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Arzneimittel und Therapie
Drohende Frühgeburt
Zu früh geboren zu werden, kann viele Probleme nach sich ziehen. Extrem frühgeborene Kinder, die vor der 26. SSW geboren werden, haben, wenn sie das Schulalter überhaupt erreichen, Wahrnehmungsschwierigkeiten sowie erhebliche schulische Defizite.
Auch Neugeborene, die nur ein paar Wochen zu früh geboren werden, haben im Vergleich zu ihren nach regulärer Schwangerschaftsdauer geborenen Altersgenossen eine hohe Wahrscheinlichkeit, gesundheitliche Probleme zu entwickeln.
Ungefähr 14,9 Millionen Babys werden weltweit zu früh geboren, das sind 11,1% aller Lebendgeburten weltweit. Natürlich sind einige der frühen Geburten ausgelöst durch iatrogene vorzeitige Geburtseinleitung oder Kaiserschnitt, für Mutter und Kind oft lebensnotwendig. Dies gilt z. B. bei schwerer Präeklampsie, intrauteriner Wachstumsretardierung oder vorzeitiger Plazentalösung. Solche Frühgeburten müssen klar abgegrenzt werden von Frühgeburten mit spontanen frühzeitigen Wehen.
Frauen mit vorzeitigen Wehen haben Uteruskontraktionen, und es wird alles versucht, um diese Wehen zu stoppen. Die Erwartung, dass diese Versuche zu einer substanziellen Senkung der Frühgeburtenrate führen, hat sich nicht erfüllt. Kontraktionen stehen am Ende eines komplexen Prozesses, der zu Wehen führt, somit beeinflusst die Tokolyse nur das Symptom, nicht aber die den Wehen zugrunde liegende Pathologie.
Zurzeit gibt es auf dem Markt eine Reihe verschiedener Arzneimittel, die zur Tokolyse eingesetzt werden:
Prostaglandininhibitoren wie Indometacin und Celecoxib
Calciumkanalblocker,
Beta-Sympathomimetika,
Oxytocinrezeptorantagonisten,
Magnesiumsulfat,
Indometacin und
NO-Donatoren (Nifedipin; für diese Indikation in Deutschland nicht zugelassen).
Unterschiede bei Tokolyse
Noch bevor solche Studien wie die Metaanalyse von Haas und Kollegen verfügbar waren, wurde die Therapie meist durch Abwägen des relativen Risikos aufgrund von Ergebnissen randomisierter kontrollierter Studien entschieden (Tab. 1). Wie bei jeder anderen Metaanalyse hängt das Ergebnis von der Brauchbarkeit der grundlegenden Daten ab.
Haas und Kollegen berücksichtigten für ihre Analyse von 95 Studien vier Endpunkte:
die Effektivität der Wehenhemmung,
die neonatale Mortalität,
die Reduktion des Atemnotsyndroms sowie
unerwünschte Arzneimittelwirkungen für die Gebärende.
Im Hinblick auf die Wehenhemmung waren Prostaglandininhibitoren am effektivsten. Mit ihnen konnte die Geburt um 48 Stunden hinausgeschoben werden (5,39-mal besser als mit Placebo). Am zweitbesten schnitt Magnesiumsulfat ab (2,76), gefolgt von Calciumkanalblockern (2,71), Beta-Sympathomimetika (2,41) und dem Oxytocinrezeptorantagonisten Atosiban (2,02).
In der Gesamtbewertung fiel auf, dass die wehenwirksamen Beta-Sympathomimetika die meisten unerwünschten Wirkungen (vor allem kardiale Nebenwirkungen) bei den Schwangeren hervorriefen (22,68-mal häufiger als Placebo). Auch Magnesiumsulfat (8,15) und Calciumkanalblocker (3,80) mussten wegen Nebenwirkungen häufiger gegen andere Wirkstoffe ausgetauscht werden. Am verträglichsten für die Frauen waren Prostaglandininhibitoren (1,6) und Oxytocinrezeptorantagonisten (2,0).
Kein zusätzlicher Nutzen
Abgesehen von der unterschiedlichen Länge der Tokolyse erzielte keiner der untersuchten Arzneistoffe einen zusätzlichen Nutzen.
Es existieren zahlreiche Studien, die sich bei den verschiedenen Tokolytika auf die Graviditätsdauer bzw. das Gestationsalter als Surrogatmarker für neonatale Mortalität konzentrieren. Gründe dafür sind vor allem, dass auch bei kleineren Studien mit weniger als 100 Teilnehmern eine relativ hohe Chance besteht, einen statistisch signifikanten Unterschied nachzuweisen.
Hinsichtlich der neonatalen Mortalität zeigten sich in der Metaanalyse keine klaren Unterschiede gegenüber Placebo. Die Zahl der Todesfälle war zu gering. Am ehesten war eine Verbesserung dieses Endpunktes bei Kindern zu erkennen, deren Mütter Calciumkanalblocker erhalten hatten.
Somit kann die Frage, ob es sinnvoll ist, den Embryo für ein paar Tage oder sogar länger im Uterus zu belassen, nicht beantwortet werden. Auch wenn zurzeit keine Evidenz besteht, dass die Tokolyse das Outcome nach der Frühgeburt verbessert, schafft sie doch einen zeitlichen Spielraum, um die Schwangere in ein Zentrum mit neonatologischer Intensivversorgung zu überführen und auch die Lungenreifung des Kindes durch eine Betamethason-Therapie zu verbessern.
Haas und Kollegen kommen nach Auswertung aller Studien zu dem Schluss, dass Prostaglandininhibitoren und Calciumkanalblocker am ehesten geeignet sind, um eine Frühgeburt zu verzögern.
Für die Klinik brauchbare Ergebnisse können nur erzielt werden, wenn weitere Studien zu Tokolytika durchgeführt werden, die ohne Surrogatmarker wie Graviditätsdauer auskommen und die die neonatale Mortalität als primären Endpunkt einsetzen.
Quelle
Haas DM, Caldwell DM, Kirkpatrick P, et al.: Tocolytic therapy for preterm delivery: systematic review and network meta-analysis. BMJ 2012; 345: e6226.
Apothekerin Ina Richling, PharmD
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