nachfolgender Ischämie, Hypoxie und oxidativem Stress, 2. degenerative Abbauprozesse im Bereich der zentralen Hörbahn (Untergang von Neuronen, Verlust von Neurotransmittern und Rezeptoren).

  • Soziakusis: Umweltfaktoren, vor allem Lärmexposition (Intensität und Dauer). Tierexperimentell gibt es Hinweise, dass starke Lärmbelastung nicht nur das Innenohr, sondern auch höhere auditorische Zentren entlang der Hörbahn schädigen kann.

  • Nosoakusis: nicht lärmbedingte und altersunabhängige Hörschäden, z. B. durch Schädel-Hirn-Trauma, viral bedingt, erblich bedingt oder stoffwechselassoziiert (z. B. Diabetes).

Streng genommen sollte daher auch von "Schwerhörigkeit im Alter" und nicht von "Altersschwerhörigkeit" gesprochen werden.

Neue Daten: auch mittlere und tiefe Frequenzen betroffen

Frühere Reinton-audiometrische Untersuchungen zeigten, dass die Hörminderung im Alter – d. h. der Anstieg der Hörschwelle – hauptsächlich die hohen Frequenzen betrifft (Abb. 2). In einer neueren Studie finden sich allerdings Hinweise, dass die Hörminderung im Alter besonders für tiefe und mittlere Frequenzen deutlich zunimmt – also im für das Sprachverständnis relevanten Bereich.


Abb. 2: Anstieg der Hörschwelle mit zunehmendem Lebensalter bei Frauen (links) und Männern (rechts). Die Hörschwelle ist der Schalldruckpegel (in Dezibel, dB), bei dem Geräusche oder Töne frequenzabhängig (Hz, kHz) gerade noch wahrgenommen werden (nach [8]).

Eine beginnende Schwerhörigkeit kann von den Betroffenen relativ lange kompensiert werden. Beispielsweise stellen sie das Radio, Fernsehen oder die HiFi-Anlage sukzessive lauter und wenden – bei einseitiger Schwerhörigkeit – das gesunde Ohr der sprechenden Person oder anderen Schallquellen zu. Einige nutzen auch ihre Augen zur Spracherkennung, indem sie bei ihrem Gegenüber die Wörter von den Lippen abzulesen versuchen.

Auffällig ist das nachlassende Sprachverständnis bei Umgebungsgeräuschen sowie in größeren, hallenden Räumen, was sich durch häufiges Nachfragen oder die inhaltlich falsche Beantwortung von Fragen äußern kann. Nicht selten spricht der Schwerhörige mit "unangemessen" lauter Stimme.

Erhöhtes Risiko für Demenz, Depression und Unfälle

In späteren Stadien führt die Schwerhörigkeit unweigerlich zu Kommunikationsstörungen. Hierbei ist zu bedenken, dass jede Art der Kommunikation nicht nur dem wechselseitigen Austausch von Information und Bewusstseinsinhalten dient, sondern auch der Organisation sozialer Beziehungen sowie dem Erhalt der individuellen Persönlichkeitsstruktur. Störungen der sozialen und persönlichen Beziehungen erhöhen das Risiko, an einer Depression oder Demenz zu erkranken. So zeigte eine prospektive Studie mit rund 640 Teilnehmern, dass sich das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, mit dem Schweregrad der Schwerhörigkeit bis auf das nahezu Fünffache erhöhen kann. Darüber hinaus besteht auch die Gefahr, dass schwerhörige Menschen Gefahrensituationen oder Warnsignale verspätet oder inadäquat wahrnehmen und dadurch einen Unfall erleiden. Daher zählen die Hörstörungen nach der "Global Burden of Disease"-Studie der WHO in den Industrieländern zu den sechs häufigsten Erkrankungen, die die Lebensqualität am meisten beeinträchtigen (neben u. a. ischämischer Herzkrankheit, Depression und M. Alzheimer) [10].

Diagnostisch zeigt sich im Reinton-Audiogramm erwartungsgemäß eine in der Regel symmetrische sensorineurale Schwerhörigkeit, die den in internationalen Normen festgelegten normalen Altershörverlust überschreitet. Jedoch gehören zur Spezifik der Hörminderung im Alter noch Faktoren wie

  • das schlechtere Verstehen von Sprache (vor allem im Störschall, d. h. bei Umgebungslärm),

  • das verlangsamte Hören (durch die verzögerte synaptische Übertragung werden schnell dargebotene akustische Reize schlechter verstanden),

  • das eingeschränkte Richtungshören.

Hierzu sollten zusätzliche Untersuchungen erfolgen, etwa ein Sprachtest (idealerweise im Störschall) oder ein spezieller, möglichst sprachfreier Test zur Untersuchung der auditorischen Verarbeitung in den zentralen Anteilen der Hörbahn. Bei Verdacht auf neurodegenerative Veränderungen, etwa bei beginnender Demenz oder nach Schlaganfall, sollte ein Screeningtest wie z. B. der Mini-Mental-Test vorgeschaltet werden.

Spezielle audiometrische Untersuchungen

Zur Erkennung von Hörstörungen im Innenohr dienen transitorisch evozierte otoakustische Emissionen (TEOAE) und die Distorsionsprodukte otoakustischer Emissionen (DPOAE).

Otoakustische Emissionen sind vom Innenohr ausgesendete Schallsignale, die durch mechanische Bewegungen der äußeren Haarsinneszellen entstehen. Sie wirken wie ein aktiver kochleärer Verstärker und können mittels einer Sonde im äußeren Gehörgang gemessen werden. Die Messungen sind objektiv, es bedarf also keiner Mitarbeit des Patienten.

Vor allem bei Patienten mit eher unauffälligen Reinton-audiometrischen Befunden, deren Sprachverständnis bei Störgeräuschen dennoch beeinträchtigt ist (Cocktailparty-Phänomen), kann die Fähigkeit, Schallquellen zu lokalisieren (Binaural Masking Level Difference, BMLD), beeinträchtigt sein. Das binaurale (d. h. beidseitige) Hören verbessert die Signalentdeckung bei Hintergrundgeräuschen, weil sich ein Signal (Nutzschall) bei einem Rauschen (Störschall) deutlich besser erkennen lässt, wenn Nutzschall und Störschall als räumlich unterschiedlich lokalisiert werden.

Bei schwerhörigen älteren Menschen sind sowohl DPOAE- als auch BMLD-Befunde signifikant häufiger pathologisch als bei jüngeren. Vor allem dienen die beschriebenen erweiterten audiometrischen Untersuchungen der Differenzierung, ob es sich um eine periphere (Innenohr) oder retrokochleäre (zentrale Hörbahn) Hörstörung handelt.


Ludwig van Beethoven litt sehr unter seiner Schwerhörigkeit und verwendete Hörrohre, bevor er taub wurde.

Mit dem Hörrohr fing es an


Dass Schwerhörigkeit langfristig zu Störungen der Kommunikation und der sozialen Beziehungen führt, ist keine Erkenntnis der Moderne. So stellte bereits Immanuel Kant fest: "Nicht sehen können trennt von den Dingen, nicht hören können von den Menschen."

Die ersten Hörhilfen gab es bereits im 17. Jahrhundert. Die Hörrohre funktionierten allerdings nach dem simplen Prinzip "play loud". Erst die heutigen Hörsysteme können selektiv leise Töne verstärken und Störgeräusche unterdrücken.

Therapie der Wahl: moderne Hörsysteme

Therapeutisch im Vordergrund steht bei der Schwerhörigkeit im Alter die Versorgung mit Hörgeräten. Dabei wird nach dem Ausstellen einer "Ohrenärztlichen Versorgung einer Hörhilfe" durch den HNO-Arzt der Patient von einem Hörgeräteakustiker mit dem für seinen Hörverlust am besten geeigneten Hörgerätemodell versehen. Laut des seit 1. März 2012 gültigen Festbetragsgruppensystems für Hörhilfen des GKV-Spitzenverbands muss ein Hörgerät für einen "an Taubheit grenzenden Patienten" folgenden technischen Anforderungen genügen:

  • Digitaltechnik
  • Mehrkanaligkeit (mindestens vier Kanäle)
  • Rückkopplungs- und Störschallunterdrückung
  • Mindestens drei Hörprogramme
  • Verstärkungsleistung ≥ 75 dB

Moderne Hörsysteme verfügen daher meist über mehr als ein Mikrofon, um eine definierte Richtcharakteristik erzielen zu können. Dadurch können Geräusche aus bestimmten Richtungen reduziert und Nutzsignale (Sprache) betont werden. Ebenfalls sind häufig Mechanismen zur Störschall- und Rückkopplungsunterdrückung ("Pfeifen") integriert. Darüber hinaus arbeitet die Verstärkung meist nichtlinear, um die veränderte Hördynamik des Patienten zu berücksichtigen. In der Regel sind die heutigen Ohrgeräte als Hinter-dem-Ohr-Bauform (HdO) oder als im Ohr getragenes Gerät (IO) konzipiert.

Nach wie vor allerdings benutzen viele schwerhörige Senioren kein Hörgerät. Gründe hierfür sind zum einen persönliche Faktoren (Bagatellisierung, Stigmatisierung, mangelnde Compliance), zum anderen Funktionsdefizite z. B. in der Störgeräuschunterdrückung sowie eine unzureichende Anpassung der Geräte selbst.


Lässt sich der Schwerhörigkeit vorbeugen?


Eine allgemein anerkannte gezielte Prophylaxe gibt es nach derzeitigem Kenntnisstand nicht. Dennoch können Faktoren wie Stabilisierung des Herz-Kreislauf-Systems und des Blutdrucks sowie Stressvermeidung unterstützend dabei wirken, Sinnesqualitäten und die Funktion zentralnervöser Strukturen zu erhalten. Auch wenn die Lärmempfindlichkeit individuell unterschiedlich bzw. genetisch determiniert zu sein scheint, ist als einzige vorbeugende Maßnahme die konsequente Vermeidung einer gehörschädigenden Lärmbelastung international anerkannt.

Zur Frage, ob oxidativer Stress ein möglicher Pathomechanismus der Presbyakusis ist, liegen zwischenzeitlich Studien vor. Beispielsweise wurde – allerdings erst im Tierversuch – gezeigt, dass sich durch eine prophylaktische Kombination antioxidativ wirksamer Substanzen (u. a. Folsäure, Glutathion-disulfid, Vitamin C und B12) die Hörschwellen senken ließen.


Neben der Versorgung mit Hörgeräten spielt die Hörtherapie (auditiv-verbale Therapie) besonders bei älteren Schwerhörigen eine wichtige Rolle. Hier üben die Betroffenen gezielt das Hören und repetitive Sprechen zur Erkennung von Klang- und Schallmustern. Dadurch soll die sogenannte neuronale Plastizität angeregt werden: Ziel ist, die vor dem Gebrauch der Hörgeräte unzureichend genutzten afferenten Eingänge in die zentralen Anteile des Hörsystems zu "reaktivieren", um den Wortschatz als solchen, aber auch die assoziativen Fähigkeiten der Großhirnrinde zu trainieren.

Hörimplantate bieten Vorteile


Abb. 3: Cochlea-Implantat Das Foto zeigt die zum Implantat dazugehörigen, außen sichtbaren Teile: Das Mikrofon und ein Prozessor am Ohr leiten die akustischen Signale zur Senderspule am Hinterkopf. Die Grafik zeigt die Übertragung der Signale von der Senderspule zur (im Kopf implantierten) Empfängerspule und deren Weiterleitung in die Cochlea, wo Elektroden den Gehörnerv stimulieren. Foto: Cochlear; Grafik: Wikimedia Commons, bearb. Corrias


In den letzten Jahren kommen vermehrt Hörimplantate zum Einsatz, die durch einen kleinen chirurgischen Eingriff ins Mittel- oder Innenohr eingepflanzt werden und eine direkte mechanische Stimulation des Innenohres oder eine elektrische Stimulation der Hörnerven ermöglichen. Als Vorteile ergeben sich eine natürliche Klangqualität bei Sprache und Musik, ein besseres Unterscheiden von Einzeltönen (vor allem im Störschall) sowie das Fehlen des Rückkopplungspfeifens. Insbesondere wenn ältere Menschen aufgrund von Schädigungen der Haarzellen im Innenohr hochgradig schwerhörig sind, empfehlen sich Cochlea- oder Innenohrimplantate (Abb. 3). Sie speisen die in elektrische Impulse umcodierte akustische Information direkt in die intakte zentrale Hörbahn ein, wodurch sich oft ein Wortverständnis von mehr als 90% und somit eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität erreichen lässt.


Literatur

[1] Zahnert T. Differenzialdiagnose der Schwerhörigkeit. Dtsch Ärztebl 2011; 108(25): 433 – 444.

[2] WHO. Grades of hearing impairment. www.who.int/pbd/deafness/hearing_impairment_grades/en/index.html.

[3] Heger D, Holube I. Wie viele Menschen sind schwerhörig? Z Audiol 2010; 49(2): 61 – 70.

[4] Hesse G, Laubert A. Hörminderung im Alter – Ausprägung und Lokalisation. Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2864 – 2868.

[5] Ernst A. Fachinformation Altersschwerhörigkeit. Hrsg. Deutsche Seniorenliga e.V., 2010.

[6] Robert Koch-Institut. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Hörstörungen und Tinnitus. Heft 29, 2006.

[7] Heman-Ackah SE et al. A combination antioxidant therapy prevents age-related hearing loss in C57BL/6 mice. Otolaryngol Head Neck Surg 2010; 143(3): 429 – 434.

[8] Probst R. Innenohr und retrokochleäre Störungen. In: Probst R, Grevers G, Iro H. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2000: 256 – 269.

[9] Lin FR et al. Hearing Loss and Incident Dementia. Arch Neurol 2011; 68(2): 214 – 220.

[10] Mathers C, Smith A, Concha M. Global burden of hearing loss in the year 2000. In: Global Burden of Disease. World Health Organization, Genf 2000: 1 – 30.

[11] Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung. Stand: 21. Dezember 2011 / 15. März 2012.


Autor

Clemens Bilharz

Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin



DAZ 2012, Nr. 45, S. 50

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